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Graf Simon de Montfort
In Gottes Auftrag gegen Englands König

Vor 750 Jahren starb der englisch-französische Graf Simon de Montfort, der in England bis heute als Märtyrer der Freiheit verehrt wird. Zeitweilig engster Berater des englischen Königs, wurde er um 1260 zum Anführer der Revolte gegen den König. Dieser Wandel verwundert jedoch nur auf den ersten Blick.

Von Winfried Dolderer | 04.08.2015
    Darstellung der Schlacht von Evesham, bei der Graf Simon de Montfort ums Leben kam
    Darstellung der Schlacht von Evesham, bei der Graf Simon de Montfort ums Leben kam (imago/stock&people)
    Das Pferd war schon tot unter ihm zusammengebrochen. Der Ritter musste zu Fuß weiter kämpfen. Er stand mitten im feindlichen Getümmel und schlug mit dem Schwert um sich, bis ihn selbst der tödliche Hieb traf. "Gott Dank", sollen seine letzten Worte gewesen sein.
    So endete am 4. August 1265 bei Evesham im Westen Englands das Leben eines Mannes, den spätere Historiker als den "ersten Anführer einer politischen Bewegung in der englischen Geschichte" würdigten: Simon de Montfort, Graf von Leicester, war der drittgeborene Sohn einer nordfranzösischen Hochadelsfamilie. Seit 1231 in England begütert, Schwager und zeitweilig engster Berater des Königs, schließlich dessen schärfster Gegner. Mit der Schlacht bei Evesham endeten auch sieben für England turbulente Jahre: der Aufstand der Barone gegen König Heinrich III. Dieser habe den einheimischen Adel bei politischen Entscheidungen zu oft übergangen, lautete nach den Worten des Hamburger Mittelalter-Historikers Jürgen Sarnowsky der Hauptvorwurf an den Monarchen:
    "Er hat aus der Sicht der englischen Barone die falschen Ratgeber gehabt, nämlich die Franzosen vor allen Dingen aus dem verbliebenen englischen Herrschaftsbereich in Südwestfrankreich. Die englischen Barone haben argumentiert: Wir sind die natürlichen Ratgeber des englischen Königs und eben nicht diese Herren von der anderen Seite des Kanals."
    Als Heinrich III. den kostspieligen Plan fasste, im Auftrag des Papstes das Königreich Sizilien zu erobern, war für die Barone das Maß voll. Sie versammelten sich 1258 in Oxford und schworen einen Eid auf die Reform der Monarchie. Künftig sollte der König nichts mehr entscheiden dürfen ohne die Zustimmung eines 15-köpfigen Rates der Barone. Das Parlament sollte dreimal im Jahr zu festen Terminen im Februar, Juni und Oktober zusammentreten.
    "Das Merkwürdige ist, dass diese Bestimmung so aussieht, als wenn das schon vorher so war. Die Forschung ist sich, glaube ich, da einig, dass das sich erst entwickelt hat, und dass man hier so eine scheinbare Selbstverständlichkeit aufgreift, die sich aber sozusagen dann etabliert. Das ist im Prinzip eine Neuerung."
    Kein geborener Demokrat
    Dass ein gebürtiger Franzose und Verwandter des Königs zum Anführer der Revolte aufstieg, verwundert nur auf den ersten Blick. Der Graf von Leicester galt längst als durch und durch englischer Magnat. Mit seinem Schwager Heinrich III. hatte er etliche Rechnungen offen, das persönliche Verhältnis war zerrüttet. An Bildung, Weltkenntnis und politischer Erfahrung stellte Simon de Montfort seine Standesgenossen in den Schatten. Er galt als begnadeter Redner und exzellenter Stratege. Den Kampf gegen Englands König empfand er als Gottes Auftrag:
    "Ich habe das Kreuz genommen und bin bereit, unter Christen nicht anders als unter Heiden im Kampf für die Freiheit des Landes und die heilige Kirche zu sterben."
    Das ließ er seine Anhänger wissen, als er nach einem längeren Aufenthalt in Frankreich im April 1263 nach England zurückkehrte. Dort hatten in den Jahren zuvor König und Rebellen mit wechselndem Erfolg um die Vorherrschaft gerungen. Bei Lewes im Süden Englands besiegte de Montfort im Mai 1264 eine überlegene königliche Armee. Heinrich III. und Thronfolger Edward standen seither unter seiner Aufsicht. An dem Parlament, das einen Monat später in London tagte, nahmen erstmals auch Kleinadlige teil, vier Ritter aus jeder Grafschaft. Im Januar 1265 trat ein weiteres Parlament zusammen, zu dem überdies das Bürgertum der Städte Vertreter entsandte. Dass Simon de Montfort dafür später als Begründer einer repräsentativen Regierungsform gefeiert wurde, ist freilich aus heutiger Historikersicht übertrieben.
    "Er war sicherlich nicht ein geborener Demokrat, sondern wollte einfach seine eigenen Rechte gegenüber dem Königtum und die Rechte der Barone durchsetzen, und hatte eben ein sehr hohes Selbstverständnis von seiner Person."
    Dass er als faktischer Machthaber Englands sich und seine Familie bereicherte, kostete ihn Sympathien. Das Ende kündigte sich an, als im Mai 1265 Kronprinz Edward aus dem Gewahrsam entkam und eine imposante Streitmacht sammelte. Sechs Wochen später sah Simon in der Schlacht bei Evesham als ersten seinen ältesten Sohn Henry fallen.
    "Dann ist es Zeit für uns zu sterben."
    Mit diesen Worten soll Simon de Montfort in den Kampf gezogen sein. In England wird er bis heute als Märtyrer der Freiheit verehrt.