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Grande Dame des Showbiz gegen Skandalnudel des Pop

Sie trennen 47 Jahre, die eine setzt auf Dance-Pop mit politscher Aussage, die andere auf hippe Produzenten und skandalträchtige Auftritte. Am 4. Oktober erscheinen die neuen Albem von Cher und Miley Cyrus und dann wird sich zeigen, welche Marketingstrategie bei Musikfans besser ankommt.

Von Marcel Anders | 04.10.2013
    Es ist ein Kampf der Giganten. In der einen Ecke: Cher - sechs Dekaden Showgeschäft, über 140 Millionen verkaufte Tonträger und zig Grammys. Eine Institution, die es nach zwölfjähriger Plattenpause noch einmal wissen will. Auf der anderen Seite: Miley Cyrus, 20 Jahre jung, aber schon 120 Millionen Dollar schwer. Als Hannah Montana der amerikanische Teeniestar schlechthin. Aber seit Jüngstem mit neuem Image, neuem Sound und neuer Mission.

    "Ich habe das Gefühl, dass die meisten Mädchen nicht sagen, was sie denken. Und deshalb will ich da Vorbildfunktion einnehmen und mit starkem Beispiel vorangehen. Eben als weiblicher Rebell. Denn es ist ja immer noch so, dass Frauen nicht wirklich sein können, was sie wollen. Insofern ist es wichtig, dass ich mich dafür einsetze."

    Wobei beide – der Veteran wie die Rebellin – dasselbe Ziel verfolgen: Nämlich möglichst viel Erfolg in den internationalen Charts zu verbuchen. Was sie auf unterschiedliche Weise angehen: Miley arbeitet auf ihrem vierten Album "Bangerz" mit hippen Produzenten wie Pharrell Williams, gibt sich schrill, frech und überdreht und bietet doch nur die bewährte Mischung aus R&B, Dancefloor und Pop, die wir schon von Katy Perry und Rihanna kennen.

    Ganz anders Cher, die mit "Closer To The Truth" ihr 26. Album vorlegt, dabei auf die Hilfe von Pink oder William Orbit zurückgreift und auf große Balladen und fast altmodischen Dance-Pop setzt. Der Sound der Generation Madonna, aber mit sozio-politischem Anspruch. Nämlich – so Cher - als hedonistisches Manifest in einem der dunkelsten Momente der amerikanischen Geschichte: dem republikanischen Boykott gegen Obama, der die USA regelrecht handlungsunfähig macht.

    "Das Land versinkt im Chaos. Und deshalb wird es höchste Zeit, ein Gesetz zu erlassen, dass jede Eingabe vom Kongress verabschiedet werden muss, statt sie einfach zu blockieren, weil man den Präsidenten nicht mag. Die Republikaner würden das Land eher vor die Hunde gehen lassen, als mit Obama zu arbeiten. Und ich habe 11 Präsidenten mitgemacht, aber so etwas habe ich noch nie erlebt."

    Ein politischer Anspruch, der Miley völlig abgeht. Das zierliche Mädchen mit dem heftigen Südstaatenakzent redet lieber von "Followern" oder "Tweeds". Und wirft mit feministischen Schlagwörtern um sich, als wäre es Designer-Unterwäsche. Derer sie sich – das hat sie in Videoclips und Fernsehauftritten bewiesen – nur zu gerne entledigt. Sei es, um einen radikalen Schlussstrich unter ihre Disney-Jahre zu ziehen oder maximale Publicity zu generieren. Ob gute oder schlechte, ist ihr dabei egal.

    "Ich habe einfach Spaß. Ich meine, jeder meint, mein Auftreten wäre kalkuliert oder ich hätte eine wer weiß wie große Wandlung durchgemacht. Dabei werden wir alle irgendwann erwachsen. Und das reflektiert sich in der Musik wie im Stil. Das sind ganz natürliche Veränderungen."

    Doch was Miley mit viel nackter Haut propagiert, ist für Cher ein ganz alter Hut. Schließlich hat sie diesen Trumpf schon unzählige Male ausgespielt und dabei zig Grenzen überschritten. Etwa, als sie mit einem Hauch von Nichts auf der Kanone eines Panzerkreuzers posierte. Oder mit deutlich jüngeren Rockstars und Schauspielern anbandelte. Allerdings ist das schon 20 Jahre her, und inzwischen muss selbst Cher zugeben, dass ihr Sex-Appeal nachlässt.

    "Als ich 40 war, sah ich aus wie 20 - und bin mit vielen jüngeren Männern ausgegangen. Was auch daran lag, dass mich die älteren scheinbar nicht gemocht haben. Im Ernst: Ich wäre ziemlich allein gewesen, wenn es keine jüngeren Männer gegeben hätte, die von Frauen wie mir großgezogen wurden und insofern keine Angst vor mir hatten. Nur: Das ist mittlerweile vorbei. Ich gehe kaum noch mit jüngeren Männern aus."

    Eine Erfahrung, die auch Miley machen wird – sofern sie überhaupt so lange durchhält. Bis dahin ist Cher klarer Sieger nach Punkten. Zwar auch mit kleinen Schwächen, aber doch mit weitaus mehr Stil und eindeutig besseren Songs.