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Grande Nation gegen kleine Nager

Alle EU-Länder haben sich auf den Artenschutz verständigt. Doch wenn beispielsweise der Feldhamster auf lukrativem Bauland siedelt, gerät der Schutz oft ins Abseits. Frankreich muss nun den Feldhamster besser vor dem Aussterben schützen - das hat der Europäische Gerichtshof entschieden.

Von Mirjam Stöckel | 14.06.2011
    Er hat den großen Streit um den kleinen Nager in Frankreich ins Rollen gebracht: Jean-Paul Burget, Umweltschützer aus Überzeugung – und durchaus dickköpfig, wenn es um Flora und Fauna im Elsass geht. Nur noch knapp 500 Hamster leben seinen Zählungen zufolge hier in freier Wildbahn, anderswo in Frankreich gibt es den Hamster gar nicht. Mindestens 1500 Tiere braucht es aber im Elsass, damit die Art nicht ausstirbt.

    "Das größte Problem ist die Mais-Monokultur. 75 bis 80 Prozent der Felder werden mit Mais bebaut. Und um Straßburg herum ist es die Zersiedelung. Mais und Städtebau – je mehr es davon gibt, umso mehr verschwindet der Hamster."

    Das darf aber nicht sein, findet Burget. Denn eigentlich müsste Frankreich die Hamster laut einer Tierschutzrichtlinie der EU vor dem Aussterben bewahren. Über Jahre hinweg hat er deshalb Beschwerden bei allen zuständigen Stellen in Frankreich eingereicht – doch die hielten das Hamstersterben nicht auf. 2006 wandte sich Burget dann an die EU-Kommission in Brüssel. Und die schaltete kurzerhand den Europäischen Gerichtshof ein. Doch Burget wollte nicht tatenlos abwarten, was passiert:

    "Wir haben dann drei Aufzuchtstationen eröffnet, weil wir sehr genau wussten, dass der Hamster sonst aussterben würde. In unseren Stationen leben jetzt etwa 900 Hamster – mit denen wir die Population in der freien Wildbahn verstärken."

    Jetzt haben Europas Richter ihr Urteil gefällt – und ihm und seinen Hamstern einen großen Erfolg beschert: Frankreich habe den Hamsterschutz zumindest bis 2008 nicht ernst genug genommen, urteilt der EuGH. Jean Paul Burget ist mit diesem Urteil höchst zufrieden – und rechnet mit einigem Rückenwind:

    "Ich hoffe, der Druck auf Frankreich wächst damit. Damit es seine Biotope endlich wirklich schützt, damit es weniger Maismonokulturen gibt und mehr Artenvielfalt."

    Der Maisanbau ist in der Tat das Kernproblem. Seit einiger Zeit bemüht sich Frankreich zwar nach Kräften, das Hamstersterben doch noch zu stoppen: Seit 2007 gibt es extra dafür einen nationalen Aktionsplan. Und der zeige auch erste Erfolge, beteuerte das Umweltministerium direkt nach dem EuGH-Urteil.

    Mittlerweile werden beispielsweise die Bestände überwacht und Hamster-Infokampagnen für die breite Öffentlichkeit und Stadtplaner organisiert. Rund 500.000 Euro lässt sich die öffentliche Hand diese Rettungsmaßnahmen jährlich kosten – also 1000 Euro pro Feldhamster. Das ist der Preis für jahrelange Untätigkeit – jetzt muss Frankreich sich richtig anstrengen. So erhalten Bauern beispielsweise Zuschüsse, wenn sie auf die höchst lukrativen Mais-Monokulturen verzichten. Christian Schmitt tut genau das: Er pflanzt Luzerne.

    "Wir bekommen die Differenz zwischen Mais und Luzerne erstattet, denn Mais ist mehr wert. So können wir diesen Verlust ausgleichen."

    Doch das Erstattungsverfahren sei aufwendig und koste Zeit, sagt Schmitt – und die Mehrheit der Landwirte wolle deshalb keine solchen Vereinbarungen abschließen.

    "Es ist eben der Mais, der das Geld bringt – nicht der Hamster. Das ist die traurige Wahrheit."

    Die EU-Kommission muss also weiter scharf beobachten, ob Frankreich nun nachbessert und endlich genug unternimmt, um den Elsässer Feldhamster doch noch zu retten. Falls nicht, wird es teuer: Dann drohen der Grande Nation wegen des kleinen Nagers Strafzahlungen in Millionenhöhe.