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Graphen
Exakte Nanobänder aus Kohlenstoff

Physik. - Seit zehn Jahren hat Graphen, eine atomdünne Abart des Kohlenstoffs, den Ruf ein Werkstoff der Zukunft zu sein, etwa weil es ein sehr guter Stromleiter ist. Doch richtig ausspielen konnte Graphen diesen Vorteil noch nicht, dazu mangelte es bislang an geeigneten Herstellungsverfahren. Abhilfe verspricht in der aktuellen "Nature" ein Forscherteam aus den USA.

Von Frank Grotelüschen | 06.02.2014
    Eigentlich könnte es ja so schön sein. Im Prinzip nämlich besitzt Graphen, jene ultradünne Variante des Kohlenstoffs, eine bemerkenswerte Eigenschaft: Es ist ein extrem guter Stromleiter, was den Nanowerkstoff hochinteressant macht für den Einsatz in der Elektronik. In der Praxis aber gibt es da bislang ein Problem – und zwar beim Herstellungsprozess, wenn man das Graphen in passende Stückchen zurechtschneidet.
    "Das Problem ist: Zerschneidet man Graphen, ist das so ähnlich, als wenn man Papier zerreißt. Die dabei entstehende Abrisskante ist alles andere als glatt, sondern hat lauter Zacken. Für das Graphen sind solche rauen Kanten fürchterlich: Sie machen einige seiner Eigenschaften zunichte – insbesondere seine Fähigkeit, elektrischen Strom extrem gut zu leiten",
    sagt Walt de Heer, Nanoforscher am Georgia Institute of Technology in Atlanta. Gemeinsam mit seinem Team rätselte er, wie man Graphen mit schön glatten Rändern produzieren ließe – und stieß auf folgende Lösung:
    "Bei unserer Methode gehen wir von einem Kristall aus Siliziumkarbid aus. In diesen Kristall ätzen wir flache, nanometerfeine Gräben, die sehr gerade Kanten besitzen. Dann erhitzen wir das Ganze auf über 1000 Grad. Dabei entstehen an den Seitenwänden der Gräben Nanobänder aus Graphen, und zwar ganz von selbst. Und da diese Nanobänder exakt mit den Kanten der Gräben abschließen, haben sie extrem glatte Ränder."
    40 Nanometer breit, mehrere Mikrometer lang, so die Maße der Nanobänder aus Atlanta. Ihre Ränder sehen nicht mehr so aus wie zerrissenes Papier, sondern wie ein Briefbogen, säuberlich zugeschnitten mit der Schneidemaschine. Nun wollte Walt de Heer natürlich wissen, ob sein glattkantiges Graphen den Strom auch wirklich so gut leitet wie erhofft. Gemeinsam mit Forschern aus Hannover machte er sich auf, die Leitfähigkeit der Winzlinge präzise zu vermessen.
    "Die Ergebnisse waren höchst verblüffend. Die Fachwelt wollte sie erst gar nicht glauben. Denn unsere Nanobänder leiten elektrischen Strom nahezu perfekt, und zwar über Dutzende von Mikrometern, also relativ große Distanzen. Das widerspricht komplett der gängigen Theorie. Die sagt, dass Graphenbänder den Strom niemals so gut leiten sollten!"
    In Zahlen: Die Nanobändchen leiten den Strom zehnmal besser als die Theorie erlaubt – was zeigt, das die Physiker das Verhalten von Graphen noch nicht wirklich verstanden haben. Walt de Heer jedenfalls hat schon eine praktische Anwendung im Sinn. Denn seine Methode, so sagt er, taugt im Prinzip für die Massenfertigung der Nanobänder – und zwar für die Computerchips der Zukunft.
    "Die Nanobänder aus Graphen könnten als Leiterbahnen fungieren. Was man für einen Prozessor dann noch bräuchte, wären die Schalter, die Transistoren. Wie man die ebenfalls aus Graphen machen könnte, daran arbeiten wir bereits."
    Das Ziel: ein ultraschneller Transistor mit einer Taktrate von einem Terahertz, das wäre 300mal schneller als ein heutiger Silizium-Transistor. Und weil so ein Nanochip aus Graphen den Strom so gut leiten würde, wäre er nicht nur viel fixer als die derzeitigen Rechner, sondern würde auch deutlich weniger Energie brauchen.