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Gravitationskraft an Schwarzem Loch
Eiernder Stern bestätigt Einsteins Theorie

16 Jahre dauert es, bis der Stern SO-2 das supermassive Schwarze Loch im Zentrum unserer Galaxie einmal umrundet hat. Seit 20 Jahren verfolgen Forscher seine Bewegung. Ihre Beobachtungen bestätigen die Allgemeine Relativitätstheorie - und werfen neue Fragen auf.

Von Frank Grotelüschen | 29.07.2019
Sagittarius A, eine Region im Zentrum der Milchstraße
Die Forscher beobachten die Region im Zentrum der Milchstraße seit Jahren mit dem Keck-Teleskop auf Hawaii (imago images / Zuma Press / Chandra)
SO-2 - in der Chemie ist das die Formel für Schwefeldioxid, ein Schadstoff. Doch Astronominnen wie Andrea Ghez von der Universität Los Angeles verstehen darunter etwas ganz anderes.
"Das ist ein Stern im Zentrum unserer Galaxie. Das Besondere: Er ist der Stern, der dem Zentrum am nächsten liegt und von dem wir den Orbit kennen."
Im Zentrum der Milchstraße schlummert ein regelrechtes Monstrum: ein supermassives Schwarzes Loch, vier Millionen Mal massereicher als die Sonne. SO-2 umkreist dieses Monstrum und braucht für eine Runde etwa 16 Jahre. Entsprechend viel Geduld benötigten die Fachleute, um mit dem Keck-Teleskop auf Hawaii einen kompletten Orbit zu verfolgen.
"Wir entdeckten den Stern vor etwa 20 Jahren. Seit 20 Jahren verfolgen wir seine Bewegung. Und mittlerweile haben wir einen regelrechten Film seines Umlaufs im Kasten."
Gravitationskraft 400 Mal stärker als zwischen Sonne und Erde
Der Stern bewegt sich nicht auf einer Kreisbahn, sondern eiert auf einer ausgeprägten Ellipse um das Schwarze Loch herum. Besonders spannend wurde es im letzten Sommer.
"Im letzten Sommer war der Stern am nächsten dran. Dadurch konnten wir herausfinden, wie sich die Gravitation in der Nähe des Schwarzen Lochs verhält."
Die Gravitationskraft, die SO-2 während des Rendezvous verspürte, war rund 400 Mal stärker als die zwischen Sonne und Erde – und damit derart mächtig, dass nicht mehr das klassische Gravitationsgesetz von Newton gilt, sondern Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie. Und die besagt unter anderem, dass starke Gravitationskräfte sogar das Licht beeinflussen sollten. Genau das haben Andrea Ghez und ihr Team nun beobachtet.
"Der Schlüssel war die Messung der sogenannten gravitativen Rotverschiebung. Das bedeutet: Das vom Stern ausgehende Licht muss gegen das gewaltige Schwerefeld des Schwarzen Lochs ankämpfen. Dadurch verliert es Energie, weshalb sich seine Farbe ins Rötliche verschiebt. Und genau das konnten wir nachweisen, wie von Einstein vorhergesagt."
Einsteins Theorie reicht nicht aus
Eine neuerliche Bestätigung dessen, was das Genie schon vor über 100 Jahren postuliert hatte: Demnach lässt sich die Gravitation am besten beschreiben, wenn man annimmt, dass Raum und Zeit durch eine Masse gekrümmt werden können. Und je größer die Masse ist, umso stärker fällt diese Krümmung aus. Dennoch: Restlos zufrieden scheint Andrea Ghez noch nicht. Denn klar ist: Der Weisheit letzter Schluss ist Einsteins Allgemeine Relativität noch nicht.
"Allein die Existenz eines Schwarzen Lochs spricht dafür, dass Einsteins Ideen irgendwann versagen. Denn wollte man ein Schwarzes Loch wirklich verstehen, müsste man eine weitere Theorie zurate ziehen, die Quantenphysik. Doch Quanten und Einstein – das passt bislang nicht zusammen, da fehlt uns schlicht eine Theorie, die beides unter einen Hut bringt."
Deshalb werden Ghez und ihre Leute auch künftig das Geschehen um das supermassive Schwarze Loch sorgsam im Auge behalten – in der Hoffnung, eines Tages die entscheidenden Hinweise zu finden für eine Theorie, die Einstein und die Quanten endlich miteinander vereint.