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Gravitationswellen
"Ergebnis ermutigt uns sehr!"

Verschiedene Experimente in Deutschland, Italien und den USA suchen nach Gravitationswellen, wie sie von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie vorhergesagt, bislang aber nie gemessen wurden. Die Entdeckungen des BICEP-Teleskops werten die Forscher als Ermutigung.

Von Frank Grotelüschen | 23.03.2014
    "Wir sehen hier einen mit Wellblech abgedeckten Graben."
    Hartmut Grote steht in einem Obstbaugebiet südlich von Hannover. Der Graben, auf den er zeigt, sieht nicht gerade nach Spitzenforschung aus, eher nach Ackerbau und Viehzucht. Erst als Grote, Physiker am Albert-Einstein-Institut, das Wellblech abnimmt, wird klar: Das Innenleben des Grabens ist hochkomplex.
    "Darin befindet sich das eine 600 Meter lange Vakuumrohr. Dadurch laufen jetzt die Laserstrahlen hin und her."
    Und zwar zwischen zwei Spiegeln, die an den beiden Enden des Grabens erschütterungsfrei aufgehängt sind. Ein zweiter, identischer Graben zweigt im rechten Winkel vom ersten ab. Im Hauptgebäude, einer schmucklosen Baracke, treffen sich die beiden Laserstrahlen und werden miteinander überlagert. Dadurch bilden sie ein Speziallineal, das feinste Längenänderungen messen kann. Das Ziel von Geo600, so heißt die Anlage:
    "Wir wollen Gravitationswellen messen."
    Das Kalkül: Wenn sich irgendwo im Universum gewaltige Massen regen, wie es kurz nach dem Urknall geschah und wie es auch heute noch passiert, etwa wenn zwei Schwarze Löcher aufeinander prallen, müsste das der Raumzeit einen mächtigen Schlag versetzen. Dieser Schlag in der Raumzeit sollte dann laut Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie als Gravitationswelle durchs All rasen. Streift diese zufällig die Erde, könnte sie von Geo600 mit seinen beiden, 600 Meter langen Detektorarmen nachgewiesen werden, und zwar so:
    "Wenn eine Gravitationswelle auf die Erde kommt, wird im Takt der Welle der eine Arm ein ganz bisschen kürzer, gleichzeitig der andere Arm ein ganz bisschen länger. Und im nächsten Zyklus der Welle umgekehrt. Diese Längenänderungs-Schwingungen kann man messen, als winzig kleine Helligkeitsschwankungen."
    In Italien und den USA gibt es ähnliche Detektoren. Mit drei Kilometern Armlänge sind sie sogar noch größer als Geo600. Zwar laufen all diese Anlagen schon seit mehr als zehn Jahren. Aber, so Bruce Allen, Direktor am Albert-Einstein-Institut.
    Bislang waren diese Detektoren noch nicht empfindlich genug. Doch nun haben wir ihre Empfindlichkeit um das Zehnfache gesteigert und können deutlich tiefer in den Weltraum blicken. Und damit gehen wir davon aus, dass wir in den nächsten sagen wir vier Jahren Gravitationswellen erstmals direkt beobachten werden."
    Doch haben ihnen nun die Forscher vom BICEP-Teleskop die Entdeckung nicht vor der Nase weggeschnappt, indem sie Spuren von Gravitationswellen in der kosmischen Hintergrundstrahlung identifizierten? Überhaupt nicht, meint Allen.
    "Dieses Ergebnis, wenn es sich denn bestätigt, ermutigt uns sehr. Es beweist, dass Gravitationswellen Erkenntnisse liefern, die wir sonst nie bekämen. Doch unsere Detektoren werden etwas anderes messen als BICEP – zum Beispiel Gravitationswellen, die von Schwarzen Löchern stammen. Mit normalen Teleskopen lassen sich Schwarze Löcher wenn überhaupt nur indirekt nachweisen. Mit unseren Detektoren werden wir sie erstmals direkt beobachten."
    Und so könnte es sein, dass der mit Wellblech abgedeckte Graben bei Hannover irgendwann für ähnliches Aufsehen sorgt wie heute das BICEP-Teleskop am Südpol.