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Greencards für chip-Jobs

Der Zeitpunkt war dramaturgisch geschickt gewählt. Bei der traditionellen Eröffnung der größten Computermesse der Welt, der Cebit in Hannover durch den Bundeskanzler vor gut zwei Wochen ließ Gerhard Schröder die Katze aus dem Sack.

Jörg Münchenberg und Volker Finthammer |
    Abweichend von seinem vorab verteilten Redetext kündigte der Kanzler überraschend das Vorhaben an, den deutschen Arbeitsmarkt auch für Fachkräfte der Informationstechnologie aus dem nicht europäischen Ausland öffnen zu wollen:

    Schröder: "Lassen Sie uns darüber reden wie viel brauchen wir. Und in welchem Verfahren jenseits der bei den Ordnungsämtern und sonstigen Ämtern angesiedelten Verfahren kriegen wir für welche Zeiträume jene Spezialisten, die wir haben wollen, um den Aufbau, von dem ich geredet habe, wirklich in Arbeit und Beschäftigung, in Wirtschaftskraft real zu machen. Wir sind dazu bereit, jene 'Card' zu geben, die in Amerika Green Card heißt. Bei uns würde sie eben 'Red Green' heißen!"

    Das Pikante dabei: noch am morgen des gleichen Tages hatte Arbeitsminister Walter Riester eine solche Öffnung in einem Interview strikt abgelehnt mit dem Verweis, der Bedarf könne auch über den deutschen und europäischen Arbeitsmarkt abgedeckt werden.

    Doch schon am Mittag in der Kabinettssitzung, also wenige Stunden vor dem Kanzlerauftritt auf der Cebit, hatte Schröder das Thema "ausländische Computerexperten nach Deutschland" zur Chefsache erklärt. Damit aber hatte sich auch Bildungsministerin Edelgard Bulmahn durchsetzen können. Bulmahn hatte zuvor immer wieder vor einem drohenden Fachkräftemangel im Bereich Informationstechnologie gewarnt.

    Schnell wurde in diesen Tagen klar: der Vorstoß des Bundeskanzlers auf der Computermesse Cebit war keiner seiner berühmt-berüchtigten Schnellschüsse, Schröder meinte es ernst. Und mit dem Begriff der Green Card in Anlehnung an das amerikanische Vorbild, wo die grüne Karte Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis in einem beinhaltet, war auch zugleich ein griffiger Titel für die Initiative gefunden worden.

    Dennoch machte sich erst mal Ratlosigkeit breit: denn eigentlich wusste niemand so genau, wie groß der Bedarf an zusätzlichen ausländischen Computerexperten tatsächlich ist. Seriöse Zahlen standen nicht zur Verfügung, weil auch in der IT-Branche unterschiedliche Angaben zirkulierten. Nicht zuletzt deshalb plädierte Arbeitsminister Walter Riester bei der möglichen Vergabe von Green Cards für eine behutsame Vorgehensweise:

    Riester: "Ob das 25.000 oder 30.000 sind, kann ihnen im Moment niemand sagen. Denn der Bedarf und das Angebot, beides ist entscheidend. Das muss zuerst geklärt werden. Und daran muss sofort gearbeitet werden - ich will nicht sagen, es sind 25000 oder es sind 30000 oder 15000. Sondern wir sagen klar: wir öffnen für diesen Bereich und schauen, was an Angebot und an konkreter Nachfrage da ist."

    Dabei hat der größte Stellenmarkt für Computerfachleute erst vor gut einer Woche die Türen geschlossen, die Cebit selbst. In dieser einen Woche Messetrubel gehört die An- und Abwerbung neuen Mitarbeiter quasi zum Ausstellungsprogramm. Da werden an den Ständen einzelner Unternehmen nicht nur die neusten Produkte vorgeführt, sondern auch mit dem Slogan "Wir wollen ihren Kopf" unverhohlen um neuen Mitarbeiter geworben. Da mit Informatikern allein der Bedarf schon lange nicht mehr gedeckt werden kann, sind Quereinsteiger bei den meisten Unternehmen der Branche immer willkommen. Das Internet und der elektronische Handel scheinen der Branche neuen Optimismus zu geben, glaubt man den Worten des IBM Chefs Erwin Staudt.

    "Ich hab noch nie in 14 Jahren in denen ich auf der Messe war, so eine Aufbruchstimmung erlebt."

    Doch die emotionale Aufbruchstimmung ging mit einen Klagelied über die fehlenden Mitarbeiter einher.

    "Bedarf haben wir au unserer Sicht mit 75.000 offenen Stellen zur Zeit. Und wenn sie jetzt zum Beispiel heute reingucken im Internet dann sehen sie, dass allein die Stellenangebote im Internet 42.ooo und ein paar Zerquetschte sind. Des ist doch eine eklatante Zahl und die muss irgendwo bedient werden. Wenn die Stellen als offen drin stehen, dann werden sie offensichtlich vom Markt nicht bedient, dann müssen wir was tun."

    75.000 das ist seit dem 24 Februar die Maßzahl für das Dilemma der Branche, die den Import von IT Fachleuten aus nicht EU Ländern rechtfertigen soll. Doch genau unterlegt ist die Zahl bislang noch nicht. Bernhard Jagoda, der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit legte in dieser Woche andere Zahlen vor, die ein ungleich nüchternes Bild abgeben.

    "Zur Zeit sind uns 12.600 Stellen gemeldet und wir versuchen natürlich, die sehr gezielt mit Vermittlungsvorschlägen zu versehen."

    75.000 zu 12.600. Die Differenz ist groß und heute versuchte eine Arbeitsgruppe in Nürnberg den Zahlen genauer auf den Grund zu rücken. Werner Senger Geschäftsführer beim Bundesverband Informations- und Kommunikationssysteme zu den Untersuchungsmethoden der Verbände.

    "Der BVB kommt auf die Zahl durch Erhebungen, die sogenannte Branchenumfrage bei seinen Mitgliedern, die wir in einem Abstand von einem halben Jahr durchführen. Und wir haben natürlich die Basis von Antworten hochgerechnet. Ähnliches haben andere Verbände gemacht so dass sich diese Zahl eingependelt hat als ein Mittelwert der Umfragen. Gleichzeitig auch noch mal gestützt durch die Analysen der Stellenausschreibungen in den Zeitschriften und Zeitungen."

    Die Zahlen der Branche sind vor allen Dingen für Nürnberg ernüchternd. Offensichtlich bedient sich hier ein großer Teil der Unternehmen an der Bundesanstalt vorbei. Headhunter, das Internet und nicht zuletzt die klassische Zeitungsanzeige scheinen eine ungleich größerer Rolle zu spielen.

    "Die Firmen melden halt nicht alle Vakanzen an die Bundesanstalt für Arbeit, weil man halt früher keine besonders guten Erfahrungen gemacht hat einerseits und weil man zum anderen natürlich weiß, dass de Fachkräfte gar nicht verfügbar sind und deswegen machen sich viele Firmen gar nicht die Mühe ihrem Arbeitsamt eine Mitteilung zu machen weil man sowieso sagt, dass ist sinnlos."

    Offensichtlich ist man in Nürnberg erst unter dem Druck der öffentlichen Diskussion aufgewacht. Auch wenn die 75.000 fehlenden Stellen gewiss eine politische Zahl der Branche sind, die Differenz zu den freien Stellen der Arbeitsämter ist frappierend und zeigt, dass die Wege zur Personalvermittlung vielfach an den Arbeitsämtern vorbei laufen. Vorgestern stellte Bernhard Jagoda noch mal die jüngste Initiative der Bundesanstalt vor, dich sich der neuen Kommunikationswege bedienen soll damit das Arbeitsamt künftig in der Arbeitsplatzvermittlung der Computerbranche wieder stärker mitmischen kann.

    Jagoda: "Deswegen hat die Bundesanstalt zusätzlich eine Internethotline geschaltet, wo die Betriebe ihre Stellen melden können."

    Für die große Unternehmen die Hotline kaum interessant sein, sie haben längst andere Wege gefunden, um ihren Bedarf zu decken, sagt IBM Chef Erwin Staudt. Doch das dürfe man nicht auf die ganze Branche übertragen. Der Fachkräftemangel dort schlägt auch auf die großen wieder zurück.

    "Wir, Siemens , Hewlett-Packard, die großen, international aufgestellten haben freilich kein Problem weil die Hochschulabsolventen liebend gern zu Unternehme wie unseren gehen, weil wir ne große Perspektive anbieten können und bei uns ist eben Musik drin und ich hab das jetzt gerade wieder gesehen wir hatten allein auf der Cebit 1.500 Bewerbungen und wen wir so wachsen wie im vergangene Jahr brauchen wir in diesem Jahr vielleicht 3.000 Arbeitskräfte - wir. Aber sie müssen eines sehen: Ich hab ja auch Kunden, die Menschen brauchen."

    Ganz anders mag das für die klein und mittelständischen Unternehme aussehen, die nicht unbedingt die große Extrazulage zahlen können und bei der Stellenvermittlung vielleicht doch auf das Arbeitsamt angewiesen sind. 750 Stellen wurden gemeldet, seit die neue Internethotline in Nürnberg am 01. März geschaltet wurde. Damit stehen den jetzt knapp 13.000 offenen Stellen aber immer noch fast dreimal so viele Arbeitslose gegenüber. Und dahinter verbirgt sich, so Bernhard Jagoda offensichtlich auch ein Strukturproblem der Branche.

    Jagoda: "Wir haben zur Zeit 31.900 Arbeitslose IT Fachkräfte und wenn man einmal den Altersschnitt bei 45 schon ziehen sollte - obwohl ich bei 45 so scher über die Lippen kriege, dass das schon ältere Arbeitnehmer sind. Dann kann man sagen 50% sind unter 45 und 50% sind über 45. Und ich werbe sehr eindringlich darum, dass an den Menschen eine Chance gibt, de qualifiziert sind und wir werden auch unserer Qualifizierungen weiter ausbauen."

    Kaum einen Branche ist so jugendversessen, wie die Informations- und Kommunikationsbranche. Da sich Technologien, Inhalte und Vertriebskanäle immer schneller entwickeln, kann heute schon ein Flop sein, was vor zwei Jahren noch ganz en vogue war. Entsprechend schnell wechseln die Qualifikationen. Wer vor fünf bis zehn Jahren noch die Programmiersprache Kobold gelernt hat, kann heute mit Java wenig anfangen. Nur den Jungen Leute gesteht die Branche zu, den schnellen Wechsel durchzuhalten und sich flexibel umstellen zu können. Offiziell gesteht das keiner ein, aber Interviewanfragen werden freundlich abgewehrt.

    Doch wen genau braucht die Branche eigentlich? Auch darüber herrscht wenig Klarheit. Ist es wirklich der Programmierer aus Indien, der die Probleme lindern kann. Einer Untersuchung des Bundesverbands Informations- und Kommunikationssysteme vom Oktober des vergangenen Jahres zufolge sind es vor allem Vertriebsexperten die Gefragt sind, gefolgt von Consultants also Beratern. Erst auf Rang drei folgen die eigentlichen Entwickler. Kurz gesagt die Branche hat genügend Produkte, allein der Absatz und die Betreuungskapazitäten könnten noch größer sein. Bei den Qualifikationen sind vor allem Teamfähigkeit gefragt, weit vor den fachlichen Kompetenzen und dem technischen Know how. Aber auf Rang drei folgen hier schon die betriebswirtschaftlichen Kenntnisse. All dies hat mit dem hinter dunklen Scheiben sitzenden Programmierer wenig zu tun. Verlangt werden offensichtlich Kompetenzen die trotz aller Internationalität sehr stark auf nationale und regionale Märkte ausgerichtet sind, um die spezifischen Bedürfnisse und Anforderungen dort zu befriedigen. BVB Geschäftsführer Werner Senger:

    "Wenn die Deutsche Bank jetzt zur größten Internetbank vielleicht Europaweit oder weltweit werden will, brauchen die halt nicht nur Programmier sondern die brauchen aus Leute, Bankkenner, die sozusagen die Geschäftsprozesse abbilden können. Also Kombination von Informatikkenntnissen und Betriebswirtschaft. Die andere Gruppe Netzwerktechniker vor allen Dingen eben das Zusammenwachsen der Computernetze und der Telekommunikationsnetze. Das sind im Moment, sag ich mal so, so die Hauptgruppen, die im Vordergrund stehen."

    Gefragt sind Kompetenzen, die im Prinzip am besten aus dem eigenen Unternehmen heraus wachsen. Statt sich die Kräfte auf dem Markt zu suchen, um sie dann kosten und mühevoll auf den Job im Unternehmen vorzubereiten, könnten viele dieser schnell wechselnden Tätigkeitsprofile durch die eigenen Ausbildung befriedigt werden. Doch hier blickt die heterogene Branche auf eine unentschlossene Vergangenheit und eigene Versäumnisse zurück. Da weiß Bernhard Jagoda sein Klagelied zu singen.

    "Wir haben im Ausbildungsjahr 21.700 junge Menschen gehabt, die in diese 4 neuen IT Berufe wollten, wir habe aber nur 12.600 Stellen gehabt, die natürlich auch besetzt worden sind. Es hätten 10.000 mehr sei können die Leute standen zur Verfügung."

    Lange genug hat es schließlich gedauert, bis sich die Branche, die Handwerks- und die Industrie und Handelskammern auf vier neue Berufsfelder einigen konnten. Werner Senger, der Geschäftsführer des Bundesverbandes Informations- und Kommunikationstechnologie rechnet aber mit einer baldigen Wende auf dem Ausbildungsmarkt.

    "Die Kritik ist sicherlich ein Stück berechtigt. Man muss jedoch sehen, dass erste die Zahl der neuen IT Ausbildungsplätze stark angestiegen ist. Wir erwarten in diesem Jahr jetzt 20.000 mit den bestehenden wären das insgesamt 40.000. Wir haben unsere Unternehmen aufgerufen und tun das auch immer wieder noch mehr Ausbildungsplätze zu schaffen und dich denk mal auch dass das - weil die erste Erfahrungen sehr positiv sind - das wir da auch wirklich zulegen können."

    Nach Ansicht der Gewerkschaften ist die Wirtschaft am derzeitigen IT-Fachkräftemankel weitgehend selbst schuld. Viel zu spät habe man dort auf den Boom und die zu erwartenden Wachstumszahlen reagiert. Die Arbeitgeberverbände regierten auf die Schelte der Gewerkschaften ungewohnt moderat. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt gestand Fehler bei der Ausbildung ein, verwies aber auch auf die Ursachen:

    Hundt: "Unter anderem ist nicht zuletzt als Folge des konjunkturellen Einbruchs Anfang der 90er Jahre die Ausbildung etwas zurückgefahren worden. Dieses war aus betriebswirtschaftlichen Gründen in den Unternehmen teilweise unabwendbar. Insofern ist diese Kritik ein Stück weit berechtigt. Wenn wir uns überhaupt Schuld ans Bein binden wollen, dann müssen wir uns vorwerfen lassen, dass das hier eine zukünftige Entwicklung etwas zu negativ, zu kritisch gesehen haben. Was gerade junge Menschen davon abgehalten oder zumindest sehr zögerlich gemacht hat, technische Ausbildungen - sowohl Berufsausbildungen als auch Studiengänge - zu wählen."

    Allerdings legten die Arbeitgeber das Büßergewand anschließend schnell wieder ab. Die Green Creen Card Initiative der Bundesregierung sei zwar ein Schritt in die richtige Richtung - aber sie reiche nicht aus. Nicht nur die IT-Branche habe mit einem Mangel an qualifizierten Bewerbern zu kämpfen, auch in den klassischen Industriesektoren wie bspw. Chemie oder Automobil fehle es an Experten.

    Doch die Arbeitgeber fanden mit ihrer zum Teil berechtigten Forderung kein Gehör. Die Bundesregierung lehnte sie genauso ab wie natürlich die Gewerkschaften. Kaum reiche man den kleinen Finger, griffen die Arbeitgeber nach der ganzen Hand, ärgerte sich DGB-Vorstandsmitglied Heinz Putzhammer:

    Putzhammer: "Das war natürlich die falsche Bemerkung zum völlig falschen Zeitpunkt. Wenn man verhindern will, dass die Gewerkschaften sich einer vorsichtigen Öffnung für ausländische Spitzenkräfte im IT-Bereich nähern, dann muss man solche Äußerungen machen. Denn die belegen ganz genau, dass die Gefahren eben begründet sind, wenn man an einer Stelle die Tür aufmacht, dass dann sozusagen an anderen Stellen der völlig ungehinderte Zugang für Ausländer in allen Branchen geöffnet werden soll. Und angesichts von vier Millionen Arbeitslosen in Deutschland ist dies unerträglich."

    Ohnehin stehen die Gewerkschaften der Initiative der Bundesregierung zurückhaltend gegenüber. Zwar wird der Plan, den IT-Fachkräftemangel kurzfristig auch durch außereuropäische Experten zu überbrücken, vorsichtig begrüßt. Doch seine Zustimmung knüpft der DGB an Bedingungen: 1. die Initiative muss zeitlich befristet sein und 2. Muss gleichzeitig mehr ausgebildet werden, um in absehbarer Zeit den Bedarf an IT-Experten wieder durch den eigenen Arbeitsmarkt abdecken zu können.

    Das aber war auch von vorneherein die Position der Bundesregierung. Hoffnungen mancher SPD- und Grünen-Politiker, mit der Green Card würde es auch Fortschritte in der Diskussion um ein Einwanderungsgesetz geben, wurden schnell zurückgewiesen, so auch von Arbeitsminister Walter Riester:

    Riester: "Es geht darum, hier ein spezielles Problem, das vom Markt allein kurz- und mittelfristig nicht gelöst werden kann, mit zu lösen. Um einen breiten Impuls der Branche für zusätzliche Arbeitsplätze zu setzen. darum geht es, nicht um eine generelle Öffnung!."

    Die Opposition dagegen bleibt skeptisch mit dem Verweis auf die bislang gemachten Erfahrungen. Viele Ausländer würden bemüht sein, in Deutschland zu bleiben, warnte beispielsweise der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Wolfgang Bosbach.

    Auch bei der CSU schrillten die Alarmglocken, dass die Bundesregierung mittels der Green Card am Ende doch eine Einwanderungspolitik nach dem Vorbild der USA einführen könnte. Dort werden bestimmte Berufsgruppen, zumeist Hochqualifizierte oder potentielle Investoren mit der Aussicht auf eine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung ins Land gelockt. Das aber, so warnt der bayerische Staatskanzleichef Erwin Huber, sei kein Weg für Deutschland:

    Huber: "Der Bundeskanzler hat ein Problem aufgegriffen und aus meiner Sicht die falsche Antwort gegeben. Denn die Green Card bedeutet eine breite Einwanderung und die wollen wir nicht. Sondern man braucht ein abgestimmtes Konzept. In bin der Meinung, man sollte zuerst die eigenen Leute ausbilden, die Jugend dafür gewinnen. Da muss auch Rot-Grün seine technikfeindliche Haltung aufgeben. Wir müssen die Computer mehr in die Schulen bringen, die Studienplätze an den Universitäten ausdehnen, die Qualifizierung verbreitern. Und dann natürlich, wenn dann noch eine Spitze bleibt, bin ich in der Tat der Meinung, dann sollte man die durch die Verbesserung von Zulassungen aus Drittländern auch abdecken."

    Doch schwerer wiegt in der derzeitigen Diskussion um eine deutsche Green Card der Vorwurf, wie man angesichts von vier Millionen ohne Job zusätzliche Arbeitskräfte ins Land holen könne. Laut aktuellen Umfragen steht nicht zuletzt deshalb der Großteil der Bevölkerung der geplanten Initiative eher ablehnend gegenüber.

    Auch die Gewerkschaften haben Bedenken angemeldet. Schnell wurde der Verdacht laut, die IT-Unternehmen könnten mittels der Fachkräfte aus Indien und Osteuropa versuchen, das hiesige Lohnniveau zu durchlöchern, wie es beispielsweise in der Baubranche trotz gültiger Tarifverträge gang und gebe ist. Zugleich wurde aber auch auf die Tatsache verwiesen, dass sich der Bund die Umschulung von Arbeitslosen viel Geld kosten lässt. Eine Investition, die nun durch die Green Card Regelung bedroht sein könnte, befürchtet nun Roland Issen, Chef der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft:

    Issen: "Die Bundesanstalt für Arbeit hat im vergangenen Jahr rund 1 Milliarde Mark aus Beiträgen der Beitragszahler für Qualifizierungsmaßnahmen zur Vorbereitung auf Tätigkeiten im IT-Bereich aufgebracht. In diesem Jahr wird die Summe aber noch weiter ansteigen. Wir würden aber eine riesige Fehlinvestition betreiben, wenn wir Reintegrationschancen in den Arbeitsmarkt für diesen Personenkreis dadurch zu reduzieren, das wir jetzt die Schleusen öffnen und aus Drittländern - denn im EU-Bereich ist ja die Freizügigkeit gegeben - Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen rein holen, die möglicherweise deren Beschäftigungsmöglichkeiten reduzieren."

    Bildungsministerin Edelgard Bulmahn hält dagegen. Natürlich müsse weiter qualifiziert und auch weiter umgeschult werden. Aber es gebe nun mal eine Lücke zwischen Angebot und Nachfrage in der IT-Branche, die schnell geschlossen werden müsse.

    Dazu kommt, dass nicht nur in Deutschland Fachkräfte fehlen. Fast alle europäischen Staaten stehen vor dem gleichen Problem, von den übrigen Industrieländern ganz zu schweigen. Wer hier aber den Anschluss verpasst, so die Warnung der Bildungsministerin, gerät letztendlich auch wirtschaftlich ins Hintertreffen:

    Bulmahn: "Der Konkurrenzdruck ist erheblich, weil der Bedarf an Spitzenkräften überall in den industrialisierten, hochentwickelten Ländern da ist. In den USA ist gerade die Zahl der Green Cards, die für IT-Fachkräfte heraus gegeben werden, heraufgesetzt worden - von 115.000 auf 150 000 pro Jahr. Meine Kollegen in den USA haben mir gesagt, dass im letzten Jahr die Zahl von 115 000 im Mai ausgeschöpft war. Und sie überlegen und diskutieren zur Zeit, diese noch weiter zu erhöhen!."

    Und so sind die Weichen längst gestellt. Bereits am kommenden Montag wird der Kanzler zusammen mit der IT-Branche die weitere Vorgehensweise besprechen und dann der Öffentlichkeit vorstellen. Allerdings hat sich die rot-grüne Koalition laut Presseberichten schon auf die wichtigsten Details geeinigt.

    So wird überlegt, zunächst rund 10 000 IT-Fachkräfte ins Land zu holen für eine Dauer bis zu höchstens fünf Jahren. Nach einem Jahr, so heißt es, wolle man die bisherigen Erfahrungen auswerten und dann über die weitere Vergabe von Arbeitserlaubnissen entscheiden. Geplant ist außerdem, die Anwerbung von ausländischen IT-Experten aus Nicht-EU-Staaten über Verordnungen zu regeln - zuständig sollen weiterhin die Arbeitsämter bleiben, die jede einzelne Anwerbung genehmigen müssen. Und die ersten Green Cards, das ist sich die Bildungsministerin sicher, werden schon in diesem Jahr vergeben:

    Bulmahn: "Also ich glaube, dass das spätestens bis zum Sommer steht. Aber ich glaube, dass das auch früher machbar ist."