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Greifswalder Bodden
Robben gucken und zählen

Um 1900 waren Kegelrobben in der südlichen Ostsee ausgerottet. Die Freude war groß als 2004 die erste Robbe im Greifswalder Bodden wieder gesichtet wurde. Im Frühjahr 2015 wurden schon 75 Kegelrobben gezählt. Bei Robben-Fahrten mit dem Boot wird nicht einfach nur geguckt, sondern auch gezählt, im Auftrag des Naturschutzes.

Von Eva Firzlaff | 25.10.2015
    Kämpfende Kegelrobben im Wasser bei Helgoland in Schleswig-Holstein.
    Kegelrobben sind Deutschlands größten Raubtiere. (picture alliance / dpa / Hinrich Bäsemann)
    Im Hafen von Lauterbach an Rügens Südküste legt MS Sundevit ab zur Robben-Fahrt. Ja, es gibt wieder Kegelrobben im Greifswalder Bodden.
    "Da sehe ich eine, hinter dem weißen Streifen. Da guckt sie gerade heraus … jetzt hat sie nach links geschaut … da blitzt sogar ein bisschen, weil ihr Fell nass ist. Also, eine haben wir."
    Mit an Bord ist ein Biologe wie Birger Buhl, der spannt die Gäste mit ein, um Kegelrobben zu zählen. Im Auftrag des Biosphärenreservats Südost-Rügen.
    "Wir fahren zweimal in der Woche raus, nicht nur zum Beobachten. Beobachten ist schön, doch wir haben einen anderen Anspruch. Wir führen ein Monitoring durch. Wir bitten die Gäste, zu schauen, wir borgen ihnen Ferngläser, und dann sollen sie mithelfen und die Robben zählen. Es hat sich auch schon öfter gezeigt, wenn ich hier alleine nur gucke, dann sehe ich zum Beispiel drei Robben. Und dann sagt jemand, aber da eben war eine Vierte. Und dann wissen wir eben: Ja, es sind doch mehr da."
    Die Robben wurden zu Konkurrenten im Fisch-Geschäft
    Einst waren Robben auch im Greifswalder Bodden zu Hause, daran erinnern topografische Begriffe auf der Landkarte, wie Saalsufer, Saalsteine. Saal ist auf Platt-deutsch die Robbe. Seit der Steinzeit wurden sie gejagt, um ihr Fleisch, Fett und Fell zu nutzen. Doch um 1900 haben dann die Fischer in den Robben einen Konkurrenten gesehen im Fisch-Geschäft und sie in der südlichen Ostsee regelrecht ausgerottet. Die Fischer hatten sogar ein Lied.
    Hol mir den Seehund an Land. Er hat mir allen Fisch weg gefressen, er hat mir die Netze zerrissen….
    Heut´ wollen wir uns den Räuber langen, heut´ wollen wir den Seehund fangen….
    Die preußische Regierung zahlte sogar eine Abschussprämie. Fünf RM pro Robbe.
    1920 wurde die letzte geschossen, in der südlichen Ostsee.
    Sein Fett will ich schmoren und damit meine Stiefel schmieren. Hol mir den Seehund an Land.
    Das ist vorbei. Wer nun auf dem Greifswalder Bodden mit dem Boot unterwegs ist, kann wieder auf Robben treffen. Sie kommen aus den schwedischen Schären weit im Norden, wo sie ein Jahrhundert sozusagen überwintert haben.
    "So 'n bisschen rechts, hinter der Tonne, vor der Insel Ruden, da gibt es so einen weißen Streifen im Wasser. Das ist die Brandung, die sich an dieser Untiefe etwas stärker bricht. Und in diesem Bereich, da lohnt es sich jetzt zu schauen."
    Besonders gerne sind die Robben an den Resten einer Insel, die einst weggebaggert wurde. Denn dort gibt's Futter.
    Wenn eine Robbe am Strand liegt, ist die Aufregung groß
    "Wir haben hier eine sogenannte Scharkante, einen Übergang zwischen Tief- und Flachwasser, da lang ziehen gerne die Fischschwärme. Deshalb müssen die Robben gar nicht woanders hin. Die bleiben hier oder auch in der Nähe anderer Inseln. Sie wurden auch schon an der Greifswalder Oie und am Ruden beobachtet."
    Wenn im März der Hering durchzieht, bevölkern die meisten Robben die Rügener Gewässer. Im März 2015 wurden allein im Greifswalder Bodden 75 Robben gezählt. Ein neuer Rekord. Auf spiegelglatter See sind die Robbenköpfe leichter zu erkennen, als bei Seegang zwischen den Wellen. Und man sieht ja auch nur die Köpfe durchs Fernglas. Sicher, im Zoo kriegt man mehr. Doch hier sind es frei lebende Tiere, die größten Raubtiere, die es bei uns gibt, die den Greifswalder Bodden wieder mit uns teilen.
    "Die können schon mal bis 300 Kilogramm wiegen und haben so 2,30 Meter Körperlänge. Das ist schon erheblich für so ein Tier. Die Schutzbemühungen haben gegriffen, die Population steigt stetig an. Wir haben jetzt etwa 30.000 Kegelrobben in der Ostsee. Und das heißt, dass aus der mittleren Ostsee dann auch Tiere hier in unseren Gewässern ganzjährig zu treffen sind und natürlich auch auf unseren Stränden."
    Wenn dann mal eine Robbe am Strand liegt, ist die Aufregung – besonders unter den Feriengästen - groß, sagt Thomas Papke vom Biosphärenreservat Südost-Rügen. Dann wird er gerufen oder gleich die Feuerwehr, in der Annahme, ein krankes Tier müsste gerettet werden.
    "Ja natürlich ist es erst mal eine Sensation: Deutschlands größtes Raubtier hier an unserem Strand. Da möchte man natürlich sein Erinnerungsfoto machen, möchte vielleicht das Tier auch mal anfassen. Man darf aber nicht vergessen: Das sind Raubtiere! Die Tiere wollen am Strand eigentlich ihre Ruhe haben, wollen sich vom Schwimmen ausruhen, wollen ein bisschen schlafen. Und wir als Ranger klären dann die Leute auf, dass sie die Hunde anzuleinen haben, dass sie Abstand halten müssen. Und wenn es wirklich extrem sein sollte in der Hauptsaison, dann haben wir auch einen Weidezaun dabei, wo wir die Tiere dann vor den Besuchern sozusagen wegsperren."