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Grenzen der Nachhaltigkeit
Weltkarte der Bodenerosion zeigt Handlungsbedarf

Nahrungspflanzen brauchen fruchtbare Ackerböden. Doch davon gibt es weltweit immer weniger. Eine globale Inventur zeigt: Die Bodenerosion führt dazu, dass einst fruchtbare landwirtschaftliche Nutzflächen immer weniger Ertrag liefern. Doch clevere Anreize könnten Abhilfe schaffen.

Von Monika Seynsche | 04.05.2020
Eine kleine Grünpflanze wächst aus dem mit Rissen durchzogenen Boden eines ausgetrockneten Gewässers
Die Degradierung von Ackerboden ist ein globales Problem, doch mit wirkungsvollen Gegenmaßnahmen lässt es sich regional eindämmen. (dpa / Frederic Speich)
Es ist ein gewaltiger Datenberg, den David Wüpper und seine Kollegen von der ETH Zürich sowie der Universität Basel ausgewertet haben: Satellitendaten zur Bodenbedeckung und Bodennutzung, Niederschlagsmessungen sowie Daten zur Topographie etwa. Die Forschenden wollten herausfinden, welchen Einfluss die einzelnen Länder auf ihre Bodenerosion haben. Dafür speisten sie all die Daten in ein globales Modell ein und schauten sich dann dort besonders die Grenzgebiete zwischen verschiedenen Ländern an.
"Uns hat überrascht, wie groß dieser Effekt ist."
"Wir haben vermutet, dass Länder eine wichtige Rolle spielen - einfach weil Länder ja ökonomisches Verhalten sehr stark beeinflussen. Also es ist natürlich wichtig, welche ökonomischen Anreize irgendwo herrschen, welche Gesetze es gibt, wie die durchgesetzt werden, und diese Dinge. Und da haben wir schon vermutet, dass Bodenerosion stark davon beeinflusst wird. Wir haben aber jetzt gefunden, dass fast die Hälfte der globalen Bodenerosion irgendwie durch Länder beeinflusst wird. Und das hat uns selber etwas überrascht, wie groß dieser Effekt dann wirklich ist."
Besonders auffällig ist dieser Effekt etwa auf der karibischen Insel Hispaniola. Mitten über die Insel zieht sich die Grenze zwischen Haiti und der Dominikanischen Republik. "Und da sieht man auf dem Satellitenbild einen riesigen Sprung genau an der Grenze zwischen diesen beiden Ländern", sagt David Wüpper: "Haiti ist sehr stark entwaldet, da sieht man auf den Satellitenbildern braunen Boden hauptsächlich und in der Dominikanischen Republik ist immer noch sehr viel Wald. Das liegt aber daran, wie gut geschützt dieser Wald war. In Haiti wird viel Entwaldung für Landwirtschaft oder auch für Brennholz gemacht, und da sehen wir einen riesigen Sprung in der Bodenerosionsrate der halt einmal dadurch kommt, dass die beiden Länder so unterschiedlich ihre Bodenbedeckung beeinflussen und auf der anderen Seite, weil das natürliche Erosionspotential da auch besonders hoch ist."
Bodenerosion lässt sich bremsen - wenn man will
Die Landschaft auf Hispaniola ist geprägt durch viele steile Hänge und sehr intensive Regenfälle. Das dadurch hohe natürliche Erosionspotential kann aber durch gezielte Waldschutzmaßnahmen gesenkt werden. So geschieht es in der Dominikanischen Republik. Überall auf der Welt haben David Wüpper und seine Kollegen ähnliche Beispiele gefunden. Das zeige, dass jedes Land sehr viel Kontrolle über seine Bodenerosion habe, sagt der Forscher.
"Ich denke wir finden da ein sehr großes Potential, dass wenn Länder ihre Bodenerosion senken möchten, dass sie das auch wirklich tun können. Und zwar überall auf der Welt. Also wir finden eigentlich gar keine Beispiele wo nationale Regierungen gar nichts gegen das Problem tun könnten."
Neben dem Schutz natürlicher Ökosysteme ist eine gezielte Landwirtschaft von entscheidender Bedeutung im Kampf gegen die Bodenerosion. So senkt etwa der Anbau von Zwischenfrüchten die Erosion ebenso wie es Steinmauern, Terrassen, Bäume oder Hecken tun.
Die richtigen Anreize sind entscheidend
"Bei der Weidehaltung kann man darauf achten, dass die Viehdichten nicht zu hoch sind. Also man kann sehr, sehr viele Dinge technisch tun. Die Frage ist: Haben die Landwirte die Möglichkeiten, das wirklich alles umzusetzen? Haben die das nötige Wissen und den Anreiz, das lohnt sich?"
Genau der fehlt oft. In Italien etwa wird zurzeit der Olivenanbau stark finanziell unterstützt. Dadurch wandeln viele Landwirte ihre Äcker in Olivenhaine um, in denen das ganze Jahr über nur sehr wenig Boden bedeckt ist. Die Erosionsraten schnellen so in die Höhe.
Ronald Vargas leitet bei der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen das Global Soil Partnership, ein Programm zum Schutz von Böden. Er hält die Studie von David Wüpper und seinen Kollegen für sehr wichtig. Sie zeige, wieviel Einfluss politische Entscheidungsträger auf die Bodenerosion hätten.
Der Boden - eine kostbare Ressource, die Schutz verdient
"Diese Studie sagt uns, schaut her: In dem einen Land gibt es eine politische Regelung, die die Umwelt oder den Boden schützt, da haben wir wenig Erosion. In dem Land daneben gibt es sie nicht - da ist die Erosion hoch. So wird sehr anschaulich, welche negativen Auswirkungen politische Entscheidungen haben können, wenn sie den Boden nicht als kostbare Resource wahrnehmen, die durch falsche Handlungen schwindet."
Denn ohne fruchtbare Böden kann man keine Lebensmittel erzeugen. Heute schon sind ein Drittel aller Böden der Welt degradiert – bis zur Mitte des Jahrhunderts könnten es Schätzungen zufolge 90 Prozent sein.