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Grenzen des Imports

Geologie. - Seit etwa zwei Jahren wird in der deutschen Hightech-Industrie intensiv über die Versorgung mit speziellen Rohstoffe diskutiert. Seit China die sogenannten Metalle der Seltenen Erden nicht mehr in beliebigen Mengen exportiert. Die Industrie ist verunsichert, denn ihr wird bewusst, dass eine große Zahl von Rohstoffen, nicht nur die Seltenen Erden, knapp sind oder es werden könnten. Experten sprechen insgesamt von "kritischen Rohstoffen" - und das aus sehr unterschiedlichen Gründen.

Von Jan Lublinski | 18.05.2012
    Smartphones, Solarzellen und Elektroautos – diese Hightech-Geräte benötigen neben klassischen Rohstoffen wie Eisen, Erdöl oder Kupfer auch spezielle Rohstoffe: Dazu zählen die Metalle der Seltenen Erden wie Neodym oder Yttrium, aber auch Stoffe wie Tantal oder auch Indium. In jüngster Zeit wird immer deutlicher, dass die Versorgung der deutschen Industrie mit diesen Stoffen keineswegs gesichert ist. In mehreren Studien haben Geologen und Rohstoffmarkt-Experten versucht, die Situation im Detail darzulegen. Ergebnis: Zahlreiche Materialien können mittelfristig knapp werden, schlecht verfügbar sein oder extrem teuer werden. Die Experten sprechen von "kritischen Rohstoffen" und haben dazu zahlreiche Tabellen und Grafiken entwickelt, in denen große Teile des Periodensystems enthalten sind. Jens Gutzmer, Gründungsdirektor des neuen Helmholtz-Instituts Freiberg für Ressourcentechnologie, hat jetzt eine einfache Systematik entwickelt, um diese "kritischen Rohstoffe" ein wenig zu ordnen.

    "Ich habe mir Gedanken darüber gemacht, warum stehen die als kritische Rohstoffe dort? Und dann wird es sehr offensichtlich, dass es drei Kategorien gibt. Erste Kategorie: Eine einseitige deutliche Abhängigkeit von China, häufig mehr als 90 Prozent aus China."

    Diese Abhängigkeit wurde der deutschen Industrie sehr deutlich vor Augen geführt, als die chinesische Regierung im Jahr 2010 entschied, ihre Seltenen-Erden-Exporte zu begrenzen. Doch auch bei anderen Stoffen sind wir von China abhängig: Bei Grafit, bei den Metallen Wolfram und Antimon, aber auch bei Flussspat, der bei der Stahl- und Glasherstellung benötigt wird. Die Situation bei dieser ersten Gruppe von kritischen Rohstoffen wird sich so schnell nicht ändern: Es braucht viele Jahre bis in westlichen Ländern neue Minen geplant, finanziert und eröffnet werden. Die zweite Gruppe der "kritischen Rohstoffe" beinhaltet nach Jens Gutzmers Systematik die Metallwerkstoffe Zinn und Kobalt, aber auch Niob und Tantal, Stoffe die zur Härtung von Stählen aber auch für kleine Kondensatoren benötigt werden. Gemeinsam ist diesen Metallen, dass sie häufig in politisch instabilen Regionen der Welt gewonnen werden, in Zentralafrika zum Beispiel, also in Ländern,

    "in denen sehr viele Rohstoffe gefördert werden, die als Länder existieren, weil sie Rohstoffe exportieren. Die aber keine stabilen, demokratischen Wirtschaftssysteme, Gesellschaftssysteme haben."

    Bei den "kritischen Rohstoffen" dieser zweiten Gruppe muss es das langfristige Ziel der Wirtschafts- und Entwicklungspolitik sein, Aufbauhilfe für die Länder zu leisten und einen fairen, transparenten Handel durchzusetzen. Es gilt zu verhindern, dass Diktatoren und Kriegstreiber ihre Waffen durch Rohstoffverkäufe finanzieren und damit ihre Länder immer wieder neu destabilisieren. Jens Gutzmer unterscheidet schließlich noch eine dritte Gruppe von "kritischen Rohstoffen". Stoffe wie Germanium, Gallium oder Indium zählen dazu. Diese Stoffe bilden keine eigenen Lagerstätten. Sie werden, wenn überhaupt nur nebenbei in Minen oder Recycling-Unternehmen gewonnen. Das aber könnte mittelfristig zu einem Problem werden.

    "So zum Beispiel das Indium bei der Zink-Verhüttung. Nun sind die Mengen des Indiums, die wir brauchen so klein im Vergleich zum Zink, dass es für eine Hütte nur unter besonderen Umständen, wirklich attraktiv ist, das Indium mitzugewinnen und aus der Zinkverhüttung auszuschleusen. Und das muss attraktiver werden, um zukünftigen Bedarf zu decken."

    Drei Gruppen also – erstens: die Stoffe, die überwiegend aus China kommen – zweitens: die Stoffe aus instabilen Regionen - und drittens: die Beiprodukte. Für jede von ihnen braucht es ganz eigene Strategien. Das gilt letztlich auch für die Stoffe die in dieser Systematik nicht enthalten sind, weil sie (noch) nicht als kritisch gelten: Lithium zum Beispiel, das in immer größeren Mengen für Batterien benötigt wird, das aber auch entsprechend mehr gefördert werden kann. Oder Silber, das eines Tages knapp werden könnte, wenn weltweit immer mehr Solarzellen mit Silberkontakten produziert werden. Insgesamt wird es auch darauf ankommen, Produkte mit weniger Material oder mit Ersatzstoffen zu realisieren. Und: Die teuren Rohstoffe müssen in Zukunft deutlich besser recycelt werden.

    Hinweis: Am kommenden Sonntag, 20.05., 16:30 Uhr, senden wir in der Sendung "Wissenschaft im Brennpunkt" das Feature Suchen, schürfen, schreddern zum Thema.