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Grenzkontrollen zur Schweiz
Nur wer einen triftigen Grund hat, darf rein

Seit Montagmorgen gibt es wegen der Corona-Pandemie in Deutschland Grenzkontrollen, darunter zur Schweiz. In Konstanz am Bodensee trifft das viele Firmen hart. Gleichzeitig sollen jetzt Hamsterkäufe durch Schweizer Kunden vermieden werden, über die sich viele Ansässige beklagt haben.

Von Thomas Wagner | 16.03.2020
Ein Beamter der schweizerischen Grenzwache steht am Grenzübergang an der A5. In der Coronavirus-Krise führt Deutschland am Montag umfassende Kontrollen und Einreiseverbote auch an den Grenzen auch zur Schweiz ein.
Auch an den Grenzübergängen zur Schweiz gibt es jetzt verstärkt Kontrollen (picture alliance / Patrick Seeger)
"Guten Tag, die deutsche Bundespolizei. Sie sind deutscher Staatsbürger? Können Sie uns das nachweisen? Die Ausweise, bitte..."
Der deutsch-schweizerische Grenzübergang Konstanz-Kreuzlingen-Autobahn, heute Vormittag: Gut 20 Beamtinnen und Beamte der Bundespolizei kontrollieren jeden, der mit seinem Wagen ins deutsche Konstanz hinein will. An der Kontrollstelle: Ein Geländewagen mit Schweizer Kennzeichen, in dem aber ein Deutscher sitzt, der in der Schweiz wohnt:
"Was genau braucht man für diese Dialysegeschichte? Sie machen das vorbildlich. Das sind genau die Fälle, die wir jetzt meinen: einen triftigen Reisegrund. Den können Sie jetzt offenbar nachweisen. Und dann ist für Sie auch der Grenzübertritt weiterhin möglich."
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Waren- und Pendlerverkehr sollen gewährleistet bleiben
Wer einen triftigen Grund hat, darf rein, die anderen nicht: "Eine Einkaufsfahrt von Deutschland in die Schweiz ist derzeit für die Bundespolizei kein triftiger Grund, um die Einreise zu genehmigen," so Christian Werle, Sprecher der Bundespolizei in Konstanz.
Will heißen: Ohne triftigen Grund keine Einreise - und triftige Gründe gibt es in der Hauptsache zwei: "Für die Bundespolizei ist es ganz wichtig, dass zwei Dinge gewährleistet sind: der Warenverkehr und der Pendlerverkehr."
Das bedeutet: Waren dürfen hin- und her gebracht werden, vor allem aber: Die vielen Tausend Berufspendler, die auf deutsche Seite wohnen und in der Schweiz arbeiten, dürfen weiterhin passieren. Ebenso Schweizer mit einem Job in Konstanz. Für die anderen heißt es an dem Grenzübergang: Umdrehen!
"Wir haben heute Morgen um 8 Uhr die Maßnahmen begonnen. Und es gab auch schon Zurückweisungen."
Von Schweizerinnen und Schweizern, die tatsächlich zum Einkaufen kommen wollten. Oder vor hatten, Freunde in der deutschen Grenzregion zu besuchen. Die meisten aber haben von den Einschränkungen in den Medien erfahren, kommen erst gar nicht bis zur Grenze. Es ist ungewohnt ruhig am Grenzübergang - und es ist ungewohnt ruhig in der Innenstadt von Konstanz.
Die Hälfte der Kundschaft kommt aus der Schweiz
"Das trifft uns ziemlich schwer, weil wir die Hälfte der Kunden aus der Schweiz haben. Das wird ein sehr starker Einschnitt werden."
Florian Opitz ist Buchhändler in der Konstanzer Innenstadt. Die Hälfte der Kundschaft aus der Schweiz, die auf unbestimmte Zeit jetzt wegbleibt - das wegzustecken, wird nicht einfach sein. Doch trotz aller Einbußen hat Opitz Verständnis für die Einschränkungen: "Da sind ja jetzt auch schon die Bars und Cafes geschlossen. Es ist jetzt einfach so."
"Es ist viel ruhiger als sonst, an normalen Werktagen."
Weil: Keine Schweizerinnen und Schweizer auf den Straßen, in den engen Altstadtgassen von Konstanz. Vera Heinke betreibt einen Kiosk am Rande der Fußgängerzone: "Sehr wichtig sind die Schweizer Kunden. Man schimpft zwar immer, weil sie alles leerkaufen. Aber im Endeffekt brauchen wir sie doch, um das Geschäft aufrecht zu erhalten."
Zuletzt vermehrt Hamsterkäufe durch Schweizer Kunden
Doch das war mit ein Grund für die Einschränkungen beim Grenzübertritt. Weil der Franken zum Euro günstig steht und Einkaufen für die Schweizer Kundschaft in der deutschen Grenzregion nachgerade ein Schnäppchen ist, kamen gerade in den letzten Tagen, wo die Regale ohnehin schon leer waren, auch die Schweizer in hoher Zahl nach Konstanz - nicht nur zur Freude der Konstanzer: "Das Chaos... Die kaufen alles leer, die Schweizer. Eine Katastrophe."
"Ich bin auch nicht gegen Schweizer eingestellt. Aber wenn man hört, dass ein Apotheker seine Vorräte, seine Hygienemittel, auf einen Schlag an einen Schweizer verkauft hat, finde ich das einfach nicht in Ordnung."
Damit hat es fürs Erste ein Ende. Nur die Kehrseite der Medaille ist: Riesige Verluste bahnen sich an für Gastronomie, Einzelhandel und Hotellerie im deutschen Grenzgebiet. Professor Claudius Marx, Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Hochrhein-Bodensee: "Das trifft natürlich den Einzelhandel, der, das ist kein Geheimnis, bis zu 50 Prozent seines Umsatzes mit den Kunden aus dem Nachbarland macht. Der Schaden kann natürlich in die Millionen gehen. Wichtig ist, dass alle, die im Dienstleistungsbereich tätig sind, diesen Schaden nicht nachholen können. Der Kunde, der heute weg ist, der kommt nicht hinterher zwei Mal. Das heißt: Dieser Schaden ist irreversibel."
Und dann, am späten Vormittag, trifft man sie doch noch: Eine Schweizerin und ein Schweizer in einem Straßencafé, die es geschafft haben, rüberzukommen ins deutsche Konstanz.
"Wir haben einen Arzttermin. Wir sind vor 8 Uhr hinein gekommen. Ich muss mir einen Eiterzahn ziehen lassen und bin natürlich dankbar, dass ich noch reingekommen bin bis 8 Uhr.
"Es ist schade. Es ist schön in Konstanz. Wir werden es vermissen!"