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Grenzschutz
EU-Kommission will Befugnisse von Frontex stärken

Die EU-Kommission hat in Straßburg ihre Pläne für einen besseren Schutz der europäischen Außengrenzen vorgestellt. Sie reagiert damit auf die hohe Zahl von Flüchtlingen, aber auch auf die erhöhte Terrorgefahr nach den Anschlägen von Paris. Ziel ist es, die Grenzschutzagentur Frontex auszubauen.

Von Thomas Otto | 15.12.2015
    Flüchtlinge hinter dem Zaun an der ungarisch-serbischen Grenze bei Horgos
    Der Weg in die EU ist versperrt: Flüchtlinge hinter dem Zaun an der ungarisch-serbischen Grenze bei Horgos (AFP/ Armend Nimani)
    Im Grunde sind sich in der EU alle Staaten einig: Die gemeinsame Außengrenze soll besser kontrolliert werden - niemand soll die Grenze mehr übertreten, der dazu nicht befugt ist, erklärte der Erste Vize-Kommissionspräsident Frans Timmermans vorm EU-Parlament in Straßburg:
    "Mehrere Mitgliedsstaaten haben interne Grenzkontrollen wiedereingeführt. Was als Problem an der Außengrenze begann, stellt nun Schengen selbst infrage. Wollen wir Schengen erhalten, müssen wir den Schutz der gemeinsamen Außengrenze verbessern."
    Nach dem Vorschlag der EU-Kommission soll die bisherige Grenzschutzagentur Frontex zu einer europäischen Agentur für Grenzschutz und Küstenwache ausgebaut werden. Die soll mithilfe eines Risiko-Analysezentrums Migrationsströme im Blick behalten und Schwachstellen bei der Grenzüberwachung ausfindig machen. Wie schon bisher können Mitgliedsstaaten von dieser Behörde materielle und personelle Hilfe beim Grenzschutz beantragen. Auch soll es Einsätze mit und in Drittstaaten geben können. Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos erklärt den Unterschied zur neuen Behörde:
    "Wo Mängel bestehen bleiben und die Staaten nicht handeln, wird die Kommission mit den Mitgliedsstaaten eine Entscheidung treffen können, wenn die Lage an einem Grenzabschnitt schnelles Handeln erfordert. Die Agentur wird damit betraut, angemessene operative Maßnahmen umzusetzen."
    Einsatzbereitschaft innerhalb von drei Tagen
    Heißt: Innerhalb von zwei Tagen soll ein konkreter Handlungsplan zwischen EU-Grenzschutz und den Mitgliedsstaaten vereinbart werden. Der muss dann vom betroffenen Mitgliedsstaat umgesetzt werden, auch wenn das Land selbst gegen diesen Plan ist. Grenzschützer der neuen Agentur werden in das betroffene Land entsandt. Die Organisation vor Ort bleibt aber in der Hand des Mitgliedsstaates. Innerhalb von drei Tagen sollen die neuen Grenzschützer einsatzbereit sein.
    "Im Fall von Griechenland hat Frontex die Staaten gebeten, 743 Experten bereitzustellen, von denen bisher nur 447 zur Verfügung gestellt wurden. In Zukunft wird die Agentur entsprechend ausgebildete Experten mit Ausrüstung in Form eines stehenden Korps zur Verfügung haben."
    So Avramopoulos. Diese bereitstehende Mannschaft soll 1.500 Mann umfassen und von allen EU-Ländern gemeinsam gestellt werden. EU-Länder ohne Außengrenze sollen dabei stärker belastet werden als Länder, die eine Außengrenze haben.
    Die Kommission geht in ihrem Vorschlag außerdem auf Forderungen des Parlaments und der europäischen Bürgerbeauftragten ein und schlägt einen Beschwerdemechanismus vor. Damit sollen mögliche Grundrechtsverletzungen untersucht werden können.
    Kritik aus mehreren Ländern
    Neben der Überwachung der EU-Außengrenze soll die neue Behörde weitere Aufgaben übernehmen: Eine Abteilung soll länderübergreifend Abschiebungen organisieren. Im Mittelmeer soll die EU-Küstenwache Flüchtlinge aus Seenot retten. Für die EU-Bürger wird sich mit den Neuregelungen vor allem eines ändern, meint Vize-Kommissionspräsident Frans Timmermans:
    "Jeder, der die Außengrenze übertritt, auch ein EU-Bürger, wird systematisch anhand gemeinsamer Datenbanken überprüft."
    So sollen beispielsweise aus Syrien zurückkehrende IS-Kämpfer bei der Einreise identifiziert werden können.
    Kritik kommt aus Polen und Ungarn, aber auch aus Südeuropa: Man fürchtet einen Verlust der eigenen Souveränität. Deutschland und Frankreich sollen laut EU-Kommission hingegen in einem Brief an die Behörde ihre Unterstützung bereits zugesichert haben. Im nun beginnenden Gesetzgebungsprozess, wie auch bei einer zukünftigen Entscheidung, EU-Grenzschützer zu entsenden, sind die Mitgliedsstaaten aber jederzeit mit eingebunden.