Zum Tod von Eric Carle

Die Hoffnungsbotschaft der "Raupe Nimmersatt"

10:32 Minuten
Kinderbuchautor Eric Carle sitzt mit Brille, Glatze und Bart an seinem Schreibtisch. Um ihn herum Zeichnungen.
Wollte mit seinen Geschichten das Kind in sich heilen: Eric Carle ist im Alter von 91 Jahren gestorben. © picture alliance/ Eric Carle Studio / Jim Gipe
Daniela Filthaut im Gespräch mit Vladimir Balzer · 27.05.2021
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"Die kleine Raupe Nimmersatt" hat Eric Carle 1969 den Durchbruch als Kinderbuchautor gebracht. Und die Geschichte von der Raupe, die sich in einen Schmetterling verwandelt, mache noch immer Hoffnung, sagt Carles Verlegerin Daniela Filthaut.
Mehr als 70 Bücher hat der deutsch-amerikanische Kinderbuchautor Eric Carle geschrieben. Wobei "geschrieben" zu wenig gesagt ist, denn Carle hat nicht nur den Text beigesteuert, sondern die Bücher auch gestaltet. Durch Illustrationen, aber auch durch seine typischen Seidenpapier-Collagen. Mit 91 Jahren ist Carle nun in Northampton in den USA gestorben.

Alle drei Minuten ein Raupen-Buch

Ein Buch hat ihm Weltruhm beschert: "Die kleine Raupe Nimmersatt". In 80 Ländern wurde die Geschichte von der Raupe veröffentlicht: Eine Woche frisst sie sich dick und rund, dann verpuppt sie sich und wird zu einem Schmetterling. Und der Erfolg hält seit der ersten Veröffentlichung 1969 an. Noch heute kriegt alle drei Minuten ein Kind das Buch geschenkt.
Dass das Buch so beliebt ist, liege daran, dass die Geschichte universell ist, sagt Daniela Filthaut, Geschäftsführerin des Gerstenberg-Verlags, in dem die Bücher von Eric Carle erscheinen.
Daniela Filthaut vom Gerstenberg-Verlag lacht mit Brille und Wuschelfrisur in die Kamera. Vor sich hat sie eine Stoffraupe.
In der Schule sollte mehr aktuelle Kinderliteratur gelesen werden, meint Daniela Filthaut vom Gerstenberg-Verlag.© picture alliance / Christophe Gateau
"Es ist wohl die Hoffnungsbotschaft, die in der kleinen Raupe ist. Wenn man ein kleines rumpeliges Würmchen ist, gibt es doch die Chance und die Hoffnung, dass man irgendwann sein Talent entdeckt, die Flügel ausbreitet und als schöner Schmetterling in die Welt startet", sagt Filthaut.
Der Start von Eric Carle in die Welt war nicht ideal. 1929 in den USA als Sohn deutscher Auswanderer geboren, beschlossen seine Eltern ausgerechnet 1935, dass sie nach Deutschland zurückkehren wollten. Der Grund war Heimweh.

Das Kind durch Geschichten heilen

Die Umstellung vom hell und freundlich empfundenen Amerika zum strengen Nazi-Deutschland fällt Carle schwer. Sein Vater gerät in sowjetische Kriegsgefangenschaft, er muss als Hitlerjunge am Westwall Schützengräben ausheben.
So seien Carles Bücher auch aus seiner Kindheit zu verstehen, sagt Verlegerin Filthaut: "Er hat selber mal gesagt, die Bücher, die ich mache, die Geschichten, die ich erzähle, damit heile ich auch das Kind in mir selbst, das Schlimmes erlebt hat."
Dass mit diesen Geschichten auch künftige Lesegenerationen aufwachsen können — da sei auch die Schule gefragt, sagt Daniela Filthaut. Die Lehrpläne sollten auch die jüngere deutsche Kinder- oder Jugendliteratur berücksichtigen und nicht nur das Immergleiche vorschreiben: "Die Literaturlisten heute sind noch dieselben wie in meiner Kindheit."
(beb)
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