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Griechenland
Frieden ohne Asche

In Griechenland ist die Feuerbestattung zwar erlaubt, es gibt jedoch keine Krematorien. Ein Grund ist der starke Widerstand der griechischen orthodoxen Kirche, die die Einäscherung nicht für orthodoxe Gläubige anerkennt. Einäscherungstourismus ins Ausland ist die Folge.

Von Rodothea Seralidou | 02.05.2017
    Ein Sarg wird in die Glut des Ofens im Krematorium geschoben. Der Vorgang wird von den Mitarbeitern liebevoll und respektvoll begleitet.
    Die Kremation Verstorbener stößt in Griechenland auf den Widerstand der Kirche. (dpa picture alliance / Sandra Gätke)
    Konstantina Alexiou sitzt in ihrem Wohnzimmer im Athener Vorort Kifisia. In ihren Händen hält sie eine Kiste mit alten Fotos ihres Vaters Anastasios. Er sei kein Mensch gewesen, der sich gerne fotografieren ließ, daher habe sie nur diese alten Urlaubsfotos aus ihrer Kindheit, sagt die heute 43-jährige und lächelt melancholisch.
    Fürs Feuer ins Ausland
    Im Jahre 2009 verstarb ihr Vater im Alter von 61 Jahren an Lungenkrebs. Einen Tag vor seinem Tod bat er seine Tochter, ihn einäschern zu lassen. Da es in Griechenland kein Krematorium gibt, war sein letzter Wunsch, zur Feuerbestattung nach Hamburg gebracht zu werden. Konstantina Alexiou erinnert sich:
    "Ich musste plötzlich nach Flugtickets suchen, ein Bestattungsinstitut finden, das auch diesen Wunsch erfüllen kann, wir mussten in ein fremdes Land, dessen Sprache wir nicht sprechen und am Ende bin ich mit der Asche meines Vaters als Handgepäck zurückgereist - mit der Bescheinigung, dass in der Kiste die Überreste meines Vaters liegen. Das war schon eine psychische Belastung. Aber auch finanziell: Ohne unsere Flugtickets hat das rund sieben bis achttausend Euro gekostet."
    Eine Summe, die sich heutzutage die wenigsten Griechen leisten können. Deshalb finden die meisten Feuerbestattungen im benachbarten Bulgarien statt, wo es weitaus preisgünstiger ist.
    Eine Beerdigung ist weitaus teurer
    Antonis Alakiotis von der griechischen Organisation für Kremation kennt das Problem gut. Seit zwei Jahrzehnten setzt sich Alakiotis zusammen mit Gleichgesinnten dafür ein, dass auch in Griechenland die Einäscherung möglich wird. Im Moment müsse man für den Transport des Leichnams nach Bulgarien, die Einäscherung und den Rücktransport der Asche rund 2000 Euro zahlen, sagt Alakiotis. Das sei immer noch weniger als eine Beerdigung:
    "Bei der Erdbestattung bleiben die Ausgaben ja nicht nur bei der Beerdigung an sich: Man muss für das Grab bezahlen; aus Platzmangel wird nach drei Jahren die Leiche ausgegraben, auch das kostet Geld. Die Knochen werden im Friedhof aufbewahrt, auch dafür müssen die Verwandten jedes Jahr aufs Neue zahlen. Es ist also auch der finanzielle Faktor, warum immer mehr Menschen sich für die Einäscherung ihrer Liebsten entscheiden. Und wenn die Kremation in Griechenland stattfinden könnte, dann fiele der Transport weg. Eine Feuerbestattung würde dann nicht mehr als 1000 Euro kosten."
    "Eine Arena von Fanatikern"
    Trotzdem gibt es landesweit kein einziges Krematorium. Das liege vor allem am Widerstand der orthodoxen Kirche, sagt Alakiotis. Denn laut Gesetz sind für den Bau von Krematorien ausschließlich die Städte und Gemeinden zuständig und diese wollen nun mal auch die einflussreichen örtlichen Bischöfe an ihrer Seite haben. Was passieren kann, wenn sich ein Gemeinderat widersetzt, hat Alakiotis selbst erlebt: Als vor fünf Jahren der Stadtrat von Markopoulo, einer kleinen Stadt, vierzig Kilometer von Athen entfernt, einstimmig den Bau eines Krematoriums beschloss, sammelte die Kirche Unterschriften und erreichte eine zweite Sitzung, in der mehrheitlich gegen das Krematorium entschieden wurde. Die Stimmung im Gemeindesaal sei schockierend gewesen, sagt Alakiotis:
    "Der örtliche Oberbischof Νikolaos hatte die Gläubigen aufgehetzt und die Sitzung in eine Arena von Fanatikern verwandelt: 400 bis 500 Menschen, die den Bürgermeister und seine Kinder verfluchten und ihnen damit drohten, sie bei lebendigem Leibe zu verbrennen und uns als Befürworter der Feuerbestattung beschimpften und bedrohten. Das ist ein Benehmen, das hat doch nichts mit den Tugenden zu tun, für die das Christentum steht."
    "Die Menschen bestehen aus Körper und Seele"
    Dabei akzeptieren nicht nur die evangelische und die katholische Kirche die Feuerbestattung für ihre Gläubigen; sie wird auch von den meisten orthodoxen Kirchen toleriert - sogar von den griechisch-orthodoxen Kirchen im Ausland. Nur die orthodoxe Kirche Griechenlands will von der Feuerbestattung immer noch nichts wissen. Oberbischof Ignatios, Pressesprecher der Kirche, erklärt die Gründe:
    "Unsere kirchliche Tradition ist heilig. Und sie sieht nun mal die Erdbestattung und nicht die Einäscherung vor. Die Menschen bestehen aus Körper und Seele und nach dem christlichen Glauben werden wir eines Tages auferstehen. Nicht mit diesem Körper, aber mit einem Körper. Deshalb kommt für die orthodoxen Christen nur die Beerdigung als Option in Frage. Wer sich also für die Feuerbestattung entscheidet, der wird nicht von der Kirche begleitet und es gibt keine christliche Beerdigungszeremonie."
    "Wir mussten lügen"
    Alexiou, die ihren Vater einäschern ließ, hat für diese Haltung der Kirche kein Verständnis:
    "Wir mussten den Pfarrer anlügen, dass wir den Leichnam meines Vaters ins Dorf überführen werden, damit er den Gottesdienst hält. Und auch die Verwandten mussten wir anlügen. Ich versteh es nicht: Die Kirche hält den Gottesdienst bei Mördern und Kinderschändern ab, weigert sich aber, wenn es um Menschen geht, die sich einäschern lassen wollen, auch wenn sie sonst ein christliches Leben geführt haben. Was ist so schlimm daran, zu entscheiden, was Du mit deinem Körper nach dem Tod machen möchtest? Du störst doch niemanden."
    Privatisierung der Einäscherung?
    Trotz der ablehnenden Haltung der Kirche wird die Feuerbestattung bei Griechen immer beliebter. Nach Angaben des griechischen Bestatterverbandes gibt es in den letzten fünf Jahren einen Zuwachs von rund 40 Prozent. Allein im vergangenen Jahr gab es in Bulgarien rund 4000 Feuerbestattungen für griechische Bürger.
    Als im Februar dieses Jahres der bekannte griechische Liedermacher Loukianos Kilaidonis verstarb und in Bulgarien eingeäschert wurde, brachte seine Ehefrau, Anna Vagiena, Abgeordnete der linken Regierungspartei SYRIZA, das Thema ins Parlament. Darauf kündigte der griechische Innenminister Panos Skourletis eine Gesetzesänderung an: Bald wolle er, neben den Gemeinden, auch privaten Unternehmen das Recht geben, ein Krematorium zu errichten, so der Minister.
    "Kirchen können sehr reaktionär sein"
    Für Kremationsbefürworter Antonis Alakiotis ein Hoffnungsschimmer. Ausländische Firmen mit dem nötigen Know-how, die sich für den Bau von Krematorien in Griechenland interessieren, gebe es jetzt schon, sagt er. Und wenn erst einmal das erste Krematorium in Griechenland steht, werde so langsam auch in der orthodoxen Kirche ein Umdenken stattfinden, hofft Alakiotis:
    "Wissen Sie, die Kirchen können sehr reaktionär sein, sie passen sich aber im Laufe der Jahre der Realität an. Und so wie sich alle anderen Kirchen angepasst und die Einäscherung akzeptiert haben, wird es irgendwann auch die orthodoxe Kirche Griechenlands tun."