Donnerstag, 28. März 2024

Archiv


Griechenland "hat noch einen Schuss frei"

Nach der Einigung auf ein neues Hilfspaket für Griechenland komme es nun darauf an, welche Reformen das Land "durchsetzt und durchführt". Der jetzt eingeschlagene Weg der Griechenlandrettung gewährleiste Deutschland immerhin Mitsprache bei der Überprüfung der griechischen Anstrengungen, sagt Hans Michelbach.

Gerd Breker im Gespräch mit Hans Michelbach | 22.02.2012
    Gerd Breker: Ist Griechenland jetzt gerettet, wie vielfach behauptet wurde, nachdem die Eurofinanzminister nach stundenlanger Beratung sich auf ein zweites Hilfspaket für Athen geeinigt hatten? Es geht um 130 Milliarden Euro, die bereitgestellt werden. Doch kaum ist diese Hilfe beschlossen, da häufen sich die Skeptiker, die bezweifeln, dass Griechenland überhaupt zu retten ist. Andere zweifeln, ob es überhaupt um Griechenland geht oder ob es nicht eher um die Rettung unserer Banken geht. Die Schlagzeile im "Handelsblatt" lautet: "Banken retten Griechenland", die Schlagzeile in der "taz" lautet: "Griechenland rettet die Banken". Deutlicher kann die Vielfältigkeit der Handlung und die Interpretation nicht dargestellt werden. Nur, der Effekt steht noch aus, zumindest für die Menschen in Griechenland. Die hören zwar von den Summen, aber sie können sie nicht sehen. Am Telefon sind wir nun verbunden mit Hans Michelbach, er ist der Vorsitzende der CSU-Mittelstandsvereinigung und zugleich Bundestagsabgeordneter. Guten Tag, Herr Michelbach!

    Hans Michelbach: Ich grüße Sie!

    Breker: 130 Milliarden Euro für Griechenland, Herr Michelbach, ist das eine gute Investition des deutschen Steuerzahlers?

    Michelbach: Also, die Entscheidung fällt natürlich niemandem leicht und wir müssen vor dieser Entscheidung eine sorgfältige Abwägung der Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Entscheidungen und Möglichkeiten, Alternativen fällen. Natürlich sagen die Kritiker, wogegen sie sind, sie sagen aber leider nicht, wofür sie sind. Wir brauchen Lösungen, die nicht zu einer ungeordneten Pleite von Griechenland führen mit Ansteckungsgefahren im gesamten Währungsraum. Das ist die eigentliche Grundsatzfrage. Und ich bin der Auffassung, dass die jetzigen Verhandlungen der Eurofinanzminister das Grundprinzip durchgehalten haben, dass es Hilfen nur unter Konditionierungen, das heißt, Reformaufgaben gibt und die ganzen Mittel auch auf einem Sperrkonto eine gewisse Sicherheit haben und immer wieder nur nach Überprüfung der Gesetzesmaßnahmen und Einhaltung der Konditionen freigegeben werden. Also, ich glaube, der Schritt ist ein Schritt der Verlässlichkeit und Beharrlichkeit und sollte auch jetzt so gegangen werden.

    Breker: Herr Michelbach, es wird immer wieder gesagt – es wurde schon beim ersten Hilfspaket gesagt, dies ist ja das Zweite –, man kaufe sich Zeit. Wozu ist diese Zeit gut? Um Griechenland umzustrukturieren, wettbewerbsfähig zu machen? Oder nutzen wir die Zeit nicht auch dafür, um uns selber und vor allen Dingen unsere Banken auf eine Pleite Griechenlands vorzubereiten?

    Michelbach: Ja, natürlich muss man sehen, dass Griechenland jetzt nur noch einen Schuss frei hat, indem sie endgültig die Auflagen einhalten und wissen, dass sie ansonsten eben völlig im Abseits stehen. Mit der privaten Gläubigerbeteiligung kommt ein hohes Entgegenkommen, 107 Milliarden Euro ist hier von den privaten Gläubigern natürlich gegeben. Es sei denn, man einigt sich nicht bis zum Freitag auf dieses Paket. Die Griechen drohen ja jetzt mit einer gesetzlichen Maßnahme. Das wäre natürlich eine Katastrophe, weil die Ratingagenturen dann natürlich das auf "Default" stellen, also die Pleite nach den Ratings stattfinden, dann würde auch natürlich die EZB, die Europäische Zentralbank nicht mehr hilfreich sein können. Also, das ist alles noch nicht entschieden, es wird in jedem Tag jetzt darauf ankommen, was Griechenland auch durchsetzt und durchführt.

    Breker: Nur eins ist gewiss, Herr Michelbach: Wenn man Griechenland wirklich wettbewerbsfähig machen will, dann ist das ein Projekt, für das man durchaus zwei Jahrzehnte veranschlagen muss. Wir haben unsere Erfahrungen ja mit der Deutschen Einheit gemacht.

    Michelbach: Es ist klar, dass hier nur Spielräume mit durchgreifenden Reformen möglich sind und ein Aufbau einer funktions- und leistungsfähigen Verwaltung das Erste ist. Also, die Griechen müssten natürlich einmal auch von ihrem Stolz etwas, Nationalstolz etwas abrücken, indem sie in diesem Bereich Hilfe durch deutsche Verwaltungsbeamte und Bereitschaft zur praxisnahen Hilfe in Anspruch nehmen. All dies ist sicher notwendig. Und die Wettbewerbsfähigkeit ist kein Selbstläufer, sondern hier muss es natürlich dauerhaft positive Entwicklungen geben. Aber man muss natürlich die Alternative sehen: Wenn das nicht stattfindet, würde ja Griechenland bei einer Pleite – und das kann durchaus noch passieren –, natürlich dauerhaft in der Alimentation der Europäischen Union stehen, denn sie sind ja Mitglied der Europäischen Union, sie haben Anspruch auf Hilfsgelder. Das heißt also, hier ist es nicht so, dass, wenn jetzt die Hilfsmaßnahmen nicht stattfinden, der Steuerzahler, der deutsche Steuerzahler völlig außen vor ist. Das ist ja nicht der Fall, sondern wir sind dann mal über den Umweg Europäische Union dabei und wir haben noch weniger Einfluss. Der jetzige Weg, noch mal eine letzte Chance zu gewähren, ist, glaube ich, ein Weg, der uns auch erhöhte Mitsprache durch Überprüfung gewährt.

    Breker: Die Frage ist nur, ist es auch der preiswertere Weg? Der Chef des Autozulieferers Bosch sagt, Griechenland solle doch besser aus dem Euro austreten oder ausgetreten werden. Kann das sein, dass die Wirtschaftslenker diese Dinge pragmatischer sehen?

    Michelbach: Nein, also, wir sind ja laufend in den Abstimmungen, in Gesprächen mit Sachverständigen, den Experten in der Beratung. Niemand kann uns garantieren, dass der Weg billiger wird, preiswerter wird für Deutschland, wenn wir Griechenland in die Pleite gehen lassen, schon gar nicht in eine ungeordnete Pleite. Ich meine, der letzte Schuss, den Griechenland hat, der sollte jetzt in den nächsten Monaten gesehen werden. Wir sind natürlich vorbereitet, wir haben einen Plan B, Griechenland weiß das. Und wir müssen jetzt natürlich Lösungen anstreben, die eine ungeordnete Pleite Griechenlands natürlich nicht entstehen lässt.

    Breker: Und dabei unvermindert weiter an Plan B arbeiten?

    Michelbach: Das ist richtig. Der Zeitgewinn, den wir jetzt seit 2010 haben, hat uns in eine erheblich bessere Position gebracht und die Gefahr, dass uns alles um die Ohren fliegt, ist doch erheblich gebannt.

    Breker: Im Deutschlandfunk war das die Meinung des Vorsitzenden der CSU-Mittelstandsvereinigung von Hans Michelbach. Herr Michelbach, ich danke Ihnen für dieses Gespräch!

    Michelbach: Danke schön, bitte!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.