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Griechenland-Krise
"Für die Menschen schlicht dramatisch"

Die Auswirkungen der Kapitalverkehrskontrollen treffen die griechische Bevölkerung hart, meint Klaus Müller, Chef der Verbraucherzentrale Bundesverband. Deutsche Sparer hingegen müssten sich keine Sorgen machen, sagte er im DLF. Lediglich Urlauber sollten sich besser vorbereiten.

Klaus Müller im Gespräch mit Jule Reimer | 29.06.2015
    Eine Schlange von Menschen vor einer Bank in Athen.
    In den vergangenen Wochen wurden an griechischen Banken Milliarden Euro abgehoben. (picture alliance/dpa/Alexandros Vlachos)
    Jule Reimer: Ein Auto mit dem Nachbarn gemeinsam finanzieren und nutzen, wobei das Vehikel aber dem Nachbarn gehört, - ein Beispiel für die Ökonomie des Teilens, der neue Trend in der Konsumwelt. Angebote zu Teilen gibt es auch von kommerziellen Unternehmen: Begonnen hat dieser Trend mit den Carsharing-Angeboten lokaler Unternehmer, die aus der Parkplatzsuchmüdigkeit geplagter Großstädter eine Geschäftsidee entwickelten. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen VZBV widmet seinen Jahreskongress, den Deutschen Verbrauchertag, diesem Trend – neudeutsch Sharing Economy. Kurz vor dieser Sendung sprach ich mit VZBV-Chef Klaus Müller und wollte aber an erster Stelle wissen, was die abgebrochenen Griechenlandverhandlungen und die eingeführten Kapitalverkehrskontrollen aus Sicht der Verbraucherschützer bedeuten.
    Klaus Müller: Wir hatten gestern Kontakt mit unseren griechischen Kollegen und man muss sagen, für die Menschen dort ist das schlicht dramatisch. Die nächsten Tage werden die Banken geschlossen haben, 60 Euro am Tag maximal Bargeldabhebung. Uns berichten die griechischen Kollegen von gerade älteren Menschen, die keine Kreditkarte mehr bekommen von den Banken, damit auch kein Geld mehr abheben können, wenn es das überhaupt noch gibt. Viele befürchten, dass Importgüter, Stichwort Medikamente oder andere, in den nächsten Tagen knapp werden könnten. Für die griechische Bevölkerung ist das schon eine dramatische Situation.
    Deutsche Sparer müssen nicht beunruhigt sein
    Reimer: Müssen sich deutsche Verbraucher, Sparer Sorgen um ihr Geld machen aus Ihrer Sicht?
    Müller: Ich glaube, denjenigen deutschen Verbraucher, der jetzt noch Geld in griechischen Staatsanleihen angelegt hat, den kann man nur in die Kategorie Zocker reinstecken. Der wird gewusst haben, was er da tat, und da ist, glaube ich, auch kein Mitleid oder Beileid anerkannt. Was sicherlich ein Problem ist, ist, wie bereite ich mich jetzt auf meine Urlaubssituation vor. Die Automatensituation wie gesagt ist bekannt. Das heißt, Bargeld mitnehmen. Es heißt, dass man mit deutschen Kreditkarten nach wie vor Geld bekommen könnte, auch über die 60 Euro hinaus. Nur wenn der Automat leer ist, ist er einfach leer. Das heißt, gut vorbereitet sein, Bargeld, andere Zahlungsmittel mit bereit haben. Und für die deutschen Sparer kann man zurzeit nur sagen, es gibt kein Indiz dafür, hier unruhig zu sein. Die Sicherungseinlagen der Banken, der Sparkassen sind intakt, dürften auch von Griechenland nicht betroffen sein. Ob es eine Ansteckungsgefahr gibt, nicht morgen, nicht übermorgen, aber die nächsten Wochen, ob es Spekulationswellen gegen Italien oder andere Länder gibt, das ist alles zu früh zu sagen. Ich hoffe, dass die EZB gut vorbereitet ist und jeder Spekulation mit Vehemenz entgegentritt.
    Klaus Müller, Vorstand des Bundesverbands der Verbraucherzentralen
    Klaus Müller, Vorstand des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (dpa / picture alliance / Daniel Naupold)
    Reimer: Kommen wir mal zum eigentlichen Thema des deutschen Verbrauchertages heute. Ich hatte eingangs auf das Beispiel Auto teilen, Carsharing entweder privat oder auch professionell über ein Unternehmen organisiert, angesprochen. In welchen Bereichen nutzen die deutschen Verbraucher die Vorzüge der Sharing Economy noch?
    Müller: Wir wollten das genau wissen und haben deshalb die Verbraucher danach gefragt. Und das erste und wichtigste ist zweifelsohne Mobilität, das Auto, das Fahrrad. Die Frage des Wohnens, des Übernachtens, der Hotelier kommt direkt hinterher. Dann gibt es so ein paar kleinere Segmente wie Werkzeuge, Gartengeräte oder Ähnliches, aber das ist nicht vergleichbar.
    "Transparenz schaffen"
    Reimer: Wo bin ich denn besser aufgehoben, bei dem Profianbieter, oder kann ich das eigentlich alles privat gut organisieren?
    Müller: Die Verbraucher sprechen hier ein ganz klares Urteil. Mehr als zwei Drittel wünschen sich einen kommerziellen, einen gewerblichen, einen professionellen Anbieter. Das bedeutet in der Regel eine Internet-Plattform. Denen vertrauen sie mehr, weil sie auch dort bestimmte Rechte erwarten. Sie gehen davon aus, dass das, was sie in der normalen Welt an Gewährleistung, an Garantie, Transparenz und Zuverlässigkeit gewöhnt sind, dass das auch in der Sharing Economy gilt. Privates Teilen greift dann, wenn man sich kennt, in kleineren nachbarschaftlichen Zusammenhängen, dort auch dann, wenn man sich gegenseitig vertraut.
    Reimer: Und wenn es mal Ärger gibt im privaten Bereich, weil was kaputt gegangen ist, nicht ordentlich zurückgegeben worden ist?
    Müller: Dann legen Sie jetzt genau den Finger in die Wunde dieser schönen neuen Glitzerwelt. Wenn Sie das von einem gewerblichen Anbieter leihen, dann ist das in der Regel ausgeschlossen. Dann tauschen Sie eben nachbarschaftlich. Viel spannender wird es, wenn Sie auf einen gewerblichen Anbieter auf so einer Plattform treffen, und da geht es uns darum, erstens Transparenz zu schaffen. Man muss wissen, wem man gegenübersitzt. Zweitens: Die Rechte, die man auch ansonsten hat, müssen auch in der Sharing Economy bei gewerblichen Anbietern gelten, und das, bitte schön, so einfach wie nur irgendwie möglich.
    Reimer: Das klingt wie Forderungen an die Politik. Bundeskanzlerin Angela Merkel wird ja heute auch kommen. Gelten denn diese Regeln schon?
    Müller: Eigentlich sind alle Regeln da. Wir wissen aber, es gibt immer Unterschiede zwischen Recht haben und recht bekommen. Das heißt, wenn ich nicht genau weiß, von wem ich jetzt gerade ein Auto leihe, oder vielmehr wo ich übernachte, ob das ein gewerblicher oder ein privater ist, das macht einen Unterschied. Also es geht um Transparenz auf diesen Portalen.
    Zweitens: Es geht nicht darum, den Menschen, die dort was anbieten, das Leben schwer zu machen. Das wäre falsch. Vielleicht kann man sogar ein paar Regeln, Stichwort Ortskundigkeitsprüfung bei Fahrern, sogar bei der Gelegenheit erledigen und streichen. Aber es geht darum, die Portale, die ja auch das Geld verdienen, nicht aus der Verantwortung, nicht aus der Haftung zu entlassen. Wenn Airbnb und Uber extrem profitable Portale werden, dann müssen sie auch dafür sorgen, dass ich zu meinem Recht komme.
    "Ein Piktogramm müsste her"
    Reimer: Wie erkenne ich als Verbraucher, ob ich da einem Profianbieter oder einem privaten gegenüberstehe?
    Müller: Zurzeit noch gar nicht beziehungsweise nicht garantiert, nicht immer, nicht so einfach, wie das möglich und sinnvoll wäre.
    Reimer: Was wäre einfach?
    Müller: Einfach wäre zum Beispiel, wenn Ihnen ein Angebot vorgeschlagen wird, Sie wollen in Paris, London übernachten oder von A nach B kommen, dass ganz klar erkennbar ist, das ist ein gewerbliches Angebot, dahinter stehen dann bestimmte Rechte, Garantien, Versicherungen, oder es ist ein privates Angebot. Dann wissen Sie, dort können Sie auf solche Rechte nicht bauen.
    Reimer: Das heißt, irgendwo ist markiert, hier haben Sie AGBs oder Sie haben keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen?
    Müller: Das wäre das Allereinfachste. Ich würde sogar noch sagen, ein Piktogramm müsste her, was leicht verständlich ist, weil wer kennt außer uns beiden schon die Abkürzung AGBs. Ich befürchte, nicht genug leider, Allgemeine Geschäftsbedingungen. Das heißt, Portale müssten sich dadurch auszeichnen, um eine möglichst einfache Transparenz für die Verbraucher zu konkurrieren, und es ist natürlich auch Wettbewerb hier wichtig. Das heißt, wir müssen gucken, wie verhindern wir Monopole in Sharing Economy. Da muss man zum Beispiel Datenprofile oder Ähnliches mitnehmen können, damit man nicht bei einem Anbieter gefangen ist.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.