Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

Griechenland
NERIT: Neuer staatlicher Rundfunk geht auf Sendung

Elf Monate sind vergangen, seitdem Griechenlands Regierungschef Antonis Samaras den chronisch defizitären Staatssender ERT per Dekret eingestellt und alle 2.650 Mitarbeiter entlassen hat. Sein erklärtes Ziel damals: Einen "Hort der Korruption und Misswirtschaft" auszumerzen. Nun geht der Nachfolgesender NERIT an den Start.

Von Jannis Papadimitriou | 14.05.2014
    Dynamisch und modern klingt die neue Fanfare, doch journalistisch hat sich am Konzept der "Griechischen Tagesschau" nicht viel geändert: Als erstes berichtet der neue Staatssender NERIT über die Agenda der Regierung.
    Dabei hatte die Regierung eigentlich einen Sender nach Vorbild der britischen BBC in Aussicht gestellt: unabhängig von politischen Interessen, kompetent in der Berichterstattung.
    "Alles nur leere Worte" glaubt die entlassene ERT-Journalistin Alexandra Chrystakaki: "Es geht hier um nichts anderes, als um die Fortsetzung des alten Staatsfernsehens mit neuem Senderlogo. Die Verheißung von einer neuen BBC hat mit der Realität nichts zu tun."
    Seit der Abschaltung von ERT buhlen zwei Nachfolgersender um die Gunst der Zuschauer: Während ein Teil der entlassenen Mitarbeiter sämtliche Funkhäuser besetzt hält und von dort ein Ersatzprogramm sendet, arbeiten inzwischen viele Kollegen beim neuen Sender NERIT. Für sie gibt es zunächst nur Fristverträge. Erst seit Januar läuft ein ordentliches Bewerbungsverfahren.
    Diesen Weg will Chrystakaki nicht gehen - aus Überzeugung, wie sie sagt: "Viele von uns haben auf Wiedereinstellung geklagt. Sich neu bewerben würde bedeuten, dass wir die Schließung von ERT gutheißen und das wollen wir nicht. Was die Kollegen betrifft, die sich bei NERIT bewerben - na ja, es ist ihre Entscheidung. Ich denke, sie tun das nur, weil sie mit wirtschaftlichen Problemen kämpfen und sonst keine Arbeit finden."
    Auch die Journalistin und Moderatorin Maria Alexaki hat sich im vergangenen Jahr bei der Besetzung der ERT-Zentrale in Athen beteiligt. Nun hat sich die junge Frau dch entschieden, sich bei NERIT zu bewerben.
    "Ich will nichts Negatives erzählen über die Kollegen, die weiter protestieren. Aber das muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich denke nicht, dass man seine Familie vom Arbeitslosengeld ernähren kann".
    Maria Alexaki hofft, dass bei NERIT wirklich alles anders wird als beim alten Staatsfunk - so, wie es die Regierung versprochen hat. Dass Aufträge und neue Jobs nach Qualifikation vergeben werden, nicht über Beziehungen. Zumindest daran glauben möchte sie gerne.
    "Es ist zu früh, um diese Frage zu beantworten, das Einstellungsverfahren läuft ja noch. Dass politische Einmischung früher an der Tagesordnung war, bestreitet niemand. Und genau an dieser Stelle ist die Politik heute gefordert."
    Den erhofften Neuanfang sollten eigentlich zwei Manager mit Macher- Mentalität herbeiführen: Fernsehminister Pantelis Kapsis und der NERIT-Vorstandschef Giorgos Prokopakis. Doch beide wollten oder konnten sich nicht lange im Amt halten.
    Kapsis kandidiert bei der Europawahl und musste aus diesem Grund zurücktreten. Wenige Wochen später räumte auch Prokopakis seinen Stuhl. Damit geht der Machtkampf um den Staatsfunk in eine neue Runde, glaubt die Journalistin Alexandra Chrystakaki.
    "Verschiedene Machtapparate kämpfen hier um die Vorherrschaft. Prokopakis und Kapsis waren miteinander vertraut und nachdem der eine zurückgetreten ist, musste wohl auch der andere gehen. Nun beschwert sich der geschasste Vorstandschef über Intransparenz. Ich kann nur sagen: Er wusste doch, worauf er sich einlässt."