Birgit Schönau: „Neros Mütter. Julia und die Agrippinas“

Ein Leben auf dem Pulverfass

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Cover des Buchs "Neros Mütter. Julia und die Agrippinas. Die Frauenleben im alten Rom" von Birgit Schönau.
Auch für Laien mit Gewinn zu lesen: "Neros Mütter. Julia und die Agrippinas. Drei Frauenleben im alten Rom" von Birgit Schönau. © Deutschlandradio / Berenberg
Von Katharina Teutsch · 20.05.2021
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Die Journalistin Birgit Schönau lenkt den Blick auf die einflussreichen Frauengestalten der frühen römischen Kaiserzeit – und malt ein Bild von Macht und Ohnmacht zugleich. Besonders interessant: das undurchdringliche Dickicht dynastischer Heiratspolitik.
Mit Agrippina der Jüngeren, der Namenspatronin der Stadt Köln (Colonia Agrippina), endet das Melodram um drei Frauenschicksale im Alten Rom. Jedenfalls in der Dramaturgie der renommierten Italienkorrespondentin der "Süddeutschen Zeitung" und der Wochenzeitung "Die Zeit", Birgit Schönau, die gerade das Buch "Neros Mütter. Julia und die Agrippinas" vorgelegt hat.

Drei Generationen Unglück

Tochter, Enkelin und Urenkelin des Friedenskaisers Augustus, vormals Octavian, hatten während der jeweiligen Regentschaft ihrer Gatten eine erhebliche Rolle bei der Machtausübung im Reich gespielt. Mal diszipliniert und diplomatisch, mal ehrgeizig und zupackend. Keiner von ihnen war das auf lange Sicht bekommen.
Julia, Augustus’ einzige Tochter, wurde wegen mutmaßlichen Ehebruchs ins Exil geschickt und dort vergessen. Agrippina die Ältere, Ehefrau des populären Statthalters Germanicus und Stieftochter des Tiberius, folgte ihrer Mutter in die Verbannung, wo sie verhungerte.
Zuvor hatte Tiberius noch ein paar ihrer Verwandten ermorden lassen. Wie Birgit Schönau schnöde bemerkt: "als Mittel dynastischer Politik". Agrippina der Jüngeren erging es noch übler. Sie soll ihren Gatten Claudius vergiftet haben und wurde vom eigenen Sohn Nero schließlich ermordet.
Kurz lässt Schönau den Forschungsstand zu Agrippinas Giftmord aufblitzen, nur um mit dem emotionalen Minimalismus einer Staatsanwältin den Fall noch einmal aufzurollen. Hätte nicht vielmehr der machthungrige Seneca, der sich jetzt als "Königsmacher" Neros aufspielen konnte, ein Motiv für den Anschlag gehabt?

Macht und Ohnmacht

Die These dieses so kompakten wie kenntnisreichen Buchs über "Neros Mütter" lässt sich unter dem Strich folgendermaßen formulieren: Die römischen Kaiser-Gattinnen lebten in Saus und Braus, sie motivierten die Legionäre in den Heeren ihrer Männer, glänzten im öffentlichen Leben mit einer Mischung aus Glamour und Volksnähe.
Mancher Monarch erhob seine weiblichen Verwandten oder die eigene Gattin gar in den informellen Stand einer Mitregentin, was weder in der römischen Adelsrepublik noch in den späteren Despotien vorstellbar war. Aber trotz ihrer in den Quellen der Chronisten belegten Macht, lebten Julia und die beiden Agrippinas auf einem Pulverfass.
Um dies genauer zu erörtern, führt Schönau durch ein undurchdringliches Dickicht dynastischer Heiratspolitik. Ehe-Schach nennt sie es. Unfassbar, wer hier alles wen heiratet, auf Geheiß des Kaisers wieder geschieden wird, anders heiratet, Kinder gebiert, Kinder weggibt und andere adoptiert.

Väter adoptieren die eigene Gattin

Sogar Väter adoptieren die eigene Gattin wie im Falle von Augustus und seiner Gefährtin Livia. Eine Formalie, die die kaiserliche Nachfolge regeln sollte und aus heutiger Sicht wirkt wie die Parodie auf das Leben in einer etwas überspannten Regenbogenfamilie. Auch homoerotische Vorlieben kommen im Familienleben nicht zu kurz, werden aber aus dem Bereich der Machtverwaltung herausgehalten.
Ohne Zeittafel und Namensregister verliert man schon nach wenigen Seiten den Überblick. Dennoch liest man dieses Buch auch als Laie mit Gewinn. Denn der etablierte Blick auf die verrückten Kaiser Caligula und Nero wird hier einmal umgelenkt auf deren weibliche Verwandtschaft, die vermutlich nicht minder verrückt und ebenso brutal war oder es zumindest mit Sicherheit gewesen wäre, aber letztlich am kürzeren Hebel saß.

Birgit Schönau: "Neros Mütter. Julia und die Agrippinas. Drei Frauenleben im alten Rom"
Berenberg Verlag, Berlin 2021
344 Seiten, 25 Euro

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