Freitag, 29. März 2024

Archiv

Griechenland und die Eurogruppe
Keine Einigung im Schuldenstreit

Die neue Regierung in Athen beißt sich an ihrem Kurs fest, Reformen und das Sparprogramm aufzuweichen. Ein neuer Vorschlag der Eurogruppe bei Gesprächen in Brüssel wurde als "absurd" abgewatscht. Eine Äußerung von Bundesfinanzminister Schäuble im Deutschlandfunk hat die Griechen offenbar in Rage gebracht. Die Zeit tickt.

16.02.2015
    Proteste in Athen: Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras wehrt sich gegen das "Spar-Spritzen" von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und Bundeskanzlerin Angela Merkel (beide CDU)
    Proteste in Athen: Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras wehrt sich gegen das "Spar-Spritzen" von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und Bundeskanzlerin Angela Merkel (beide CDU) (dpa / picture-alliance / Orestis Panagiotou)
    Beim Treffen der Eurogruppe mit der griechischen Regierung hat es nicht die dringend notwendigen Fortschritte zur Lösung des Schuldenstreits gegeben. Die Forderungen einiger Mitglieder der Eurogruppe, darunter Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem, seien "irrational und inakzeptabel", hieß es aus der griechischen Delegation. Sie hat einen Lösungsvorschlag erneut abgelehnt. Jetzt setzt die Eurogruppe der griechischen Regierung eine Frist: Bis Freitag habe Athen Zeit, um eine Verlängerung des Hilfsprogramms zu beantragen. Erst wenn die Regierung in Athen dazu bereit sei, wollten die Minister weitere Verhandlungen mit ihr führen, sagte der EU-Kommissar für den Euro und sozialen Dialog, Valdis Dombrovskis.
    Griechenlands Ressortchef Gianis Varoufakis meinte, man sei weiter kompromissbereit und werde sich in den nächsten Tagen um eine Einigung bemühen. Die Sparauflagen des aktuellen Rettungspakets seien allerdings nicht mehr akzeptabel.
    Die griechische Delegation beschwerte sich darüber, dass Eurogruppenchef Dijsselbloem "fünf Minuten vor der Sitzung" einen Vorschlag vorgelegt habe, der für Griechenland "unannehmbar" sei. Demnach soll Griechenland seine Absicht erklären, als Zwischenschritt eine sechsmonatige Verlängerung des derzeitigen Hilfsprogramms zu beantragen. Dies solle die Zeit überbrücken, bis beide Seiten eine "Nachfolgevereinbarung" ausgearbeitet haben. Nach dem Vorschlag sollte Athen sich verpflichten, "längst überfällige Reformen umzusetzen, um Korruption und Steuerflucht zu bekämpfen" und erklären, dass es die finanziellen Verpflichtungen gegenüber seinen Geldgebern erfüllen werde.
    Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem und der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis bei einer Pressekonferenz in Athen. Dijsselbloen trägt einen Kopfhörer. Im Hintergrund ist die Europa-Fahne.
    Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem und der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis in Athen (Aris Messinis, AFP)
    Griechenlands Premierminister schießt mit einer Steinschleuder auf die einäugige Bundeskanzlerin.
    War auch Thema beim Karneval in Düsseldorf: Griechenlands Premierminister schießt mit einer Steinschleuder auf die einäugige Bundeskanzlerin. (dpa / Maja Hitij)
    Was bei der Sitzung der Eurogruppe besprochen worden sei, "weicht ab von den Vereinbarungen zwischen Regierungschef Alexis Tsipras und Eurogruppenchef Dijsselbloem", hieß es aus der Athener Regierung. Das Sparprogramm sei gescheitert und gelte nicht mehr. Die Vorschläge der Eurogruppe bedeuten "Zeitverlust, deswegen kann es - unter diesen Umständen - keine Einigung geben", zitierte der griechische Fernsehsender Nerit Vertraute der Regierung.
    Schäuble weiß nicht, was Athen will
    Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble
    Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, CDU (dpa / picture-alliance / Daniel Roland)
    Von einem Zeitverlust sprach Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) schon im Deutschlandfunk. Schäuble sagte, die von der griechischen Regierung ins Spiel gebrachten europaweiten Sozialprogramme stehen nicht zur Debatte. Darüber zu reden, sei "Verschwendung von Zeit". Der Finanzminister sagte weiter, er betrachte das Vorgehen der neuen griechischen Regierung als "großes Pokerspiel". Und: "Mir tun die Griechen leid. Sie haben eine Regierung gewählt, die sich im Augenblick ziemlich unverantwortlich verhält."
    Ziel der Eurogruppe ist es, einen Kompromiss im Schuldenstreit zu erzielen. Bundesfinanzminister Schäuble sagte kurz vor dem Treffen in Brüssel, "die griechische Regierung hat sich offenbar gar nicht bewegt". Er sei nicht der Einzige, dem nicht klar sei, was die neue Links-Rechts-Regierung in Athen eigentlich wolle. Auch etliche seiner Amtskollegen waren im Vorfeld von schwierigen Verhandlungen ausgegangen.
    Und das will Athen
    Hintergrund des Schuldenstreits sind die Pläne der Tsipras-Regierung, die ihrer Meinung nach unsoziale Sparpolitik im Land zu beenden. Die Regierung fordert eine Lockerung der Spar- und Reformauflagen, denen Athen im Gegenzug für zwei Hilfsprogramme in Höhe von 240 Milliarden Euro zugestimmt hatte. Tsipras will 30 Prozent dieser Auflagen nicht umsetzen und durch "maßgeschneiderte" Schritte ersetzen. Gleichzeitig gilt es als sicher, dass sie auf neue Milliardenhilfen angewiesen ist - von den Euro-Partnern oder einem anderem, neuen Gläubiger. Das aktuelle Hilfsprogramm läuft Ende des Monats aus.
    Den griechischen Banken geht nach Schätzung der US-Bank JPMorgan in rund drei Monaten das Geld aus. Sollte die Bevölkerung weiterhin Einlagen von rund zwei Milliarden Euro pro Woche abziehen, dürften die Finanzinstitute in 14 Wochen keine Sicherheiten mehr für neue Kredite haben, heißt es in einer Kalkulation der Bank. Morgen kommen die Finanzminister der 28 EU-Staaten in Brüssel zu Beratungen zusammen.
    (sdö/bor)