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Griechenland
Wie die albanischen Einwanderer unter der Krise leiden

Über 600.000 Albaner sind in den 1990er-Jahren nach dem Fall des Kommunismus nach Griechenland gekommen. Arbeit gefunden haben viele damals im Tourismus. Inzwischen ist die albanische Gemeinschaft ein fester Bestandteil der griechischen Gesellschaft. Ihre Arbeits- und Lebensbedingungen aber sind nicht nur wegen der Wirtschaftskrise schwierig.

Von Jerry Sommer | 12.07.2016
    Die Felshöhlen in Matala auf der griechischen Insel Kreta mit Blick auf den Badestrand.
    Felshöhlen von Matala / Kreta: Die albanischen Einwanderer arbeiten oft in der Touristikbranche. (picture alliance / Lars Halbauer)
    Saban repariert eine Vespa in der Werkstatt eines Motorrad- und Autoverleihs auf Kreta. Er ist 1991 als 18-Jähriger auf die griechische Insel gekommen. Inzwischen hat der Kfz-Mechaniker eine Frau und drei Kinder.
    "Es war gut, wir hatten gute Arbeit. Bis zur Krise."
    Die Sparpolitik hat ihn wie fast alle Albaner und Griechen im Land schwer getroffen. Die drastische Erhöhung der Mehrwertsteuer und die Kürzung des Arbeitslosengeldes sind nur zwei Beispiele. Hinzu kommen aber noch die besonderen Arbeitsbedingungen, denen Beschäftigte in der Tourismusbranche ausgesetzt sind, erzählt Saban:
    "Ein Problem ist, dass die Chefs einen nur für vier Stunden pro Tag versichern, man arbeitet aber zwölf Stunden und das auch samstags und sonntags."
    Chefs sparen sich Sozialversicherung und Steuern
    500 Kraftfahrzeuge besitzt sein Chef. Wenn er seine Mitarbeiter nur halbtags legal anstellt, spart er Sozialversicherung und Steuern. Saban und die anderen erhalten für ihre Schwarzarbeit zusätzlich Geld auf die Hand. Doch von einer regelmäßigen Bezahlung kann nicht die Rede sein. Sie müssten immer wieder wie Bittsteller beim Arbeitgeber um das ihnen zustehende Geld betteln, sagt der Albaner. Haxhi, ein 31-jähriger Landsmann, der einen Hilfsjob bei einem Autovermieter hat, erzählt:
    "Ich verdiene in der Saison so 900 Euro im Monat. Aber wenn ich mein Geld abholen will, sagt der Chef oft, nimm erst einmal 200, komme in zwei Wochen wieder, dann kriegst du noch 100 oder noch 500 Euro."
    Haxhi ist 1994 mit neun Jahren nach Griechenland gekommen. Statt zur Schule zu gehen, musste er als Kind bei einem griechischen Bauern Schafe hüten. In der Tourismushochburg Kreta ist er nun seit 15 Jahren. Und hier sei es deutlich besser. Aber was die halblegalen Arbeitsverhältnisse betrifft, ist auch er der Willkür seines Arbeitgebers ausgesetzt. Vergangenes Jahr hatte Haxhi zum Beispiel einen Motorradunfall bei der Arbeit. Er war zwar nicht schuld. Aber da die Versicherung des Unfallverursachers nicht zahlte, behielt sein Chef einen Teil des schwarzverdienten Lohns ein:
    "Anstatt zu sagen, du hast überlebt, hat er 700 Euro einbehalten. Ich war 24 Stunden im Koma im Krankenhaus. 700 Euro, einen Monatslohn hat er einfach nicht gezahlt! Das ist, als hätte er mir das Brot aus der Hand genommen."
    Alternativen gebe es jedoch nicht. Das sieht auch Saban so.
    "Wir können doch auch nicht viel verlangen. Sonst sagt der Chef: Gehe doch wo anders hin. Aber es ist überall gleich."
    Zuhause schaut Saban oft albanische Fernsehprogramme. So machen es hier die meisten seiner Landsleute. Aber seine Kinder sprechen wie er fehlerfreies Griechisch.
    "In der Schule haben sie überhaupt keine Probleme. Ich bin mit dem Unterricht zufrieden. Das ist auch ein Grund, warum ich nicht versuche, woanders hinzugehen."
    Alternativen gibt es für viele albanische Einwanderer nicht
    Ein anderer Grund: Er hat bisher keinen griechischen Pass. Der kostet über 700 Euro pro Person. Das kann er sich nicht leisten. Viele Albaner, die schon die griechische Staatsangehörigkeit erworben haben, seien in andere EU-Länder ausgereist. Für Saban und seine fünfköpfige Familie ist das keine Alternative – trotz der ungeschützten Arbeitsverhältnisse.
    Griechische Regierungen sind gegen die Schwarzarbeit nie wirklich vorgegangen. Unter der linken Syriza-Regierung habe sich das nun ein wenig geändert, erzählt Sabans Kollege Tarik. Er arbeitet schon seit vielen Jahren bei einem Rent-a-Car-Betrieb, fährt die Autos zu den Touristen, holt sie ab, wäscht sie.
    "Jetzt sind sie strenger geworden. Deshalb fangen viele an, Sozialversicherung zu zahlen."
    An dem Prinzip, Mitarbeiter offiziell nur auf Halbtagsbasis einzustellen, ändert sich wohl so schnell nichts. Und der Lohn ist auch nicht gerade üppig – zwischen 500 und 900 Euro im Monat. Allerdings nur in der Saison, betont Tarik:
    "Ich arbeite sechs Monate und danach bekomme ich nur drei Monate lang Arbeitslosengeld."
    330 Euro beträgt das Arbeitslosengeld für Saisonarbeiter. Das erhalten sie nur für drei Monate. Im Winter suchen sich deshalb viele Albaner Jobs in der Landwirtschaft. Zum Beispiel bei der Olivenernte. Auch das schwarz und auch hier erhielt Tarik für zwei Monate Arbeit nur die Hälfte des vereinbarten Lohnes.
    Immerhin, dank Tourismus und Landwirtschaft kämen die Albaner in Kreta irgendwie zurecht – trotz Krise. Aber ein normales Leben sieht anders aus, findet Tarik.