Mittwoch, 24. April 2024

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Griechenland
"Wir können nicht an der Austeritätspolitik festhalten"

Statt für ein Spardiktat in Griechenland müssten die anderen EU-Partner aktiv für einen Kompromiss eintreten, sagte Reinhard Bütikofer (Die Grünen) im DLF. Zudem forderte er, einen gemeinsamen europäischen Weg zu suchen und die Superreichen des Landes stärker einzubinden.

Reinhard Bütikofer im Gespräch mit Gerd Breker | 06.02.2015
    Reinhard Bütikofer ist EU-Abgeordneter der Grünen.
    Reinhard Bütikofer ist EU-Abgeordneter der Grünen. (imago stock&people)
    Der EU-Abgeordnete verwies darauf, dass die Wähler sich gegen das Spardiktat der Troika ausgesprochen hätten und der Kurs nicht die gewünschten Ziele erbracht habe. "Die Verträge sehen auch keine Troika vor, sondern dass die Geldgeber eine gewisse Kontrolle haben. Das könnte auch anders geregelt werden", sagte Bütikofer.
    Allerdings könne man am bisherigen Sparkurs nicht weiter festhalten. "Austerität und Reformen sind nicht dasselbe", sagte Bütikofer. Griechenland dürfe nicht ein von Europa abhängiger Staatskörper werden. Es dürfe zudem kein Berliner Diktat geben, sondern einen Weg, bei dem Europa gemeinsam vorangehe.

    Das Interview in voller Länge
    Gerd Breker: Die neue griechische Regierung hat ein fulminantes Tempo vorgelegt. Nicht einmal zwei Wochen nach der Wahl hat sie den Sparkurs aufgekündigt, die Troika rausgeworfen und versucht, einen neuen Vertrag mit den Geldgebern von EZB, IWF und EU auszuhandeln. Der Ministerpräsident tourte durch Europa, um Verbündete für ein Ende der Sparpolitik zu finden, und sein Finanzminister eilte durch die Lande in der Hoffnung, Geld für sein Land zu neuen Bedingungen zu erhalten. Dabei ließ er einen Luftballon nach dem anderen starten, die – so sieht es nun aus – nach und nach zerplatzen.
    Am Telefon sind wir verbunden mit Reinhard Bütikofer, Co-Vorsitzender der europäischen Grünen-Partei. Guten Tag, Herr Bütikofer.
    Reinhard Bütikofer: Ich grüße Sie, Herr Breker.
    Breker: Die griechischen Wähler haben für ein Ende der Sparpolitik gestimmt, aber die Geldgeber spielen nicht mit. Wer bezahlt, der bestimmt auch die Musik offenbar.
    Bütikofer: Ich traue mich kaum, es zu sagen, aber ich bin eigentlich nicht ganz so pessimistisch, wie es Ihr Beitrag nahelegt. Richtig ist, die griechische Regierung hat sich sehr schnell von ihrer Wahlkampfrhetorik verabschiedet, verabschieden müssen. Sie redet jetzt von Kompromiss. Das ist doch erst mal ganz im europäischen Sinne.
    Aber was noch fehlt ist die Einsicht insbesondere auch in Berlin, dass auch die Geldgeber, dass auch die europäischen Partner sich aktiv für einen Kompromiss einsetzen müssen. Ich glaube nicht, dass man sich in Berlin zurücklehnen kann und Däumchen drehen und sagen, jetzt kommt mal, wir warten nur ab, sondern man muss gestalten. Und die Basis der Gestaltung kann meines Erachtens sein, wie es Herr Schäuble richtigerweise in dem einen Zitat, das Sie eingespielt haben, formuliert hat: Wir schaffen neue Verabredungen auf der Basis von Unterstützung auf der einen Seite und Reformen auf der anderen. Was nicht gehen wird ist, festzuhalten an dem bisherigen Kurs der Austerität, aber das muss man ja vielleicht mal auseinanderhalten. Austerität und Reformen sind nicht dasselbe.
    Superreiche in Krise einbinden
    Breker: Nun haben, Herr Bütikofer, die griechischen Wähler wie gesagt ein Ende dieser Sparpolitik gewählt, aber sie können das nicht richtig umsetzen. Das klingt doch auch nach einer eingeschränkten Souveränität der Griechen, und man fragt sich, was nützt ein Europa, wenn die Menschen nicht mitgenommen werden.
    Bütikofer: Die griechischen Wähler haben sich für ein Ende der bisherigen Sparpolitik ausgesprochen, meines Erachtens insoweit zurecht, als sich gezeigt hat, dass diese Politik die versprochenen Ergebnisse nicht bringt. Die Schuldenlast ist heute höher als zu Beginn der Krise. Das muss man doch mal zur Kenntnis nehmen.
    Jetzt sage ich aber nicht, dass Griechenland ein von Europa abhängig gemachter Staatskörper ist, der gar nichts mehr selber entscheiden kann, sondern man könnte zum Beispiel – und die neue Regierung spricht davon und ich würde mich freuen, wenn man mal konkret dann auch über Vorschläge reden würde; die müssen sie natürlich bringen.
    Man könnte dafür sorgen, dass die Superreichen in Griechenland, die bis jetzt nicht nur nichts beigetragen haben zur Finanzierung des Auswegs aus der griechischen Krise, sondern noch mal extra profitiert haben von einer unsinnigen Privatisierungspolitik, die tatsächlich durch die Troika aufgezwungen worden war, die mal mit in die Verantwortung nehmen. Das ist ein Gestaltungsspielraum, den Griechenland jederzeit hat, und ich glaube, mindestens drei Viertel von Europa würde Beifall klatschen.
    Breker: Allerdings, Herr Bütikofer, ist es so, dass die Zeit knapp wird. Die Sparziele müssen eingehalten werden bis Ende dieses Monats.
    Bütikofer: Die Zeit wird knapp. Das ist wahr und das ist auch durch die Entscheidung der Europäischen Zentralbank noch mal deutlich geworden, die ich übrigens nicht für eine Verschärfung und nicht für eine Drohgeste, nicht für eine Erpressung halte, sondern einfach für etwas, wozu die EZB durch ihre eigenen Regeln gezwungen ist. Aber ich sage es noch mal: Gerade weil die Zeit knapp war, kann sich auch Herr Schäuble nicht leisten, sich hinzusetzen und zu sagen, von mir aus könnte es so weitergehen wie bisher.
    So weiter wie bisher mit der Troika wird es nicht gehen können, das haben die griechischen Wähler gesagt, und es ist ja tatsächlich Kompromissbreite vorhanden. Die Verträge sehen nicht vor, dass es eine Troika geben muss; die Verträge sehen vor, dass man, wenn die Geldgeber Griechenland unterstützen, auch eine gewisse Kontrolle darüber haben muss. Aber das kann man auch anders organisieren und daran müsste jetzt mal konstruktiv gearbeitet werden.
    Breker: Allerdings redet von Kompromiss derzeit nur die griechische Seite.
    Bütikofer: Ja das ist halt die Sache. Oft redet der Schwächere von Kompromiss. Die Klugheit würde aber gebieten, dass der Stärkere auch von Kompromiss redet.
    Gemeinsamer Weg Europas ist gefragt
    Breker: Nur faktisch, Herr Bütikofer, Wolfgang Schäuble lässt es doch wirklich auf einen Austritt Griechenlands ankommen.
    Bütikofer: Wolfgang Schäuble ist alleine nicht in der Lage zu entscheiden, wo Europa hinmarschiert. Ich wunder mich übrigens, dass man gar nicht den Eindruck hat, dass wir noch eine SPD in der Bundesregierung haben, nur mal nebenbei gesagt. Von denen habe ich den Eindruck, entweder sie haben ihre europapolitische Verantwortung im Kanzleramt abgegeben, oder sie wissen nicht, was sie wollen. Da würde ich gerne mal was hören. Aber wenn ich in andere Hauptstädte höre, auch wenn ich Herrn Juncker genau zuhöre, dann weiß ich, die stehen nicht Schlange hinter Wolfgang Schäuble und warten, dass er den Takt vorgibt, sondern die verstehen viel besser als Berlin, dass es eine gewisse Veränderung braucht: Kein griechisches Diktat, kein Berliner Diktat, sondern einen Weg, in dem Europa gemeinsam nach vorne gehen kann.
    Breker: Im Deutschlandfunk war das Reinhard Bütikofer. Er ist der Co-Vorsitzende der europäischen Grünen-Partei. Herr Bütikofer, ich danke für dieses Gespräch.
    Bütikofer: Ich danke Ihnen, Herr Breker.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.