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Griechenlands Wirtschaft
Gelähmt durch Unsicherheit

Auch wenn der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras die geforderten Reformen im Parlament durchbekommt, dürfte es noch einige Zeit dauern, bis wieder so etwas wie Normalität einkehrt. Die braucht die Wirtschaft des Landes aber ganz dringend. Viele Betriebe können ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen - auch weil die Banken noch immer geschlossen sind.

Von Wolfgang Landmesser | 15.07.2015
    Eine leere Werbefläche in einem Vorort von Thessaloniki in Griechenland.
    Zeichen der Krise: Eine leere Werbefläche in einem Vorort von Thessaloniki in Griechenland. (picture alliance / dpa / Alkis Konstantinidis)
    Schon die nackten Zahlen sind erschreckend: Ein Schaden von mehr als einer Milliarde Euro ist der griechischen Wirtschaft entstanden. Vor allem den Handel hat es hart getroffen: Um 70 Prozent brach der Umsatz ein. Der Grund: Die Griechen horten so viel Bargeld, wie sie nur können. Weil sie nicht wissen, was passiert, wenn die Banken wieder öffnen. Bis dahin kaufen sie nur das Nötigste: Lebensmittel, Medikamente oder Benzin.
    Aber auch Unternehmen, die ihre Produkte exportieren, sind mehr und mehr betroffen, sagt Athanasios Kelemis, Geschäftsführer der deutsch-griechischen Industrie- und Handelskammer in Athen. "Das liegt daran, dass sie Vorprodukte und Rohstoffe nicht importieren können. Folglich müssen sie ihre Mitarbeiter in Zwangsurlaub schicken, was sehr viele im Handel bereits getan haben. Der nächste Schritt sind Massenentlassungen und Schließungen von Unternehmen."
    So muss eine Brauerei jetzt eine ihrer Produktionslinien schließen, weil sie im Moment keine Bierdosen mehr aus dem Ausland geliefert bekommt. Die griechische Wirtschaft ist in besonderem Maße von Importen abhängig. Viele Dinge werden im Land nicht produziert. Das wirkt sich jetzt besonders negativ aus.
    Viele Lieferanten zweifeln, ob ihre griechischen Kunden in ein paar Wochen noch zahlungsfähig sind und verlangen Vorkasse. Wegen der Kapitalverkehrskontrollen können die Firmen aber nur mit einer Ausnahmegenehmigung Geld ins Ausland überweisen.
    Das werden selbst die fittesten Unternehmen nicht mehr lange durchhalten, sagt Charis Maryniotis, Chef des Expertennetzwerks endeavor in Griechenland. "Auch wenn ein Unternehmen total effizient arbeitet, schnell wächst und der Firmenchef tolle Ideen hat, geht es nicht ohne Banken, ohne Finanzquellen. Als Allererstes ist jetzt Stabilität wichtig. Das wird ein Überlebenskampf in den nächsten Wochen."
    Dabei hat die griechische Wirtschaft durchaus Erfolgsstorys zu bieten. Es gibt eine wettbewerbsfähige Pharmaproduktion im Bereich Generika. Die Lebensmittelindustrie hat eine starke Position. Und auch in Nischen wie der Mikroelektronik wachsen Top-Firmen nach.
    Geplante Milliardeninvestitionen wären eine große Chance
    Aber insgesamt erlebte die Industrie in Griechenland in den vergangenen 25 Jahren einen Niedergang. Statt damals mit 19 Prozent trägt sie heute nur noch mit neun Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. "Es gibt keine hochwertigen Industriegüter, bei denen ein hoher Anteil der Wertschöpfung hier im Lande stattfindet - und das macht den gravierenden Unterschied zu anderen Euroländern", sagt der Geschäftsführer der deutsch-griechischen IHK Kelemis.
    In den vergangenen fünf Krisenjahren hat sich die Situation nicht verbessert. Im Unterschied zu anderen Ländern wie Portugal oder Spanien gelang es Griechenland nicht, den Export von Industriegütern zu steigern. Und davon hängt der Wohlstand eines Landes maßgeblich ab.
    Der Schwerpunkt der Rettungsprogramme lag bisher vor allem darauf, einen ausgeglichenen Staatshaushalt zu erreichen. Sollten sich Griechenland und die Geldgeber tatsächlich auf ein neues Reformpaket einigen, würde es auch Milliardeninvestitionen enthalten, um die griechische Wirtschaft zu modernisieren. Dies sei eine große Chance, findet Kelemis: "Man muss das Geld für die Entwicklung neuer Produkte und neuer Unternehmen einsetzen, etwa bei der Förderung von Spin-off- und Start-up-Unternehmen. Wir brauchen hochwertige Industriegüter und Produkte, die einen sehr hohen Anteil an der Wertschöpfung hier im Lande haben."
    Aber solange sich nichts an der unsicheren Situation ändert, gibt es überhaupt keine Investitionen. Selbst die innovativen griechischen Firmen, die das Netzwerk endeavor betreut, sitzen derzeit auf dem Trockenen, sagt Charis Makryniotis: "Investitionen sind in den letzten zwei, drei Monaten zum Stillstand gekommen. In den ersten Monaten dieses Jahres ist noch etwas passiert. Ich hoffe, das geht weiter, wenn diese Unsicherheit ausgeräumt ist, damit die Firmen wieder wachsen können."
    Zu viel erwarten dürfe man aber auch nicht, meint IHK-Geschäftsführer Kelemis. "Es gibt industrielle Bereiche, bei denen es sich lohnt zu investieren - aber mit Sicherheit wird Griechenland keine Automobilnation werden".