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Griechenlands Wirtschaft
Investoren dringend gesucht

Die griechische Wirtschaft ist recht einseitig aufgestellt. Der Tourismus trägt allein 16 Prozent zur Wirtschaftsleistung bei. Ansonsten prägen vor allem mittelständische und kleine Betriebe das Bild. Wachstum ohne Investitionen von außen scheint kaum möglich. Um Investoren anzulocken, müsste die griechische Regierung aber entsprechende Rahmenbedingungen setzen.

Von Stefan Wolff | 12.07.2015
    Ideen von Ökonomen und Wirtschaftslenkern gibt es genug: Griechenland könnte als Solarenergiestandort den schattigen Norden Europas zuverlässig mit Strom versorgen. Für den Handel könnten die Hellenen als Drehkreuz nach Afrika, Asien und den Nahen Osten fungieren. Und als Zulieferer für europäische Auto- und Maschinenbauer hätte Griechenland ebenfalls Zukunft, heißt es. Allein: Bisher ist es bei den Ideen geblieben. Die Krise ist Griechenlands Wirtschaft an die Substanz gegangen. Die Wirtschaftsleistung ist seit Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 um 26 Prozent zurückgegangen. Nach sechs Jahren in tiefer Rezession vermeldeten die Statistiker für 2014 zwar ein Miniwachstum um 0,75 Prozent, doch davon ist aktuell nichts mehr übrig. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka Bank, rät, dass sich Griechenland erst einmal auf seine alten Stärken besinnt:
    "Im Tourismus läuft es gut, die Landwirtschaft hat Ansätze zur Verbesserung. Beispielsweise in Bereichen der Fischerei, Aquakultur. Das sind alles Sachen, die man weiter entwickeln könnte. Griechenland hat von der Logistik natürlich von der Lage der Häfen her Potenziale. Es gibt aber darüber hinaus auch immer Möglichkeiten, auch Neues zu entdecken. Das ist eigentlich der Kern des Standortwettbewerbs. Es gibt Beispiele, dass das das klappen kann. Das berühmteste Beispiel ist das Silicon Valley in den Vereinigten Staaten."
    Griechenland zu einseitig aufgestellt
    Auch in Europa gibt es solche Erfolgsgeschichten. So hat Irland sich zu einem attraktiven Finanzstandort entwickelt. Und auf den Industriebrachen im Osten Deutschlands sind neue Erfolgsgeschichten geschrieben worden, Solarunternehmen und Autozulieferer prägen das industrielle Bild. Die griechische Wirtschaft ist recht einseitig aufgestellt. Der Tourismus trägt 16 Prozent zur Wirtschaftsleistung bei. Die mit einem Anteil von 12 Prozent immer noch starke Industrie stellt sogenannte "Halbzeuge" her, also Bauteile, die anderswo vor allem in der Elektronikbranche weiter verarbeitet werden.
    Labyrinthisches System erzeugt
    Ansonsten prägen vor allem mittelständische und kleine Betriebe aus Handel, Handwerk und Dienstleistung das Bild. Wachstum ohne Investitionen von außen, scheint kaum möglich. Und um die anzulocken, ist der Staat gefragt, sagt Ulrich Kater. Die griechische Regierung müsse entsprechende Rahmenbedingungen setzen:
    "Wenn man sich streitet mit andern Geschäftspartnern, dann muss ein Rechtssystem vorhanden sein, wo dieser Streit relativ schnell und nach vernünftigen Regeln beigelegt wird. Wenn man eine Firma aufbauen möchte, dann muss ein Verfahren da sein, wie das relativ schnell geht und das geht eben nicht wenn man nicht weiß, welche Behörde zuständig ist, weil in Griechenland die Überschneidung der Zuständigkeit von Behörden ein labyrinthisches System erzeugt haben, über das die Teilnehmer selber nicht Bescheid wissen."
    Investorentüren öffnen lassen
    "Rechtssicherheit" lautet das Zauberwort, mit dem sich Investorentüren öffnen lassen. Auch Finanzminister Wolfgang Schäuble hat in seinem Positionspapier angemahnt, Griechenland müsse Reformen anstoßen, die langfristiges Wirtschaftswachstum und nachhaltige Entwicklung fördern. Hier sehen Experten das größte Manko des Standorts Griechenlands, der ansonsten übrigens mehr Vorteile bietet, als man im Angesicht der Krise meinen könnte.
    "Andere Länder aus der Region, die sich ebenfalls als Produktionsstandort ins Gespräch bringen - Stichwort die Türkei natürlich -, haben ebenfalls deutlich aufgeholt, aber der entscheidende Vorteil Griechenlands ist die Einbindung in das europäische Rechtssystem und auch Finanzsystem."
    Urteilt Ulrich Kater. Ein Austritt aus dem Euro würde diesen Vorteil zunichtemachen. Das Argument vieler Ökonomen, dass nur die Rückkehr zur Drachme die Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands wiederherstellen könne, teilt Kater nicht. Die Löhne in Griechenland seien im europäischen Vergleich günstig. Aktuellen Berechnungen zufolge sind die Lohnstückkosten in Griechenland deutlich unter das Niveau Italiens oder Frankreichs gefallen.