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"Griff in die Tasche des Verbrauchers" beim Benzin vermeiden

Johannes Singhammer (CSU), als Unionsfraktions-Vize für Verbraucherschutz zuständig, kritisiert die "erkennbaren" Preisabsprachen der Mineralölkonzerne - und fordert ein härteres Durchgreifen.

Johannes Singhammer im Gespräch mit Dirk Müller | 25.11.2011
    Dirk Müller: 1,40 Euro für den Liter Diesel am Morgen, 1,49 Euro am Nachmittag, 1,46 am späten Abend. Diese Beobachtung an einer Kölner Tankstelle in dieser Woche hat nichts mit Kölner Klüngel zu tun, sondern beobachten Autofahrer quer durch die Republik. Die Spritpreise rangieren seit Wochen wieder auf Rekordniveau. Wie viel man zahlen muss an der Zapfsäule, hängt von der Uhrzeit und vom Wochentag ab. Das hat im Frühjahr auch das Bundeskartellamt bestätigt. Und was tut die Politik, was tut die Bundesregierung dagegen? Sie wollte diesem undurchsichtigen Preisspiel ein Ende bereiten, in der Praxis hat sich daran aber nichts geändert.

    – Am Telefon ist nun Johannes Singhammer, Unions-Vizefraktionschef im Bundestag, dort auch zuständig für den Verbraucherschutz. Guten Morgen.

    Johannes Singhammer: Guten Morgen, Herr Müller!

    Müller: Herr Singhammer, wie lange schaut die Politik noch zu?

    Singhammer: Ich glaube, wir können nicht mehr lange zuschauen. Es ist schon viel zu lange zugeschaut worden. Denn klar ist doch für jeden: Hier wird nicht nur ein höheres Preisgefüge, das international zu beobachten ist, umgesetzt, sondern hier gibt es erkennbar den Griff in die Tasche des Verbrauchers, in dem Fall des Autofahrers, durch erkennbare Absprachen, die ja immer nach dem gleichen System ablaufen. Dass beispielsweise Aral oder Shell vorpreschen, dann ziehen die anderen nach, und am Schluss kommt dann Jet, die immer einen Cent darunter bleiben. Das ist natürlich kein Zufall und ich finde, jetzt reicht's.

    Müller: Sie sagen, jetzt reicht's. Sind Sie eine Einzelmeinung in der Fraktion?

    Singhammer: Nein. Ich denke, dass die Bundesregierung jetzt gesetzgeberisch tätig werden muss. Wir stehen hier immer wieder vor einer Situation, dass die einen sagen: Ja gut, das sind internationale Konzerne, da ist es schwierig, da kann man nur resignativ die Schultern hängen lassen. Der Meinung bin ich nicht. Im Gegenteil: Die Bürger erwarten zurecht, dass die Politik jetzt Zähne zeigt und diesem Treiben ein Einhalt gebietet. Klar ist auch: Eine große riesige Senkung der Benzinpreise kann man auch mit Gesetz nicht verordnen. Wohl aber kann man vermeiden, dass in dieser Weise abgezockt wird und dass erkennbar mit Absprachen gearbeitet wird. Das kann man untersagen und verbieten, und das muss man auch.

    Müller: Herr Singhammer, wir haben an dieser Stelle im Deutschlandfunk im Mai – wir haben in unserer Interviewdatei nachgeschaut – auch darüber gesprochen. Sie haben gesagt, die Politik will jetzt handeln, spätestens nach den Sommerferien haben wir irgendwas, was wir vorweisen können. Sie haben immer noch nichts vorzuweisen. Woran liegt das?

    Singhammer: Nun, der zuständige Bundeswirtschaftsminister hat ja jetzt angekündigt, dass er ein Gesetz verändern will. Er will vor allem den sogenannten freien Tankstellen mehr Rechte geben, dass sie auch beliefert werden zu Preisen, die nicht über den Preisen liegen, die die ohnehin schon hohen Mineralgroßkonzerne verlangen, damit den Wettbewerb letztlich gar nicht entstehen lassen. Das will er jetzt machen. Nach wie vor bleibe ich aber auch bei der Auffassung, die ich im Mai schon vertreten habe, dass wir uns auch von den Österreichern einiges abschauen können. Mir ist nicht klar und ich verstehe auch nicht, warum man das nicht schon auch umgesetzt hat, denn in Österreich hat man mit dem System, mit der Festlegung, gute Erfahrungen gemacht, dass eben nur einmal am Tag der Preis nach oben angehoben werden darf an den Tankstellen, aber sehr wohl natürlich vielfach am Tag nach unten. Und mir ist nicht klar, warum man dieses erfolgreiche österreichische Modell nicht nach Deutschland übertragen könnte.

    Müller: Philipp Rösler, wenn wir das richtig verstanden haben, Herr Singhammer, lehnt ja dieses österreichische Modell ab – mit dem Argument, dann wird alles noch teurer.

    Singhammer: Ich kann nicht erkennen, dass in Österreich durch dieses Modell die österreichischen Autofahrer mehr zahlen müssen. Im Gegenteil! In Österreich hat man gute Erfahrungen gemacht. Und deshalb ist meine Meinung, dass der Bundeswirtschaftsminister auch dieses Modell umsetzen sollte, sich genau auch in Österreich bei den dortigen Verantwortlichen über die Erfahrungen informieren sollte. Letztendlich geht es darum, dass wir mehrere Instrumente einsetzen, nicht nur auf ein Instrument setzen, sondern versuchen, dem Verbraucher über viele wirksame Maßnahmen zu helfen.

    Müller: Sie haben ja damals im Mai – wir haben darüber gesprochen, dass wir das Interview ja geführt haben – gesagt, wir brauchen eine rechtliche Grundlage, beziehungsweise wir brauchen Beweise. Das Bundeskartellamt hat diese Beweise vorgelegt, danach kann man handeln. Habe ich Sie richtig verstanden, dass alles der Wirtschaftsminister Schuld ist?

    Singhammer: Es geht nicht hier um Schuld. Wir sind in einer Regierung und in einer Koalition wollen wir das gemeinsam regeln. Es gibt auch niemanden in der Bundesregierung und in der Koalition, der eine andere Meinung wäre. Jeder möchte dieses erkennbare wettbewerbsfeindliche und verbraucherfeindliche Verhalten verändern. Umstritten ist die Frage, welcher Weg ist der wirksamste, mit wem kann man tatsächlich dann am Schluss den Verbraucher nachhaltig schützen und nicht nur ankündigen, dass ein Schutz erfolgen soll.

    Müller: Und wieder einmal streitet sich die Bundesregierung, wieder einmal streitet sich die Koalition. Und es passiert nichts.

    Singhammer: Es passiert schon was, denn der Wirtschaftsminister hat ja jetzt ein Gesetz in Vorbereitung, das eben den Kernbereich darauf setzt, dass die Mineralölkonzerne, der sogenannten Freien nicht diskriminieren. Das ist wichtig, ...

    Müller: Aber das reicht Ihnen ja nicht.

    Singhammer: Mir reicht das nicht. Ich sage, wir sollten auch das österreichische Modell übernehmen. Und ich sage noch ein Drittes: Wir müssen auch verlangen von den Konzernen, dass sie ihre Kalkulation in dem Punkt offener legen. Das wird in anderen Rechtsgebieten auch verlangt. Jetzt, da das Kartellamt ja erkennbar Unterlagen vorgelegt hat - insofern sind wir jetzt weiter als im Mai dieses Jahres -, dass hier ein massiver Verdacht der Absprachen besteht, denke ich mal, kann man auch härter zulangen und muss man auch härter zulangen.

    Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk Johannes Singhammer, Unions-Vizefraktionschef im Bundestag. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.

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