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Gröhe: Ein saarlandspezifisches Ergebnis

Die CDU habe ein Interesse daran, dass die FDP wieder zu Kräften komme, betont CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe. Dass sie verschwinde, sei auch nach ihrem desaströsen Abschneiden bei der Saarlandwahl nicht ausgemacht. In NRW sei das Ziel, "eine rot-grüne Schuldenmehrheit" zu verhindern.

Hermann Gröhe im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 26.03.2012
    Tobias Armbrüster: Bei den Wahlen im Saarland hat die CDU gestern Abend gepunktet. 35,1 Prozent, fast genau so viel wie bei der letzten Landtagswahl. Aber die Gewichte im Landtag von Saarbrücken, die haben sich deutlich verschoben. Unter anderem ist die FDP weit unter der Fünf-Prozent-Hürde geblieben und es gibt offenbar mit den Piraten einen neuen politischen Player. Am Telefon ist jetzt Hermann Gröhe, der Generalsekretär der CDU. Schönen guten Morgen, Herr Gröhe.

    Hermann Gröhe: Guten Morgen.

    Armbrüster: Herr Gröhe, wir haben es gehört: Die CDU hat im Saarland hoch gepokert und die FDP vor die Tür gesetzt, sie hat diese Wahlen jetzt tatsächlich gewonnen. Hat sich das Pokern also gelohnt?

    Gröhe: Es war eben gerade kein Pokern, sondern Annegret Kramp-Karrenbauer hat deutlich gemacht: Das Wichtigste ist die Zukunft des Saarlandes, und sie hat persönliche Interessen und parteitaktische Überlegungen eben hinten angestellt. Als die Zerrissenheit der FDP im Saarland zeigte, Jamaika ist nicht länger stabil, das Saarland steht vor großen Herausforderungen, hat sie gesagt, sie tritt vor die Wählerinnen und Wähler, und in der Tat hat sich gezeigt: Kämpfen lohnt sich. Alle haben mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen gerechnet, jetzt ging Annegret Kramp-Karrenbauer mit der CDU klar als Erste durch die Ziellinie. Kämpfen hat sich gelohnt, Geradlinigkeit und der Einsatz fürs Land.

    Armbrüster: Aber dass die FDP so völlig untergeht und auf dem Niveau einer Splitterpartei landet, das kann nicht ganz so einfach an Ihnen vorübergehen.

    Gröhe: Nein, und man muss hier sicher sehen, dass es zum einen ein sehr starkes saarlandspezifisches Ergebnis ist. Die Koalition, die es vorher gegeben hat, ist an einer inneren Zerrissenheit der FDP gescheitert, das hat ihr Spitzenkandidat gestern auch eingeräumt. Kein Landtagskandidat, der bisher im Landtag war bei der FDP, ist neu angetreten. Diese tiefe Zerrissenheit war eine große Hypothek. Es gab aus dieser Erfahrung heraus die klare Ansage, dass eine Große Koalition das Ziel der beiden großen Parteien ist, und das hat natürlich auch zu Veränderungen etwa auch beim Ergebnis der Piraten und anderer geführt, dass erkennbar wurde, es wird eine Große Koalition geben. Aber es ist entscheidend, wer Ministerpräsident wird, das war die Hauptfrage am gestrigen Wahlsonntag.

    Armbrüster: Aber zerrissen ist die FDP auch bundesweit. Ihrer Partei, kann man sagen, kommt also der Koalitionspartner abhanden. Geht künftig für die CDU nur noch Große Koalition?

    Gröhe: Nein, und wir sehen ja auch in anderen Bundesländern, dass die FDP bei Umfragen deutlich besser abschneidet.

    Armbrüster: ... , aber immer noch deutlich unter fünf Prozent bleibt.

    Gröhe: Für die FDP ist dies eine sehr ernste Lage. Das artikulieren ja auch Philipp Rösler wie Patrick Döring sehr deutlich. Das, was wir dazu beitragen können, ist ein faires Miteinander in der Koalition. Das praktizieren wir, dazu stehen wir. Wir haben ein Interesse daran. Gerade wenn man sieht, dass sich im eher linken Lager weitere Parteien etablieren, haben wir ein Interesse daran, dass die FDP zu Kräften kommt. Wie gesagt, das, was wir dazu beitragen können, ist ein fairer Umgang.

    Armbrüster: Aber was wollen Sie machen, wenn die FDP dauerhaft unter fünf Prozent bleibt?

    Gröhe: Ich halte das jetzt für völlig verfrüht, 18 Monate vor der Bundestagswahl zu sagen, das wird sich so oder so entwickeln. Auch da zeigt sich bei den Wahlen im Saarland, dass Umfragen mitunter doch deutlich daneben gehen, dass es sich lohnt, bis zuletzt für die Stimme zu werben. Aber es ist wahr: Die Union muss gleichzeitig stets anstreben, als die starke Volkspartei in Deutschland so einflussreich im Parlament zu sein, dass gegen uns eine Regierungsbildung nicht möglich ist. Die Menschen an der Saar haben auch klar gemacht, dass sie eine Regierungsbeteiligung der Linkspartei nicht wollen. Und das zu verhindern und politische Verhältnisse mit Vernunft und Augenmaß in der politischen Mitte sicherzustellen, dafür bedarf es einer starken Union, das steht im Mittelpunkt unserer Ansage.

    Armbrüster: Sie steuern ja auf eine ähnliche Situation nicht erst in 13 Monaten zu, sondern schon in wenigen Wochen, nämlich bei den Landtagswahlen in NRW und in Schleswig-Holstein. Heißt das, wer keine Große Koalition will, der sollte besser SPD und Grüne wählen?

    Gröhe: Nein! Aber das zeigt, dass etwa in NRW mit einer desaströsen Schuldenhinterlassenschaft jetzt schon Rot-Grün untergehakt antreten, und deswegen ist es klar, dass mit dieser Schuldenpolitik nur Schluss ist, wenn Rot-Grün nicht fortgesetzt werden kann. Deswegen gilt unsere Auseinandersetzung der Zukunft dieses Landes und damit einer klaren Ansage an die Schuldenparteien in der Linken.

    Armbrüster: Und dann in NRW eben auch eine Große Koalition?

    Gröhe: In NRW wird man auch jetzt nicht vor der Wahl diese oder jene Option ansteuern, sondern einen Politikwechsel ansteuern müssen, und den gibt es nur mit der Union auf Platz eins. Dafür kämpfen wir und dann wird man nach der Wahl hoffentlich zwischen mehreren Optionen Verhandlungen führen können, wie ein politischer Neuanfang gelingen kann.

    Armbrüster: Aber, Herr Gröhe, das interessiert natürlich auch deshalb viele Menschen heute Morgen, weil sie sehen, dass der CDU ihr natürlicher Koalitionspartner sozusagen abhanden kommt. Deshalb sollten Sie das doch schon auf dem Schirm haben, oder nicht?

    Gröhe: Wir haben auf dem Schirm natürlich die Zukunft des Landes, die Frage, wie verhindern wir eine Politik zu Lasten kommender Generationen. Für die steht das gescheiterte Minderheitskabinett von Frau Kraft. Und deswegen muss das erste Ziel sein, eine rot-grüne Schuldenmehrheit zu verhindern. Dass für uns es wünschenswert ist, dass die FDP wieder zu Kräften kommt, habe ich deutlich zum Ausdruck gebracht. Es bestehen da auch alle Chancen. Ich halte es für völlig verfrüht, hier so zu tun, als sei das sozusagen ausgemacht, dass die FDP verschwindet. Nein! Gleichzeitig gilt: Jede Partei wirbt für sich selbst und wir werden dadurch, dass wir gemeinsam gut für dieses Land in Berlin arbeiten, einen Beitrag dazu leisten können, dass die FDP wieder zu Kräften kommt. Es zeigt sich ja gerade an der Zustimmung zu Annegret Kramp-Karrenbauer, an den hohen Zustimmungswerten für die Bundeskanzlerin, dass Arbeit für dieses Land das richtige Erfolgskonzept ist und wichtiger als kurzfristiges Schielen auf aktuelle Umfragen.

    Armbrüster: Ihr Koalitionspartner, der FDP-Parteichef Philipp Rösler, hat die CDU jetzt in einem Interview als eigentlich sozialdemokratische Partei bezeichnet, die mit der SPD inzwischen einen Einheitsbrei bilde. Ist das inzwischen normaler Umgangston innerhalb der Koalition?

    Gröhe: Na ja, man spürt eben schon manche Nervosität des Wahlkämpfers, die sich ja jedenfalls bisher auch erkennbar nicht auszahlt. Wir werden jetzt darauf nicht unsererseits mit Polemik antworten. Wir spüren, dass Vertrauen wächst in dem Maße, wo klar ist, es geht um das Land, es wird konsequent gearbeitet. Wer das tut, hat es gar nicht nötig, schlecht über andere Parteien, schon gar nicht über den eigenen Koalitionspartner zu reden. Im Übrigen kann man jeden Tag an unserer Politik sehen, dass die SPD für Schulden und mehr Staat an jeder Ecke steht, während wir einen starken, aber einen gesunden Staat, das heißt ein Ende der Verschuldenspolitik wollen. Die Unterschiede zwischen SPD und CDU sind da offenkundig, daran ändert auch die eine oder andere Wahlkampfäußerung nichts.

    Armbrüster: Vielleicht finden wir noch eine weitere Gemeinsamkeit. Andrea Nahles von der SPD hat uns hier im Deutschlandfunk vor gut einer halben Stunde gesagt, dass ihre Partei, die SPD, einige der Themen verpasst hat, mit denen jetzt die Piratenpartei Prozentpunkte holt. Gilt dieses Verpassen auch für die CDU?

    Gröhe: Ich denke weniger an die wenigen erkennbaren Inhalte der Piratenpartei. Aber wenn gerade männliche Erstwähler in solchen Scharen zu einer Partei rennen, die eine Kombination ist von speziellen Themen der Netzpolitik, von einem Ruf in Sachen Transparenz und Bürgerbeteiligung, auch von einem Protest, dann muss das allen Parteien zu denken geben. Ja das nehmen wir ernst. Wir müssen daran arbeiten, wie wir in wichtigen politischen Feldern mit frühzeitiger Bürgerbeteiligung, mit mehr offensivem Zugehen auf die Menschen in diesem Land verhindern, dass dort sozusagen Protest als Ausweg allein gesehen wird. Insofern muss für jede Partei gerade dieses Jungwählerergebnis der Piratenpartei der Anlass sein, auch zu überprüfen, wo wir besser werden müssen.

    Armbrüster: Herr Gröhe, zum Schluss noch ein ganz anderes Thema und ich bitte um eine wirklich kurze Antwort. "Der Spiegel" schreibt, die Bundesregierung sei fest entschlossen, den Rahmen des permanenten Euro-Rettungsschirms auszuweiten. Auch die deutsche Haftungsgrenze von 211 Milliarden Euro wird dann wohl erhöht. Ist die Meldung korrekt?

    Gröhe: Nein, und die Entscheidung wird ja auch am Wochenende dann erst anstehen unter den Finanzministern. Wir ziehen den permanenten Rettungsschirm in seiner Ausgestaltung vor. Und das, worum es allenfalls gehen kann, ist, ob dadurch es zu einem zeitweisen Nebeneinander des vorläufigen Rettungsschirms und des permanenten Rettungsschirms kommen kann. Entscheidend ist, dass jede Summe aus diesem Haftungsrahmen durch einen eigenständigen Beschluss des Bundestages für jedes einzelne Programm erst gleichsam freigeschaltet werden muss. Also da entscheidet über jedes einzelne Programm und damit den Haftungsrahmen der Deutsche Bundestag - dabei bleibt es.

    Armbrüster: Sagt Hermann Gröhe, der Generalsekretär der CDU. Besten Dank für das Interview, Herr Gröhe, heute Morgen.

    Gröhe: Ich danke Ihnen, Herr Armbrüster.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.