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Größer, intensiver, industrialisierter?

Die deutsche Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) zählt mit 20.000 Mitgliedern zu den Spitzenverbänden des Agrar- und Ernährungsbereichs. So stellt sich die DLG eine nachhaltige Landwirtschaft der Zukunft vor.

Von Dieter Nürnberger | 06.01.2010
    Die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft hat heute - im Vorfeld ihrer Wintertagung und auch im Vorfeld der Grünen Woche, der weltgrößten Ernährungs- und Agrarmesse, die nächste Woche in Berlin startet - Position bezogen. Es geht um Nachhaltigkeit in der Agrarwirtschaft und es geht um die Herausforderungen in einer globalisierten Welt. Und im Kern geht es natürlich auch um das Selbstverständnis einer Branche. Die Ernährungssicherung der Weltbevölkerung steht natürlich ganz oben auf der Prioritätenliste - die Problematik dabei ist auch schnell umrissen: Denn laut Berechnungen der Welternährungsorganisation FAO erfordere das rasche Wachstum der Weltbevölkerung eine Verdopplung der Lebensmittelproduktion bis zum Jahr 2050. Carl-Albrecht Bartmer ist der Präsident der DLG.

    "Wir müssen in der Lage sein, auf vorhandenen Flächen mehr zu ernten. Und zwar so zu ernten, dass es nicht nur unsere Generation kann, sondern auch die nächsten Generationen mehr ernten können. Wir müssen nachhaltig mehr ernten können. Das werden wir nicht mit den Technologien der Vergangenheit erreichen, sondern nur dann, wenn wir auch innovativ sind."
    Die Positionen der Landwirtschaftsgesellschaft sind mit dem Satz überschrieben: "Landwirtschaft ist eine Zukunftsbranche, weil sie unternehmerisch, innovativ und verantwortungsvoll ist". Was dies - aus Sicht der DLG - genau heißt, macht Bartmer am Beispiel der Pflanzenzüchtung fest.

    "Eine Pflanze, die besser Nährstoffe aufnehmen kann, die besser Wasser aufnehmen kann, weil sie gesündere und stärkere Wurzeln hat, ist für mich ein Fortschritt. Das heißt, Züchtung ist eine große Herausforderung. Hier sollten wir uns in einem offenen gesellschaftlichen Dialog über Fragen und Methoden der Züchtung auseinandersetzen. Wir brauchen in diesem Prozess Schnelligkeit. Die Entwicklung einer klassischen Sorte dauert zwischen acht und zehn Jahren. Wir müssen aber Zuchtfortschritte künftig schneller umsetzen."

    Aus dieser Äußerung kann man schon heraushören, dass sich die DLG der grünen Gentechnik nicht verschließen will. Man fordert hier einen konstruktiven und auch vorurteilsfreien Dialog. Beim Thema Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft gehe es vor allem darum, Fortschritte in der Produktion mit den Anforderungen an eine umweltgerechtere Praxis zu verbinden. Carl-Albrecht Bartmer kennt natürlich auch die Diskussionen über Lebensmittelproduktionen und deren jeweiligen Ausstoß an klimaschädlichen Gasen, allen voran Kohlendioxid, CO2. Doch auch hier könne die Antwort nur technischer Fortschritt bedeuten.

    "Auch hier findet Fortschritt in den Ställen statt. Es ist uns gelungen, heute mit weitaus weniger Futtermitteln die gleiche Menge tierischer Lebensmittel zu produzieren. Auch hier ist also die Zugänglichkeit von technischem Fortschritt essenziell, um auch Lebensmittel nachhaltiger und mit geringerem "CO2-Fußabdruck" zu produzieren."

    Generell, so Bartmer, der Präsident der DLG, müsse die Existenzgrundlage ländlicher Räume eine wirtschaftliche sein. Strukturen und Technologien seien in diesem Sinne stets weiterzuentwickeln. Die Politik müsse dafür die notwendigen und verlässlichen Rahmenbedingungen setzen. Und zu diesen Rahmenbedingungen müsse auch die Forschung gehören, eine Forschung, die letztendlich auch der Nachhaltigkeit zugute käme. Doch gerade hier sieht der DLG-Präsident Nachholbedarf in Deutschland.

    "Wir haben einen extremen Rückgang der angewandten Forschung, Feldversuchswesen wird überall in Deutschland massiv zusammengestrichen. Hier fehlen die finanziellen Mittel. Gleichzeitig wissen wir aber, dass die künftigen Fragestellungen immer komplizierter werden. Es besteht hier also ein Bedarf."

    Die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft will mit diesem heute vorgestellten Positionspapier natürlich eine breite Diskussion entfachen. Und es ist anzunehmen, dass diese Debatte natürlich gerade auf der grünen Woche eine Rolle spielen wird.