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Größte Fliegenklatsche der Welt

Technik. - Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt führte unlängst ein ungewöhnliches Experiment durch: Im Tiefflug rasten die Forscher in einem Airbus über Sachsen-Anhalt. Dabei versuchten sie, mit der Maschine möglichst viele Insekten zu erwischen. Die Ergebnisse sollen helfen, besonders spritsparende Flugzeuge zu entwickeln.

Von Piotr Heller | 26.09.2013
    Der Spätsommer in diesem Jahr war keine gute Zeit für Insekten. Zumindest für die, die über dem Flughafen Magdeburg-Cochstedt umherschwirrten. Denn dort flogen Forscher des Deutschen Zentrums für Luft und Raumfahrt mit einem Airbus A320 über die Graspiste. Bis zu 30 Mal am Tag mit etwa 300 Kilometern pro Stunde in nur 15 Metern Höhe. Der A320 diente als fliegende Fliegenklatsche.

    "Die Flugversuche haben wir mit dem DLR-Forschungsflugzeug Atra durchgeführt. Hierbei wurden verschiedene Bereich an der Flügelvorderkante mit speziellen Folien beklebt und diese Folien wurden dann im Flug durch Insekten verunreinigt","

    erklärt Dominic Gloß, der Leiter dieses Projekts. Auf den Folien an den Flügeln bot sich ihm und seinen Kollegen ein Bild, wie es viele von einer langen Fahrt auf der Autobahn her kennen.

    ""Man kann sich das sehr gut mit der Windschutzscheibe vorstellen, ähnlich sahen die Folien aus. Das heißt, wenn man einen Bereich von zehn Quadratdezimetern betrachtet, hat man fünf bis zehn Einschläge. Je näher man da nach vorne an diese Flügelvorderkante geht, desto mehr Einschläge sind dort zu finden."

    Diese Insektenreste untersuchten die Forscher mit 3D-Mikroskopen und so genannten Perthometern. Diese Messgeräte tasten die mit toten Insekten verunreinigten Folien Stück für Stück ab und bestimmen so die Rauheit der Oberfläche.

    "Die Information, an welcher Stelle die Insekten nun bei unseren Flugversuchen kleben, sind wichtig, um unsere Computermodelle zu kalibrieren, damit wir später im numerischen Entwurf im Rechner Insekten einbringen können und dann sehen, wo sie am Flugzeug beziehungsweise konkret am Flügel auftreffen."

    Der Aufwand mit Tiefflügen, Messungen und Computermodellen hat ein simples Ziel: Das Zentrum für Luft und Raumfahrt will Flugzeuge spritsparender gestalten. Dazu erforscht man dort so genannte Laminarflügel. Laminar bedeutet: Die Luft strömt gleichmäßig und enganliegend über fast den gesamten Flügel. Sie verwirbelt dabei nicht. Das senkt den Luftwiderstand und damit den Treibstoffverbrauch. Um das zu erreichen, muss die Tragfläche eine bestimmte Form haben und besonders glatt sein. Gloß:

    "Unebenheiten wie Stufen, Spalten Nietköpfe und eben auch Insektenreste würden hier die Grenzschicht stören und dann dafür sorgen, dass die Strömung von laminar zu turbulent umschlägt."

    Die Stufen und Nietköpfe, die heute die Außenhaut von Flugzeugen bestimmen, könnte man vermeiden, indem man Flügel aus modernen Materialien wie Kohlefasern gestaltet. Das Insektenproblem muss man anders lösen. Gloß und sein Team arbeiten mit ihren Computermodellen daran, einen Insektenschutz für die Flügel zu konstruieren. Die Klappen an den Vorderkanten der Flügel, die so genannten Slats, sollen dabei eine entscheidende Rolle spielen.

    "Wenn man im Flugzeug sitzt und einen der aus meiner Sicht interessantesten Sitzplätze hat, nämlich am Fenster, dann kann man bei Start und Landung eine Vielzahl von Klappen beobachten, die sich bewegen. Neben den Steuerklappen findet man besondere Flügelvorderkanten- und auch Hinterkanten-Klappen, die individuell ein und aus gefahren werden können."

    Bisher verändern die Klappen lediglich das Profil und die Fläche der Flügel. So sorgen sie bei Start und Landung für mehr Auftrieb. Gloß:

    "Da die Insekten ausschließlich in niedrigen Flughöhen zu finden sind und das Flugzeug bei Start und Landung treffen, wollen wir diese Klappen nutzen, um diesen ursprünglichen Einsatzzweck um die Eigenschaft des Mückenschutzes zu erweitern. Dies kann man tun, indem man die Slats ausfährt und damit eine Art Schutzschild vor den Flügel stellt."

    Es gibt zwei Arten, wie diese Schilde vor Insekten schützen könnten: Entweder sie schirmen die Vorderseite der Flügel komplett ab oder sie leiten die Luft so an den Flügeln vorbei, dass keine Insekten mehr kleben bleiben. Dominic Gloß will über das Design der Schilde noch nichts verraten. Er wartet die Auswertung der Tiefflüge über Magdeburg-Cochstedt ab. Und die wird voraussichtlich einige Monate dauern.