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Großbritannien
Brexit-Befürworter fühlen sich durch Ceta-Streit bestätigt

Dass der Weg zum Ceta-Deal lang und schwierig war, in dieser Bewertung sind sich in Großbritannien die Brexit-Befürworter und -Gegner einig. Die "Brexiteers" fordern aber nun, dass man auch deshalb die EU am besten sofort verlassen sollte - ohne den formellen Prozess einzuhalten.

Von Friedbert Meurer | 31.10.2016
    Eine Modellfigur steht am 24.10.2016 in Schwerin (Mecklenburg-Vorpommern) vor dem Schriftzug Ceta der auf einem Computerdisplay zu sehen ist (gestelltes Foto).
    Ceta wird auch in Großbritannien diskutiert. (dpa-Zentralbild)
    London, die Vertretung der EU-Kommission am Smith Square, kaum mehr als 200 Meter vom Parlament entfernt. Es ist Donnerstag früher Nachmittag und die Teilnehmer der Konferenz diskutieren, wie wohl die Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien nach Artikel 50 ablaufen könnten. Dann leuchten die Breaking News auf den Smartphones auf: Belgien stimmt jetzt doch CETA zu, dem Handelspakt der EU mit Kanada.
    Ein hörbares Aufatmen folgt, die Erleichterung ist zu spüren. Die Brexiteers im Land hatten sich schon bestätigt gefühlt: Die EU ist gelähmt, alleine können wir Briten viel besser und schneller Handelsverträge abschließen.
    "Für mich lehrt das etwas ganz anderes", meint Sir Stephen Wall in der Pause, er war Berater von David Cameron und hält den Brexit für einen Fehler. "Was die Verhandlungen zwischen uns und unseren EU-Partnern angeht über unser zukünftiges Verhältnis: Jede Regierung muss ein Abkommen billigen und dann die nationalen Parlamente. Es müssen alle Mitgliedsstaaten zustimmen. Der Kanada-Deal hat jetzt gezeigt, wie schwer das wird. Und das ist wenig im Vergleich zu dem, was wir bei Handel und Finanzdienstleistungen wollen."
    Brexiteers wollen direkten Austritt aus der EU
    Die Hardliner unter den Brexiteers interpretieren den Verhandlungsmarathon zwischen EU und Kanada sogar ähnlich, kommen aber zu einem entgegengesetzten Schluss: Wir gehen am besten sofort raus aus der EU, ohne das über Artikel 50 zu beantragen.
    "Ich glaube nicht, dass unsere Regierung das tun wird. Sie würde damit internationales Recht verletzen. Theresa May hätte enorme Probleme, dafür eine Mehrheit im Parlament zu erhalten. Wir werden den gesetzlichen Weg über Artikel 50 gehen."
    In der Tat: Auch Premierministerin Theresa May selbst hat schon mehrmals versichert, dass London sich an die EU-Verträge und die vorgegebenen Regeln halten will. Ihr Handelsminister Liam Fox, ein überzeugter Brexiteer, warb derweil im Europaausschuss des Unterhauses für Ceta. Vorsitzender des Europa-Ausschusses ist William Cash, der glühendste EU-Gegner der Konservativen überhaupt, der auch TTIP und Ceta sehr kritisch gegenüber steht.
    "Es hat Demonstrationen gegen Ceta auf den Straßen gegeben", so eröffnet Cash die Sitzung, um dann den Handelsminister zu rüffeln, dass der nur eine knappe Stunde Zeit habe.
    Fox verspricht, länger zu bleiben. "Es tut mir leid, dass der zeitliche Ablauf es nicht möglich gemacht hat, dass wir erst im Unterhaus Ceta debattieren, bevor wir im EU-Rat entscheiden. Aber meine Beamten klären gerade, dass wir das wahrscheinlich im November nachholen."
    Ceta-Bedenken auch in Großbritannien
    Auch unter den Mitgliedern des Europaausschusses gibt es Bedenken gegen Ceta. Was ist mit den internationalen Schiedsgerichten, können sie das britische Parlament faktisch aushebeln?
    "Es ist eine gute Vereinbarung, die gut für Wachstum und Arbeitsplätze bei uns ist. Wir gewinnen jährlich geschätzt 1,3 Milliarden Pfund, solange wir Mitglied der EU sind."
    In Großbritannien gibt es zwar auch Proteste gegen Ceta und noch mehr gegen TTIP, das Handelsabkommen der EU mit den USA. Aber politisch hat der freie Handel hier noch relativ viele Fürsprecher. Die Freihandelsgegner wie Europaausschuss-Chef William Cash sind bei den Tories in der Minderheit.
    "Theresa May sollte aus der Ceta-Geschichte zwei Schlussfolgerungen ziehen", rät Andrew Cahn, ein ehemaliger Chef der britischen Wirtschaftsfördereinrichtung UK Trade and Investment. "Erstens, die EU braucht sehr lange, bis etwas ratifiziert ist. Zweitens sollten wir besser selbst Handelsverträge abschließen. Das Problem ist, dass das fünf bis zehn Jahre dauert. Wir müssen uns auf den Übergang konzentrieren. Er wird für uns sehr schwierig werden."