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Großbritannien fünf Jahre nach dem Beginn des Irak-Kriegs

In der Nacht vom 19. auf den 20. März 2003 begann die US-geführte Invasion in den Irak. Damals waren 45.000 britische Soldaten an der Seite von mehr als 250.000 Amerikanern im Einsatz. Inzwischen sind noch etwa 4200 Briten im Irak stationiert. Auch sie sollen zurückkehren, forderten jüngst einige tausend Demonstranten in der Hauptstadt London. Zum fünften Jahrestag werden im Königreich außerdem die Forderungen nach einem Untersuchungsausschuss laut. Aus London berichtet Martin Zagatta.

19.03.2008
    Millionen sind es nicht mehr. Fünf Jahre nach der Invasion kommen auch in Großbritannien nur noch wenige Tausend, um gegen den Krieg und die Irak-Politik zu demonstrieren. Der Protest ist Frust gewichen. Selbst die konservative Opposition, die den umstrittenen Militäreinsatz immer unterstützt hat, drängt nun darauf, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss einzusetzen, endlich aufzuklären, was schief gelaufen ist.

    "Wenn wir eine solche Untersuchung nicht jetzt starten, fünf Jahre nach dem Beginn des Krieges, wann um Himmelswillen dann ?", fragt William Hague, der frühere Chef der Tories. Britanniens Konservative wollen nächste Woche die Einsetzung eines Parlamentsausschusses beantragen. Er soll auch der Frage nachgehen, wie es zu der umstrittenen Invasion gekommen ist, bei der bis heute auch mehr als 170 britische Soldaten ums Leben gekommen sind und die mit einer Bedrohung durch irakische Massenvernichtungswaffen begründet wurde. Der Vorwurf: der damalige Premierminister Tony Blair habe seine Landsleute getäuscht, um US-Präsident Bush blindlings in den Krieg zu folgen. Peter Hennessy, Professor für Zeitgeschichte an der Londoner Queen Mary-Universität, spricht jedenfalls von der größten Fehlentscheidung eines britischen Kabinetts seit dem Zweiten Weltkrieg - ein Vorwurf, den die frühere Außenministerin Margaret Beckett, damals vor fünf Jahren Staatssekretärin, zurückweist.

    "Peter Hennessy ist ein ausgewiesener Experte - aber er war ja nie Mitglied in einem Kabinett. Und die Leute übersehen, dass doch alle Geheimdienste der Welt geglaubt haben, dass Saddam Hussein über Massenvernichtungswaffen verfügt. Beweise dafür haben wir letztendlich aber nicht gefunden. Und das hat im Nachhinein auch alle Erinnerungen gefärbt."

    Die Bewertung des Irak-Krieges jetzt einem Untersuchungsausschuss zu überlassen, lehnt Gordon Brown allerdings ab. Solch ein Parlamentsgremium soll nach dem Willen des Premierministers erst dann seine Arbeit aufnehmen, wenn die britischen Truppen wieder vollständig abgezogen sind. Derzeit sind noch knapp 4200 Soldaten ihrer Majestät im Irak im Einsatz. Ob Brown die Untersuchung aber verhindern kann, ist fraglich, und auch sein Versuch, Informationen über die beiden Kabinettssitzungen damals unmittelbar vor der Kriegsentscheidung weiterhin geheim zu halten, könnte scheitern. Die britische Informationsbehörde hat gerade angeordnet, die brisanten Sitzungsprotokolle freizugeben, was peinlich werden könnte für den Premierminister. Schließlich sehen viele seiner Anhänger in Gordon Brown eher einen Kriegsgegner. Der frühere Schatzkanzler soll den Feldzug den Dokumenten zufolge aber keineswegs abgelehnt haben, sondern ganz im Gegenteil: er habe die Entscheidung Tony Blairs für den Truppeneinsatz, so heißt es, im Kabinett voll und ganz mitgetragen.

    "Der Irak habe die Briten gespalten. Er übernehme seine Verantwortung für die gemeinsamen Entscheidungen des Kabinetts, seiner Meinung nach die richtigen Entscheidungen", so äußert sich Brown zurückhaltend, seit er im vergangenen Jahr das Amt des Premierministers übernommen hat. Zwei Wochen hat die Regierung nun noch Zeit, die Freigabe der Irak-Protokolle vor Gericht anzufechten. Macht sie das, was als wahrscheinlich gilt, und wehrt sie sich auch weiterhin gegen einen Untersuchungsausschuss, dann setzt sich nach Tony Blair aber nun auch Gordon Brown dem Verdacht aus, die Wahrheit über den Irak-Krieg vertuschen zu wollen.