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Großbritannien
Schicksalstage für Theresa May

Die britische Premierministerin Theresa May ist zusehends isoliert - vor allem in der eigenen Partei. Mit ihren jüngsten Vorschlägen zum Brexit hat sich May ins Abseits manövriert. Bei den Tories werden die Rufe nach einem Rücktritt immer lauter. Ansonsten droht ein weiteres Misstrauensvotum.

Von Tobias Armbrüster | 24.05.2019
Die britische Premierministerin Theresa May verlässt nach den vorgezogenen Neuwahlen die Zentrale der konservativen Partei.
Der Widerstand unter den Tories gegen Theresa May ist in den vergangenen Tagen weiter gewachsen (imago/Xinhua)
Es wird wahrscheinlich der entscheidende Tag für Theresa May – der Tag, der Klarheit bringt über ihren Rücktritt. Sie wird am Nachmittag Graham Brady treffen– der ist so etwas wie der Anführer der Konservativen Hinterbänkler im Britischen Parlament. Und die, die Hinterbänkler, haben seit Wochen immer wieder klar gemacht, dass sie kein Vertrauen mehr haben in Theresa May und in ihre Brexit-Politik. Der Tory-Abgeordnete John Wittingdale ist einer von ihren vielen Kritikern in der Partei:
Theresa May ist regelrecht an ihren eigenen Brexit-Deal gekettet, jeder andere hätte längst die Realität akzeptiert – und die sagt eben, dass dieser Deal nicht durchs Parlament kommt – Theresa May sieht das nicht ein, deshalb brauchen wir einen anderen an der Spitze.
Viele Torries lehnen zweites Referendum ab
Theresa May wird bei dem Treffen heute vermutlich vor die Wahl gestellt: Entweder sie nennt ein genaues Rücktritts-Datum und macht selber den Weg frei, möglichst bald – oder die Fraktion bringt ein Misstrauensvotum auf den Weg. Und das würde Theresa May politisch nicht überleben.
Der Widerstand gegen sie ist in den vergangenen Tagen noch einmal gewachsen, auch frühere Verbündete wenden sich von ihr ab. Grund dafür ist ihr jüngster Plan für ein Austritts-Abkommen. Dieser Plan sieht auch eine Abstimmung im Unterhaus über ein zweites Referendum vor. Das ist ein rotes Tuch für viele Tories.
Pannen bei Europawahl in Großbritannien
Auch für Andrea Leadsome, bis vorgestern war sie noch Ministerin, aber sie wollte diesen Brexit-Kurs nicht länger mitmachen. Deshalb ist sie zurückgetreten – sie bereue das nicht sagt sie, und sie wünscht Theresa dass sie jetzt das richtige tut – für sich und für das Land.
In diesem politischen Streit um die Regierungschefin sind die Europa-Wahlen gestern fast untergegangen. Wahlen finden in Großbritannien ja immer donnerstags statt. Diese EU-Wahlen könnten allerdings ein Nachspiel haben. Denn im Laufe des Tages wurde gestern bekannt, dass vermutlich Tausende von EU-Ausländern in Großbritannien ihre Stimme im Wahllokal nicht abgeben durften. Ihre Anträge für einen Wahlschein waren nicht bearbeitet worden. Der Spanier Caldo Kasla ist einer von denen, die ohne zu wählen nach Hause gehen mussten:
"Ich bin immer noch sauer. Die Ironie ist doch, dass ich auch in meiner ursprünglichen Heimat hätte wählen können, ganz problemlos. Aber das wollte ich nicht, ich will da wählen wo ich zuhause bin, und das ist in London."
Wahlumfragen sagen Desaster für May voraus
Die britische Wahlkommission hat bereits angekündigt, dass sie sich diese Wahlbeschwerden von EU-Ausländern noch einmal genau ansehen wird. In jedem Fall bleibt diese Wahl ein Klotz am Bein von Theresa May. Denn wenn die Stimmen am Sonntagabend ausgezählt werden - dann sagen die meisten Umfragen ein Desaster für die Tories voraus. Aber möglicherweise ist die Zeit der Premierministerin in Downing Street bis dahin schon abgelaufen.