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Grosse Koalition
"Der Koalitionsvertrag ist ein reiner SPD-Vertrag"

Sie sehe es sehr kritisch, dass die Ministerien für Wirtschaft und Arbeit in die Hände der SPD gegeben wurden, sagt Lencke Wischhusen, Vorsitzende des Bundesverbandes Junger Unternehmer. Es könne nicht sein, dass der Fokus nur noch auf Umverteilung und Sozialem liege.

Lencke Wischhusen im Gespräch mit Martin Zagatta | 16.12.2013
    Martin Zagatta: Mit sehr viel Skepsis hat ja die deutsche Wirtschaft die Koalitionsverhandlungen begleitet. Ob sich das etwas gelegt hat, dadurch, dass Wolfgang Schäuble Finanzminister bleibt, darüber und über die neue Kabinettsliste wollen wir jetzt mit Lencke Wischhusen sprechen, Vorsitzende des Bundesverbandes Junger Unternehmer. Guten Tag, Frau Wischhusen.
    Lencke Wischhusen: Guten Tag, Herr Zagatta.
    Zagatta: Frau Wischhusen, Ihre ersten Ansprechpartner sind ja der Wirtschaftsminister und die Arbeitsministerin, und das sind Sigmar Gabriel und Andrea Nahles, ja keine Politiker, die in der Wirtschaft großes Vertrauen genießen. Wie sehen Sie da der Zusammenarbeit jetzt entgegen? Das müssen Sie doch relativ pragmatisch angehen.
    Wischhusen: Ja absolut. Generell, denke ich, sollte man die Sache schon positiv angehen, obgleich wir uns da sicherlich anderes gewünscht hätten. Ich bin durchaus auch gespannt, was da Frau Nahles und Herr Gabriel vorhaben. Der Koalitionsvertrag ist ja doch so ausgestaltet, dass es eine reine Politik des Geld ausgebens wird. Es werden wahrscheinlich Beiträge erhöht werden und es steht alles im Zeichen der Umverteilung und der sozialen Wohltaten. Für mich wurde die CDU da massiv kastriert. Ich weiß nicht, warum sie das gemacht haben. Aber diese Hauptministerien in die Hand der SPD zu geben, sehe ich als Unternehmerin sehr, sehr kritisch, und ich hoffe, dass da der Wirtschaftsflügel noch ein bisschen stärker repräsentiert wird und dass sie sich darauf einigen, dass bei gewissen Dingen auch Ausnahmen geschaffen werden müssen, wenn wir an den Mindestlohn zum Beispiel denken.
    Keine Vision im Koalitionsvertrag
    Zagatta: Glauben Sie denn da an einen Draht zu Sigmar Gabriel und zu Frau Nahles? Die eine ist ja relativ jung noch, ist junge Mutter, der andere war mal Pop-Beauftragter. Das müsste doch jungen Unternehmern oder Ihnen eine Gesprächsbasis liefern.
    Wischhusen: Von Zukunft und von Vision, finde ich, ist in diesem Koalitionsvertrag überhaupt nichts zu sehen. Dass Frau Nahles zu den Jüngeren gehört, ist ja durchaus auch ein Zeichen, denn meines Erachtens sind die jungen Politiker komplett unterrepräsentiert in dieser neuen Koalition. Mir fehlt einfach das Visionäre, und auch wenn Frau Nahles noch recht jung ist, fehlen mir die Konzepte für die kommenden Generationen, denn das, was an Geld ausgeben dort passiert und was an Wahlgeschenken jetzt auch umgesetzt wird, sei es die Lebensleistungsrente, die Mütterrente oder auch eine Rente ab 63, das sind alles Dinge, die sind eher für die ältere Wählerschaft. Und was ist mit der Generationengerechtigkeit? Die bleibt völlig auf der Strecke.
    Zagatta: Da will jetzt Wolfgang Schäuble zumindest garantieren, dass es keine Steuererhöhungen geben soll. Das ist ja auch schon was, oder?
    Wischhusen: Sein Wort in Gottes Ohr und ich hoffe, dass er daran festhängt und daran auch festhalten kann. Nur die Frage ist natürlich, ob ein Herr Schäuble sich da durchsetzen kann gegen die teueren Pläne, die Herr Gabriel und Frau Nahles ja auch nun möglichst schnell umsetzen wollen, wie wir gehört haben.
    Zagatta: Haben Sie da Zweifel?
    Wischhusen: Ja! - Klares Ja! Ich vertraue Herrn Schäuble und ich finde, dass er wirklich da einen guten Job macht, aber die Frage ist wirklich, ob er das hinbekommt, dieses Personal-Tableau, so wie es jetzt aussieht, da den Mann zu stehen und das durchzuhalten ohne weitere Steuererhöhungen.
    Außnahmen bei Mindestlohn gefordert
    Zagatta: Sie haben es ja schon angesprochen, auch die Koalitionsverhandlungen, dass Sie da sehr enttäuscht sind. Der Mindestlohn wird kommen, die Union hat dem jetzt auch zugestimmt. Ist die Wirtschaft, sind denn Unternehmen - Sie kennen sich da aus - darauf jetzt schon eingestellt?
    Wischhusen: Ich glaube, dass die Familienunternehmen in der Regel nicht davon betroffen sind, da eine Reihe von Familienunternehmen einfach ihre Mitarbeiter dementsprechend bezahlen. Dennoch gibt es viele Einsteigerjobs und da ist es wichtig, Ausnahmen zu schaffen. Ich sehe große Gefahr bei den 50.000 Schulabbrechern, die wir immer noch haben, bei einer Reihe von Geringqualifizierten, denn die haben ab morgen dann keine Chance mehr auf dem Arbeitsmarkt und da sehe ich große Gefahr, dass wir die verlieren, und die positiven Zahlen, die wir im Moment haben, die Rekordbeschäftigung, dass wir da wieder zurückgehen auf schlechtere Zeiten, und das darf nicht passieren. Ich denke, es ist wichtig, dass der Mindestlohn so ausgestaltet wird, dass Ausnahmen für Azubis und für Geringqualifizierte geschaffen werden, damit wir die nicht auf der Strecke verlieren.
    Zagatta: Wenn Sie für Familienunternehmen sprechen, oder auch jetzt gerade für die jüngeren Unternehmer, was ist denn mit den Ausgaben, mit den Sozialausgaben, die da ansteigen, was schon angekündigt wird? Wie sehr belastet Sie das? Kann man das wegstecken in dieser guten Konjunktur?
    Wischhusen: Na gut, wir gehen ja immer davon aus, dass es jetzt so weitergehen wird. Diese Tage sind ja dann dementsprechend auch gezählt und wir gehen davon aus, dass die Konjunktur immer so weitergeht. Wir sind derzeit in einer Art Wirtschaftswunder, und das Geld, was wir über haben, wird jetzt wegverfrühstückt, und das sehe ich als Gefahr an. Denn den kurzfristigen Überschuss, den wir derzeit generieren, den können wir nicht langfristig ausgeben, und genau das ist aber das, was passiert. Wir haben gerade wieder eine Quartalsumfrage gemacht und da sind tatsächlich 57 Prozent von uns, die die größte Sorge haben bei dem Anstieg der Sozialabgaben, denn wir zahlen immer doppelt.
    "Wirtschaft unterrepräsentiert"
    Zagatta: Frau Wischhusen, Sie selbst haben die Frage vorhin ja schon gestellt, haben Sie nicht beantwortet. Wie erklärt man sich, dass der Wirtschaftsflügel der Union da offenbar so an Bedeutung verloren hat? Sie stehen doch mit diesen Leuten regelmäßig in Kontakt. Wie erklären Sie sich das?
    Wischhusen: Ehrlich gesagt habe ich da auch keine Antwort drauf. Ich hoffe darauf, dass die Wirtschaftspolitiker sich da einbringen und dass der Wirtschaftsflügel wieder an Macht und auch an Bedeutung gewinnt, denn die Wirtschaft ist im Prinzip häufig der Schlüssel für unseren Erfolg, den wir generieren, und sorgt dafür, dass wir Beschäftigung haben, dass wir Investitionen in unser Land auch tätigen, und da kann es nicht sein, dass die dort so unterrepräsentiert sind und dass der Fokus nur noch auf Umverteilung und Soziales geht. Ich denke, der Koalitionsvertrag ist ein reiner SPD-Vertrag.
    Zagatta: Lencke Wischhusen, die Vorsitzende des Bundesverbandes Junger Unternehmer. Frau Wischhusen, danke schön, dass Sie sich die Zeit genommen haben.
    Wischhusen: Gerne. Schönen Tag!
    Zagatta: Ihnen auch!
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