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Große Nachfrage nach Kapitalspritze

In der größten Hilfsaktion ihrer Geschichte hat die Europäische Zentralbank Geldhäuser im Euroraum mit billigem Geld ohne Mengenbegrenzung und über eine Laufzeit von drei Jahre versorgt. Die Banken zeigten großes Interesse.

Von Brigitte Scholtes | 21.12.2011
    Billiges Geld ohne Mengenbegrenzung und das auch noch mit einer außergewöhnlich langen Laufzeit von drei Jahre versehen, mit dieser Maßnahme beschenkte die Europäische Zentralbank heute so kurz vor Weihnachten die Banken im Euroraum. Den Geldhäusern soll Sicherheit gegeben werden. Die Frage aber ist: Schielt die EZB mit der Kapitalspritze auch auf die Staatsanleihen der Krisenländer?

    Die Banken haben offensichtlich großen Appetit auf das billige Geld der EZB gehabt: 489 Milliarden und 200 Millionen Euro haben sie bei der EZB abgerufen. Dafür zahlen die 523 Institute, die das Angebot genutzt haben, für drei Jahre einen Zinssatz von einem Prozent. Beobachter hatten mit allenfalls 310 Milliarden Euro gerechnet. Damit scheint die Rechnung der Notenbank aufzugehen: EZB-Präsident Mario Draghi hatte zur Begründung dieses bisher größten Hilfsaktion ihrer Geschichte auf die Liquiditätslage der Banken verweisen, die sich im kommenden Jahr zu verschärfen drohe:

    "Dass wir die Annahme von Sicherheiten ausgedehnt haben, dass wir die Finanzierungsdauer ausgedehnt haben sollte Vertrauen geben und es sollte Sicherheit geben, dass das Bankensystem sich auch im nächsten Jahr refinanzieren kann. Denn dann werden viele Anleihen fällig, im ersten Vierteljahr allein solche im Volumen von 230 Milliarden Euro. Wir hoffen, dass wir mit der Verlängerung der Finanzierungsgeschäfte das Bankensystem in Zeiten schwerer Anspannung liquide halten können."

    Zu Beginn dieser Woche hatte die Notenbank in ihrem Finanzstabilitätsbericht gewarnt, die Krise habe systemische Ausmaße erreicht, wie sie seit dem Zusammenbruch von Lehman Brothers nicht mehr beobachtet worden seien. Jetzt könnten die Banken auch wieder mutiger sein und das Geld investieren, anstatt es nur bei der EZB zu parken, meint Rolf Schneider, Volkswirt der Allianz:

    "Da ist auch zu erwarten, dass zumindest im begrenzten Umfang wieder Staatsanleihen gekauft werden, wir haben in den letzten Tagen ja einige gute Signale gehabt, Spanien hat sich bei der Emission wieder leichter getan. Und das hängt sicherlich auch damit zusammen, dass sich Banken und andere Investoren überlegen müssen, ob sie die sehr attraktiven Renditen nicht doch nutzen zu einem Zeitpunkt wo sie sich sehr billig finanzieren können."

    Doch sei das nicht der Wendepunkt der Krise, warnen Volkswirte, dazu müssten erst die politischen Beschlüsse zu deren Lösung umgesetzt werden. Die EZB hofft auch, dass die Liquidität nicht nur zur Refinanzierung der Banken verwendet wird, sondern die Geldhäuser auch zur Kreditvergabe ermutigt werden.

    Immerhin: Die Sorge war unbegründet, die Banken hätten Hemmungen, das Angebot der EZB anzunehmen, weil sie nicht als schwach erscheinen wollten. Sie schätzen die Planungssicherheit über drei Jahre offenbar – zusammen mit der Flexibilität. Denn sie können dieses Geld auch nach einem Jahr schon zurückführen. Einige Experten haben zudem die Befürchtung, dass mit der zusätzlichen Liquidität von fast einer halben Billion Euro nun die Inflationsgefahr steigen könnte. Doch dieses Risiko sieht Allianz-Volkswirt Schneider auf kurze Sicht zumindest nicht:

    "Wenn wir irgendwann in der Zukunft - nicht im nächsten Jahr - wieder einen sehr kräftigen Aufschwung haben, dann werden mit einer solchen Liquiditätsausstattung auch Inflationsgefahren verbunden sein. Aber die Europäische Zentralbank hat genügend Zeit, mittelfristig die Liquidität wieder aus dem Markt zu nehmen."