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Großeinsatz im Hamburger Sachsenwald

Als Christian Klar 1982 verhaftet wurde, feierten die Fahnder dies als großen Erfolg. Polizei und Bundesanwaltschaft hielten Klar für den führenden Kopf der RAF und hofften, dass nun der "Deutsche Herbst" vor Gericht endgültig aufgeklärt werden könnte.

Von Oliver Tolmein | 16.11.2007
    Am 16. November 1982 waren im belebten Hamburger Sachsenwald mehr als 300 Polizisten im Einsatz, als ein Mann im blauen Trainingsanzug sich einem Erddepot näherte. Die RAF hatte hier Geld aus einem Bankraub versteckt. Der Mann war Christian Klar - zu diesem Zeitpunkt die Nummer eins auf der bundesdeutschen Fahndungsliste. Nach wenigen Minuten hatten ihn die Spezialkommandos ohne nennenswerten Widerstand überwältigt. Klar wurde zur Bundesanwaltschaft nach Karlsruhe geflogen, wo ihn der Ermittlungsrichter mit dem 25 Seiten langen Haftbefehl konfrontierte. Generalbundesanwalt Kurt Rebmannn meldete der Öffentlichkeit seinen großen Fahndungserfolg:

    "Die Festnahme von Christian Klar ist aus meiner Sicht für die Strafverfolgungsbehörden nach mancher Enttäuschung ein geradezu erlösender und für die Kommandos der RAF ein geradezu katastrophaler Schlag."

    Eine Woche vor Christian Klar waren den Fahndern bereits Adelheid Schulz und Brigitte Mohnhaupt ins Netz gegangen, die ebenfalls Pläne der damals 13 RAF-Depots bei sich hatten. Dass Klar dennoch versuchte, Geld aus einem der Verstecke zu holen, löste in den Medien Spekulationen aus: Klar, vermuteten manche, sei am Ende gewesen und habe seine Verhaftung in Kauf genommen. In einem Artikel kurz nach seiner Festnahme wurde aber auch seine zentrale Rolle für die RAF unterstrichen:
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    "Heute gilt der gerade Festgenommene als die Führungsfigur dieser 'zweiten Generation' der Roten Armee Faktion, welche die inzwischen toten Ulrike Meinhof, Andreas Baader, Jan Carl Rapse und Gudrun Ensslin abgelöst hat. Nahezu sämtliche Papiere, die im Laufe der letzten Jahre von den Fahndern sichergestellt worden sind, tragen Christian Klars Handschrift.""

    Für das Oberlandesgericht Stuttgart, das Christian Klar 1985 zu lebenslanger Haft verurteilte, stand fest, dass der damals 33-Jährige an der Ermordung des Dresdner-Bank-Chefs Jürgen Ponto und an der Entführung und Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer beteiligt war. Auf die Frage, wie genau der aus gutbürgerlichen Verhältnissen stammende Klar zur RAF gekommen war, wussten die Richter aber keine Antwort zu geben. In ihrem mehrhundertseitigen Urteil heißt es:

    "Der genaue Zeitpunkt, zu dem sich Christian Klar der RAF zuwandte, ließ sich nicht feststellen. Spätestens im Herbst 1976 war er als Mitglied der Gruppe um Haag und Mayer fest in die RAF eingebunden. Dort erfüllte er gruppenspezifische Aufgaben, wobei er sowohl die Zielsetzung, als auch die Mittel und Wege kannte, mit denen diese Vereinigung ihre kriminellen Ziele zu erreichen trachtete."

    Nach seiner Verurteilung wurde es stiller um Christian Klar. Die ihm nachfolgende Generation der RAF versuchte keine Gefangenenbefreiung mehr. Möglichkeiten, mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren, gab es lange Zeit nicht. Erst als sich Mitte der 90er Jahre das Ende der RAF abzeichnete, bekam auch Christian Klar die Chance, sich in den Medien zu äußern und dort als einer der wenigen aufzutreten, die den Griff der RAF zu den Waffen auch im Nachhinein für richtig hielten:

    "Es ist keine Sache von Radikalität, der Einsatz der Waffen, sondern eben überlegt, um der Opposition, die in der Minderheit ist, trotzdem das Mittel in die Hand zu geben zu zeigen, dass politische Veränderungen mit der Macht zusammenhängen."

    Als Klar dann nach über 24 Jahren Haft ein Gnadengesuch stellte, entspann sich daran eine scharfe Kontroverse über das Verhältnis von Gnade und Reue, denn die von vielen geforderte Reueerklärung oder ein Schuldeingeständnis für seine Taten wollte Klar nicht abgeben:

    "In dem politischem Raum vor dem Hintergrund unseres Kampfes sind das [Reue] keine Begriffe, gerade hier in den reichen Ländern, wo so viele Menschenleben nichts zählen. Vor der Trauer müsste sich sehr viel ändern."

    Bundespräsident Horst Köhler lehnte die Begnadigung schließlich ab. Heribert Prantl in der "Süddeutschen Zeitung" kommentierte kritisch:
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    "Aus der Diskussion über einen individuellen Gnadenakt war eine Debatte über das gesamte verbrecherische Kollektiv RAF geworden, gerade so, als müsse dieser Christian Klar stellvertretend hinter Gitter bleiben - stellvertretend für die RAF, stellvertretend für ihre unaufgeklärten Verbrechen und stellvertretend für die Täter, die nie verurteilt wurden."
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