Donnerstag, 18. April 2024

Archiv


Großer Erfolg der sowjetischen Raumfahrt

137 internationale Raumfahrer forschten auf ihr. Sie war 2431 Tage im Orbit und machte 86.325 Erdumrundungen. Die Rede ist von der Mir - der russischen bemannten Raumstation, die von den Sowjets 1986 ins All geschossen wurde.

Von Wolfgang Noelke | 19.02.2011
    Am 19. Februar 1986, zum Auftakt ihres 27. Parteitags gönnt sich die KPDSU ein großes Feuerwerk. Die 20,4 Tonnen schwere Basisstation der Mir hebt vom Weltraumbahnhof Baikonur ab. Die Mir - zu deutsch Frieden - war die erste, als Langzeitmission geplante Raumstation. Ein Prestigeobjekt, das der Sowjetunion nach dem verlorenen Wettlauf zum Mond internationales Ansehen verschaffen sollte. Bei ihrem Start ahnten die sowjetischen Machthaber noch nicht, dass die Existenz der Mir einst dazu beitragen würde, das gegenseitige Misstrauen zwischen Ost und West abzubauen. Bereits ein Jahr nach dem Ende der 1991 aufgelösten Sowjetunion besuchte der deutsche ESA- Astronaut Klaus-Dietrich Flade die noch unvollständig aufgebaute Station.

    Kurz darauf sendete der ebenfalls aus Westdeutschland stammende Thomas Reiter seine Videobotschaft zur Erde, aus einem ursprünglich für streng geheime militärische Spionagetechnik vorgesehenen Weltraum-Labor:

    "Hello! Welcome to my little living room, in the module ‘spektr'...”"

    Module heißen die etwa 13 bis 14 Meter langen röhrenförmigen Arbeitsräume, die nach dem Transport ins All neben- oder hintereinander zusammenbaut werden. Erst 1996 war die Mir mit insgesamt sieben Modulen fertig montiert, inzwischen auch mit einer Andock-Schleuse für US-amerikanische Weltraumfähren.

    137 internationale Raumfahrer testeten hier unter anderem, ob Menschen körperlich und psychisch die lange Reise zum Mars überstehen können. Sie erforschen, ob sich Flüssigkeiten in der Schwerelosigkeit besser vermischen, als im Labor auf der Erde oder - ob Kristalle im Weltraum schneller und dichter wachsen. Aufgrund dieser Erkenntnisse werden inzwischen mit Nanoteilchen beschichtete Fensterscheiben hergestellt, an denen kein Wassertropfen haften bleibt und leistungsfähigere Datenspeicher, wie USB-Sticks und Festplatten.

    Doch elf Jahre nach dem Start der Basisstation gibt es erste technische Probleme mit der Sauerstoffversorgung. Kurz darauf, am 25. Juni 1997, misslingt dem russischen Kommandanten das handgesteuerte Andockmanöver einer Raumkapsel. Die verfehlt den Andockstutzen, rasselt durch empfindliche, für die Stromversorgung der Mir wichtige Solarmodule und beschädigt das Wissenschaftsmodul Spektr. Zischend entweicht dort Atemluft in den Weltraum. Als die beiden Astronauten Alexander Lasutkin und der Amerikaner Michael Foale ihren leckgeschlagenen Arbeitsraum erreichen, ging bereits ein Drittel der lebenswichtigen Luft verloren:

    ""Der Luftdruck ist 602. Ja, wir verlieren Luft."

    Wenn die Astronauten das Leck nicht rechtzeitig finden, bleibt ihnen nur noch die Flucht in die Sojus-Rettungskapsel:

    "Uns blieben höchstens 24 Minuten Zeit. Spätestens dann, hätten wir in der Sojus-Kapsel sein müssen, falls wir es nicht geschafft hätten, das Leck abzudichten."

    Spektr ist das Hauptmodul für die Energieversorgung der Mir. Dicke Stromkabel führen durch die Luke. Foale und sein Kollege wählen die radikalste Lösung:

    "Die Klappe ist jetzt geschlossen. Wir haben alle Versorgungsleitungen getrennt."

    "Jetzt gibt es Alarm wegen der Unterspannung. Der Bordrechner arbeitet fehlerhaft ...
    Jetzt haben wir gar keinen Strom mehr."

    Auch ein extra von der Erde entsandtes Reparatur-Team schafft es nicht, das Leck vollständig zu stopfen. Dem reparierten Bordnetz wird künftig ein Drittel Energie fehlen.

    Noch viermal besuchten jeweils ein US-amerikanischer Spaceshuttle und eine russische Sojus- Kapsel die Mir, bevor Ende August 1999 alle Raumfahrer die Mir verließen. Im April 2000 kehrten ein letztes Mal zwei Russen zurück, in der Hoffnung die Mir wenigstens noch als Reiseziel für Weltraumtouristen zu erhalten. Doch wichtige Teile verrotteten bereits, wegen der jahrelangen Belastung mit feuchter Kosmonauten-Atemluft. So beschlossen die Betreiber schweren Herzens, die Mir über unbewohntem Gebiet abstürzen zu lassen. Am 23. März 2001, nach 2.431 Tagen im Orbit und 86.325 Erdumrundungen war es soweit.

    Bilder der Bordkamera zeigten im russischen Fernsehen, wie sich die Mir der Erde näherte, bis die Station in einer funkensprühenden Spur über dem Himmel der Fidschi-Inseln zerbrach.
    16 Minuten später versank ein nicht verglühter kleiner Rest der bis heute bedeutsamsten Raumstation im Südpazifik.