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Großmeister der Auslandskorrespondenten

Seit mehr als viereinhalb Jahrzehnten bereichern Peter Scholl-Latours Berichte von Schauplätzen aus Afrika und Asien die deutsche TV-Landschaft. Seine Bücher, vor allem "Tod im Reisfeld" und "Allah ist mit den Standfesten", waren zwar nie unumstritten, wurden aber zu Bestsellern. Heute wird Peter Scholl-Latour 85 Jahre alt.

Von Claus Menzel | 09.03.2009
    Es schnieft und schnauft, rasselt und röchelt – und ob der Mann da auf dem Bildschirm den angefangenen Satz irgendwann einmal noch zu Ende bringt, ist keineswegs sicher. Nur, dass man ihm dennoch so aufmerksam zuhört wie sonst nur noch sehr wenigen der deutschen Fernsehgrößen, und dies seit nun bald 45 Jahren.

    Tatsächlich ist der Journalist Peter Scholl-Latour, geboren am 9. März 1924 in Bochum ein toleranter Nichtraucher und tatsächlich ist das Krächzen und Knarren seiner Stimme längst so etwas wie sein Markenzeichen geworden. Wo immer und wann immer freilich hierzulande über die große weite Welt und die Geheimnisse des Orients geredet wird - mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dürfte er auf dem Podium sitzen, dazu legitimiert durch zwei, vielleicht aber auch drei Dutzend Bücher, darunter die Bestseller "Tod im Reisfeld" und "Allah ist mit den Standfesten", ein paar hundert Reportagen in ARD und ZDF und ein so schnell nicht zu erschütterndes Selbstbewusstsein.

    "Ich habe immer sehr fleißig gearbeitet. Ich bin, wenn ich zu einer Reportage aufgebrochen bin, habe ich mich immer vorbereitet, ich habe meine Schularbeiten gemacht. Und dann habe ich mich auch für die Dinge, die ich beschrieben habe, wirklich interessiert und habe versucht, deren historischen, kulturellen und religiösen Hintergründe zu erleuchten. Vielleicht hat das mich ein bisschen aus der Reihe von anderen Kollegen herausgehoben."

    Fürs Fernsehen und hin und wieder auch für den Funk berichtete er aus China und Afghanistan, aus dem Iran des Ajatollah Chomeini und aus Angola, aus dem Irak und aus Vietnam, wo er einst als Mitglied einer französischen Fallschirmjäger-Einheit gegen die Rebellen Ho Chi Minhs kämpfte. Kaum denkbar jedenfalls, dass es irgendwo noch einen Ort von einiger Bedeutung gibt, den Peter Scholl-Latour nicht besucht und beschrieben hat. Vermutlich nicht während seines Studiums an der renommierten Ecole des Sciences Politiques in Paris sondern auf den Schauplätzen der großen politischen Konflikte dürfte er denn auch jene Erkenntnis gewonnen haben, die fast allen seinen politischen Äußerungen zugrunde liegt.

    "Die Vorstellung des Westens, dass man die eigenen Vorstellungen von Demokratie und Menschenrechten, eventuell sogar den 'american way of life' auf andere Kulturkreise übertragen kann, ist heute nicht mehr aktuell. Der Pluralismus in der Politik, die so genannte Streitkultur, wie das schreckliche Wort lautet, ist zum Beispiel im Islam weitgehend abgelehnt, ersetzt durch den Begriff des tauchi, das heißt die Einstimmigkeit des Gottesvolkes, die angestrebt wird, die natürlich keine Realität ist. Der Islam hat gewiss auch Menschenrechte. Aber sie sind nicht wie im aufklärerischen Westen durch das Individuum definiert."

    Anders als die Papierkrieger an den diversen Heimatfronten hatte Scholl-Latour ja gesehen und verstanden, dass die Parolen des Westens in den Reisfeldern Indochinas oder den Steinwüsten Afghanistans schon deswegen nicht ernst genommen werden, weil der Hegelsche Weltgeist nun einmal Europäer ist und bleibt. Und wie sein großes Idol, Frankreichs legendärer General de Gaulle, sah er sehr deutlich, welche Fehler vor allem den Vereinigten Staaten bei ihren diversen Kreuzzügen in Asien oder im Nahen Osten unterliefen.

    "Die Menschenrechtspolitik der Vereinigten Staaten wirkt in den Staaten der Dritten Welt oft heuchlerisch und selektiv. Denken wir doch nur an Saudi-Arabien, das repressivste, das rückständigste, das reaktionärste Regime der arabischen Welt. Aber Saudi-Arabien ist der engste Verbündete Amerikas. Ägypten kennt keine Form von Demokratie. Und als in Algerien die islamische Heilsfront den Sieg ganz demokratisch errungen hatte, da wurde sie durch einen Militärputsch beseitigt und der Westen hat untätig zugesehen. Der Iran hingegen, der in mancher Beziehung, ich sage das mit allen Nuancen, sehr viel liberaler ist, jedenfalls vielfältiger ist, wird als Reich des Bösen definiert."
    Geehrt und hofiert wurde Peter Scholl-Latour auch und zumal von Politikern, seinen Einsichten gefolgt sind sie nur selten. Gestört hat es ihn nicht. Beruflich hat er erreicht, was in diesem Beruf zu erreichen sein mag. Glücksmomente aber, sagte er im vergangenen Jahr dem Magazin "Focus", ...

    "Glücksmomente hat man sowieso nicht im Beruf, sondern wohl eher mit Frauen."