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Grün ist die Hoffnung

Den Planeten retten und dabei Geld verdienen - das ist die Hoffnung von immer mehr Ideen im kalifornischen Silicon Valley. Nach Mikroprozessoren und Internet-Revolution tüftelt man dort an Technologien, um den Klimakollaps abzuwenden. Billigere Solarzellen, besserer Biosprit, effizientere Solarkraftwerke, marktreife Elektroautos und klimafreundliche Baustoffe - all das wird in der Ideenschmiede entwickelt. Cleantech heißt das Schlagwort für die neue Boom-Branche.

Von Ralf Krauter | 16.01.2009
    Der aktuelle Werbespot der US-Organisation "Allianz für Klimaschutz" hat ein simple Botschaft: Fossile Brennstoffe verheizen war gestern. Die Zukunft gehört sauberer Energie aus Wind, Sonne und Biomasse - geerntet in den endlosen Weiten Amerikas.

    Einer der Hauptförderer der "Allianz für Klimaschutz", der Friedensnobelpreisträger und Ex-Vize-Präsident Al Gore, traf im Dezember den neuen US-Präsidenten Barack Obama. Bei einer Pressekonferenz gab er danach bekannt, dem Klimaschutz höchste Priorität einräumen zu wollen.

    "Die Zeit des Verzögerns und Leugnens ist vorbei. Der Klimawandel ist ein drängendes Problem, das unsere nationale Sicherheit bedroht. Wir müssen und werden entschieden dagegen vorgehen."

    Es war eine erstaunlich klare Weichenstellung für den Klimaschutz. Zumal Barack Obamas Team wegen Finanzkrise, globaler Rezession und strauchelnder US-Automobilriesen reichlich andere Baustellen hat.

    "Der Klimawandel ist nicht nur ein Problem, er ist auch eine Chance. Er bietet uns die Gelegenheit, überall im Land neue Arbeitsplätze zu schaffen, indem wir unsere Energieversorgung umstellen. Das stärkt unsere Wirtschaft, erhöht unsere Sicherheit, verringert unsere Abhängigkeit von ausländischem Öl und stellt sicher, dass wir in den kommenden Jahrzehnten wettbewerbsfähig sind. Und all das, während wir den Planeten retten. Wir werden diese Gelegenheit nicht verpassen."

    Klimaschutz als Konjunkturpaket? Ein green new deal zum Ankurbeln der Wirtschaft? Während Europas Politikern derzeit der Mut fehlt, an diese Idee zu glauben, setzen in den USA viele große Hoffnung in sie. Vor allem in Kalifornien, dem bevölkerungsreichsten Bundesstaat.

    Grün und gut - das waren die Weltverbesserer von damals. Heute, 40 Jahre später, sieht sich ein ganzer Industriezweig in ihrer Tradition. Wie Pilze sind zwischen San Francisco und San Jose Firmen aus dem Boden geschossen, die den Planeten retten und dabei Geld verdienen wollen. Nach Mikroprozessoren und Internet-Revolution tüftelt man im Silicon Valley nun an Technologien, um den Klimakollaps abzuwenden. Billigere Solarzellen, besserer Biosprit, effizientere Solarkraftwerke, marktreife Elektroautos und klimafreundliche Baustoffe - all das wird in der Ideenschmiede entwickelt. Cleantech heißt das Schlagwort für die neue Boom-Branche. Erklärt Will Coleman vom Risikokapital-Investor Mohr-Davidow-Ventures in Menlo Park.

    "Cleantech wird die Welt im 21. Jahrhundert ähnlich nachhaltig verändern wie die industrielle Revolution. Stromerzeugung und Energieeffizienz sind Bereiche, die 20, 30 Jahren lang vernachlässigt wurden. Doch das ändert sich jetzt. Technologien, die es ermöglichen, Energie intelligenter zu erzeugen, zu nutzen und das Klima zu schützen, sind gefragt."

    Rund 200 Millionen Dollar haben Will Coleman und seine Kollegen derzeit in junge Cleantech-Firmen investiert. Dutzende andere Geldgeber aus der Nachbarschaft setzen auf dasselbe Pferd. 2007 steckten sie insgesamt 1,1 Milliarden Dollar in die Öko-Industrie des Silicon Valley - fast doppelt soviel wie 2006. Und die Zuwachsraten waren auch 2008 zweistellig. Grüne Technologie verspricht das große Geschäft von morgen zu werden. Mohr-Davidow-Ventures investiert seit 6 Jahren in Cleantech. Bereut habe man das trotz Finanzkrise bis heute nicht, sagt Will Coleman.

    "Wir haben sehr früh in die Solarindustrie investiert. Außerdem unterstützen wir Firmen, die neuartige Biokraftstoffe, Baustoffe und Autos entwickeln. All diese Sektoren bleiben trotz globaler Wirtschaftslage vielversprechend."

    Risikokapitalgeber wie Will Coleman sind das Schmiermittel der Innovationsmaschine Silicon Valley. Ihr Treibstoff, das sind die Ideen kluger Köpfe von Eliteuniversitäten wie Berkeley und Stanford. Ein typisches Beispiel dafür ist der Chemiker Brent Constantz.

    Früher einmal, erklärt der Stanford-Professor, habe er gedacht, Osteoporose sei das größte Problem der Menschheit. Deshalb entwickelte er einen neuartigen mineralischen Kleber für brüchige Knochen, der heute in Operationssälen Standard ist. Mit Mitte 40, nachdem Brent Constantz drei Firmen gegründet und Millionen verdient hatte, wurde ihm klar: Der Klimawandel ist die zentrale Herausforderung.

    "Die Menschen haben noch nicht in vollem Umfang begriffen, wie groß das Problem tatsächlich ist und wie schwer es sein wird, es zu lösen. Es ist komisch: Die Leute versichern ihre Häuser gegen Feuer, obwohl die Wahrscheinlichkeit, dass ihr Haus abbrennt, ziemlich gering ist. Beim Klimawandel ist das Risiko viel größer. Selbst die skeptischsten Experten räumen ein: Es gibt eine zehnprozentige Chance, dass sich das Klima innerhalb der nächsten 30 Jahre dramatisch verändert. Die meisten Forscher gehen sogar von einer 50- bis 80-prozentigen Wahrscheinlichkeit aus. Da wäre es doch klug, eine Versicherung abzuschließen, um den Schaden zu begrenzen."

    Brent Constantzs Beitrag zu dieser Versicherungspolice ist ein neuartiger grüner Zement für die Baubranche. Die Zementindustrie ist weltweit der drittgrößte Emittent des Treibhausgases Kohlendioxid. Der Stanford-Professor hat eine Methode entwickelt, mit der die Branche CO2 im großen Stil bunkern könnte, statt es in die Luft zu blasen. In einer Pilotanlage stellt Brent Constantz täglich schon über eine Tonne seines klimafreundlichen Zements her. Dabei strömen die Abgase eines Gaskraftwerks durch riesige Meerwassertanks. Die im Wasser gelösten Mineralien reagieren mit dem Kohlendioxid aus dem Schornstein. Das Ergebnis, ein weißes Pulver, ist Zement.

    " Jede Tonne Zement, die wir herstellen, bindet dauerhaft eine halbe Tonne CO2. Würden wir weltweit allen Zement so herstellen, könnten wir jedes Jahr über eine Milliarde Tonnen Kohledioxid bunkern. Außerdem können wir aber auch jene Füllstoffe herstellen, die für die Beton- und Asphalt-Produktion gebraucht werden. Da geht es um fünf beziehungsweise zehnmal größere Mengen des Treibhausgases. Unser Verfahren erlaubt es, jedes Jahr zehnmal mehr CO2 zu speichern, als die Reduktionsziele des Kyoto-Protokolls vorschreiben. "

    Wenn das Verfahren hält, was der Professor verspricht, böte es den Betreibern von Kohle- und Gaskraftwerken erstmals die Chance, ihre CO2-Bilanz fast zum Nulltarif auszugleichen. Sie müssten sich nur mit Zementherstellern zusammen tun und das neue Verfahren anwenden - schon hätte die drohende Verteuerung von Kohlendioxidemissionen ihren Schrecken verloren.


    Eine ganz andere Methode, um der Atmosphäre Kohlendioxid zu ersparen, entwickelt das 2006 gegründete Unternehmen Brightsource Energy in Oakland. Man baue eine neue Generation effizienter Solarthermie-Kraftwerke, erklärt Charles Ricker, einer der Firmengründer.


    " Im Grunde machen wir nichts anderes, als einen großen Wasserkochtopf auf die Spitze eines 120 Meter hohen Turms zu setzen und diesen Turm mit Spiegeln zu umringen. Für ein 200 Megawatt-Kraftwerk, das 150 Tausend Haushalte versorgt, führen wir 200 Tausend Spiegel computergesteuert der Sonne nach. Wir haben eine Fläche von 1,5 Millionen Quadratmetern, die alles Sonnenlicht, das sie trifft, auf diesen einen Wasserkocher lenkt. "

    In einem zweistufigen Prozess entsteht dort 550 Grad heißer Dampf für eine am Boden montierte Turbine. Den Berechnungen zufolge lassen sich so 20 Prozent der Sonnenwärme in Strom verwandeln. Die besten heutigen solarthermischen Kraftwerke, wie sie derzeit unter Beteiligung deutscher Firmen in Spanien gebaut werden, schaffen nur 14 Prozent. Bei Brightsource Energy ist man deshalb überzeugt, die Kilowattstunde Strom ein Drittel billiger erzeugen zu können als die Wettbewerber.

    Eine Pilotanlage in Israel belege, die Technologie sei ausgereift, sagt Charles Ricker. Im Auftrag des kalifornischen Energieversorgers Pacific Gas & Electric plant Brightsource jetzt in der Nähe von Las Vegas vier Solarthermie-Kraftwerke mit insgesamt 400 Megawatt Leistung. Das erste soll 2011 ans Netz gehen. Verträge für weitere 500 Megawatt sind schon unterzeichnet und die Aussichten rosig. Konkurrenz gibt es zwar - etwa vom jungen Unternehmen eSolar in Pasadena, das ein ähnliches Konzept verfolgt. Doch der Markt wachse so rasant, sagt Charles Ricker, dass momentan jeder genug vom Kuchen abbekomme.


    "Eine Reihe US-Bundesstaaten haben ihren Energieversorgern vorgeschrieben, einen wachsenden Anteil ihres Stromes aus regenerativen Quellen zu gewinnen. In Kalifornien muss diese Quote bis 2010 bei 20 Prozent liegen, 2020 bereits bei 33 Prozent. Deshalb suchen die Versorger jetzt händeringend nach Anbietern von grünem Strom."

    Durch clevere staatliche Vorgaben die Nachfrage nach umweltschonenden Technologien stimulieren? In Kalifornien hat diese Form der Innovationsförderung Tradition. Gouverneur Arnold Schwarzenegger hat der Industrie des Staates, der zu den 10 größten Volkswirtschaften weltweit zählt, schon mehrmals die Daumenschrauben angezogen. Nicht um sie zu ärgern, sondern, um sie fit für die Zukunft zu machen, in der CO2-Emissionen ihre Verursacher teuer zu stehen kommen. Sacramentos wichtigster Schachzug dabei war das 2006 verabschiedete Gesetz mit dem Kürzel AB 32, erklärt Anthony Eggert von der einflussreichen kalifornischen Umweltbehörde.

    "Aufgrund unserer enormen Wirtschaftskraft haben wir eine besondere Verantwortung, die Umwelt zu schützen. Deshalb haben wir 2006 das Gesetz AB 32 verabschiedet. Es schreibt vor, die CO2-Emissionen landesweit und in allen Wirtschaftsbereichen zu drosseln: Bis 2020 auf das Niveau von 1990 und bis 2050 um insgesamt 80%. Die Luftreinhaltungsbehörde, für die ich arbeite, entwickelt derzeit Strategien und Maßnahmen, um diese Ziele zu erreichen."

    Das Maßnahmenbündel reicht vom Anfang Januar gestarteten CO2-Emissionshandel über Energieeffizienzstandards bis zur Verpflichtung der Kraftstoffhersteller, den Kohlenstoffanteil ihres Sprits bis 2020 um 10 Prozent zu verringern.


    "Unser Ziel ist es nicht nur, weniger Treibhausgase zu emittieren. Wir sehen das Ganze auch als Chance, unsere komplette Energiewirtschaft zu transformieren. Wir wollen die Abhängigkeit vom Öl beenden und auf heimische Energiequellen wie Wind, Sonne und Erdwärme setzen. Dadurch schaffen wir neue Arbeitsplätze und Industriezweige, die Technologien entwickeln, die weltweit gefragt sind. Es geht also nicht darum, Opfer zu bringen. Es geht darum, eine Politik zu machen, die der Industrie den Weg in eine grünere Zukunft weist."

    Cleantech als Konjunkturprogramm. Für das krisengeschüttelte Silicon Valley wäre die grüne Revolution ein willkommener Rettungsanker. Die Halbleiterindustrie, der frühere Jobmotor der Region, musste in den vergangenen Monaten tausende Stellen abbauen. Immer mehr Menschen wachsen die Kredite für ihre Häuser über den Kopf. Neue Geschäftsideen, um mit Hightech Geld zu machen, stehen deshalb hoch im Kurs. Wenn sich damit gleich noch das Klima schützen lässt - umso besser.

    David Hochschild arbeitet bei Solaria in Fremont, einem Start-up-Unternehmen, das neuartige Solarzellen entwickelt. Das Rohmaterial dafür kommt vom deutschen Photovoltaik-Giganten Q-Cells. Solaria schneidet die Solarzellen von Q-Cells in Streifen und lenkt das einfallende Sonnenlicht mit speziellen Plastiklinsen auf diese Streifen. Dadurch benötigen die Solaria-Module nur die Hälfte des teuren Rohstoffs Silizium. Weil sie trotzdem genauso viel Strom wie die Konkurrenzprodukte liefern, sollen sie deutlich billiger zu haben sein. Die Serienproduktion auf den Philippinen läuft gerade an.

    "Wir haben wirklich ein paar aufregende Jahre hinter uns. Aber das gilt für die gesamte Solarzellen-Industrie Kaliforniens. Der Boom begann 2006, als Gouverneur Schwarzenegger ein 10 jähriges Förderprogramm auflegte: 3,3 Milliarden Dollar für die Installation von Solardächern mit insgesamt 3000 Megawatt elektrischer Leistung. Dieses Solardach-Programm war ein riesiger Erfolg. Die enorme Nachfrage hat viele neue Firmen und Arbeitsplätze entstehen lassen."

    Der kalifornische Vorstoß, Solarstrom massiv zu fördern, ähnelt dem 2003 ausgelaufenen "100 000-Dächer-Programm" in Deutschland - nur dass er zehnmal so ambitioniert ist. Allerdings hat die Aufholjagd in den USA eben erst begonnen. In Deutschland gingen allein 2007 fast dreimal mehr Solarpanele ans Netz wie es derzeit in ganz Kalifornien gibt. Doch das wird sich rasch ändern, denn auch der Kongress in Washington hat mittlerweile großzügige Steuervergünstigen für Solaranlagen beschlossen. Diese langfristigen Investitionsanreize machen Solarstrom auf einmal auch für die Energieversorger interessant, sagt David Hochschild:


    "Die Stromversorger sträubten sich lange gegen den Ausbau der Solarenergie. Doch das ändert sich jetzt. Der kalifornische Energieversorger Pacific Gas & Electric, der größte in den USA, hat kürzlich eine Reihe von Verträgen für große Solarkraftwerke unterzeichnet. Andere Versorger folgen seinem Beispiel bereits. Gesetzliche Investitionsanreize haben einen wichtigen Anteil an dieser positiven Entwicklung. Wenn die US-Bundesstaaten und Washington an einem Strang ziehen, könnten die USA wieder das werden, was sie früher einmal waren: Der größte Solarenergiemarkt weltweit. Wir haben enorme Ressourcen, die wir bislang nicht ausschöpfen."

    Die Chancen dafür, dass das Modell Kalifornien in den USA bald Schule machen könnte, stehen gut. Das Geschäft mit der grünen Energie, glaubt David Hochschild, werde einer der Eckpfeiler von Barack Obamas Politik.

    Mitte Dezember nominierte Obama den Physiknobelpreisträger Steven Chu aus Berkeley als künftigen Energieminister. Da Steven Chu als Messias der erneuerbaren Energien gilt, ein klares Signal, dass die Energiewende mit Macht voran getrieben wird.

    Die boomende Cleantech-Industrie Kaliforniens darf deshalb auf glänzende Geschäfte hoffen. Es wäre nicht das erste Mal, dass Hightech aus dem Silicon Valley die Welt verändert.

    "It was a creed written into the founding documents that declared the destiny of a nation: Yes we can. It was whispered by slaves and abolitionists as they blazed a trail towards freedom: Yes we can. Yes we can."

    Der Solarzellenexperte David Hochschild ist überzeugt, dass viele Firmen von der grünen Welle profitieren werden.

    Und auch der Cleantech-Finanzier Will Coleman wittert trotz Wirtschaftskrise Morgenluft.

    "Hier werden gerade eine Menge toller Firmen aufgebaut. Dass die Wirtschaft schwächelt, heißt noch lange nicht, dass die Leute aufhören, Ideen zu haben."

    Während Europas Politiker zaudern, wie viel Klimaschutz sie ihren Unternehmen zumuten können, werden im Silicon Valley Nägel mit Köpfen gemacht. Unter anderem auch im Bereich Mobilität. Ende November gaben die Bürgermeister der San Francisco Bay Area bekannt, bis 2012 zigtausend Elektroautos auf die Straßen bringen zu wollen, die nur noch grünen Strom zapfen. Detroit war gestern. Auto 2.0 heißt die Zukunft. Eine mächtige Allianz aus Forschern, Firmen und Geldgebern arbeitet daran, dem ambitionierten Projekt zum Durchbruch zu verhelfen. Das Silicon Valley ist wieder einmal dabei, aus einer guten Idee ein großes Geschäft zu machen.