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Grün-Rot plant neue Gebühren für Studierende

Bei einigen Studienfächern sind Bewerbungsgespräche vorgesehen. In einem Entwurf der grün-roten Landesregierung in Baden-Württemberg für ein neues Hochschulgesetz sollen dafür Gebühren erhoben werden. Studierende halten das für Abzocke.

Von Thomas Wagner | 04.11.2013
    High Noon, 12 Uhr heute Mittag im "Campus Kaffee" der Uni Konstanz. Die Studierenden, die dort ihren Kaffee trinken, sind sich einig: Gebühren auf Bewerbungsgespräche an der Uni - geht gar nicht.

    "Ich find' es absolut ungerechtfertigt. Und ich finde, dass das nach einer Demo schreit, einfach, weil wir wissen, dass es Menschen mit schlechteren finanziellen Hintergründen gibt und da differenziert wird von vornherein, das ist eigentlich nicht fair."

    "Es ist jetzt schon schwer, das Studentenleben zu finanzieren. Und deshalb halt ich das für Quatsch eigentlich."

    Jana Schlegel studiert allgemeine Sprachwissenschaft, Dimitri Govtvan Lehramt in Biologie, Ethik und Russisch - beides Fächer, bei denen keine direkten Bewerbungsgespräche an der Uni erforderlich sind. Dass der Entwurf zum neuen baden-württembergischen Hochschulgesetz, der eine Gebühr von 100 Euro für solche Bewerbungsgespräche vorsieht, halten sie für eine Art Abzocke. Der Allgemeine Studierendenausschuss der Uni Konstanz geht noch weiter: Für ihn ist der Versuch der Wiedereinführung der Studiengebühren durch die Hintertür. Lukas Scheub, Referent für externe Hochschulpolitik des Konstanzer Hochschul-Asta:

    "Das Wissenschaftsministerium in Baden-Württemberg ist ein grünes Ministerium. Und da sehen wir tatsächlich die Sorge, dass die Ministerin Bauer, die eigentlich - das ist kein großes Geheimnis - nie eine große Freundin der Abschaffung von Studiengebühren war, dass sie nun durch die Hintertür versucht, die Studiengebühren wieder einzuführen."

    Betroffen wären in diesem Fall vor allem solche Studierende, die künstlerische Fächer wie Musik oder Bildende Kunst studieren möchten; dort sind solche Bewerbungsgespräche vorgesehen. Aber auch Bewerber zwar ohne Abitur, aber beispielsweise mit einem Meisterbrief in der Tasche, können über solche Bewerbungsgespräche einen Studienplatz bekommen. Dass solche Bewerbungen zukünftig kostenpflichtig werden, gehe den Betroffenen ganz schön an den Geldbeutel, befürchtet Lukas Scheub vom Asta der Uni Konstanz.

    "Wenn man sich bewirbt heutzutage, bewirbt man sich nicht nur an einer Universität, sondern an mehreren Universitäten im ganzen Land. Und das heißt nicht nur einmalig 100 Euro für das Bewerbungsgespräch und den Test, sondern es kommt noch dazu: Fahrtkosten, potenzielle Übernachtungskosten. Also es kommt ein ganzer Berg an Kosten dazu. Und am Ende bleibt das dann eben nicht bei einmalig 100 Euro."

    Skeptisch beurteilt auch Professor Ulrich Rüdiger, Rektor der Konstanzer Uni, die geplante Neufassung des baden-württembergischen Hochschulgesetzes. Denn mit möglichen Gebühren aus Bewerbungsgesprächen lasse sich die Finanznot der Hochschulen im Land nicht einmal ansatzweise lösen.

    "Wir haben große Defizite in der finanziellen Grundausstattung. Und ich glaube nicht, dass über eine veränderte Gebührenordnung die Grundfinanzierung der Universitäten saniert werden kann. Dann sollte man eigentlich ehrlich der reagieren und grundsätzlich über Studiengebühren für alle diskutieren und nicht über eine leichte Veränderung am Rand, über Gebührenordnung und Ähnliches."

    Ebenso glaubt der Konstanzer Uni-Rektor nicht daran, dass Extra-Gebühren für Hochschulangebote außerhalb der Prüfungsordnung eines Studienganges, wie zum Beispiel Gebühren für Sprach- oder Computerkurse, spürbare Einnahmeverbesserungen nach sich zögen. Eine solche Regelung ist ebenfalls im Entwurf des neuen baden-württembergischen Hochschulgesetzes enthalten.

    "Wir haben ein sehr umfangreiches Angebot in unserem Sprachlehrinstitut. Aber man kann sich solche Kurse auch anrechnen lassen im Bereich der Schlüsselqualifikation, dass man die eine oder andere Fremdsprache beherrscht, gehört doch zur Schlüsselqualifikation, die einen fit machen für das darauffolgende Berufsleben."

    Solche Schlüsselqualifikationen gebührenpflichtig anzubieten, sei deshalb kaum denkbar, meint Uni-Rektor Rüdiger. Für Lukas Scheub vom Uni-Asta steht noch mehr auf dem Spiel: Werden Zusatz-Bildungsangebote einer Hochschule mit Gebühren belegt, sei's vorbei mit einem klassischen freien Studium, das auch mal den Blick abseits der reinen fachlichen Ausrichtung riskiert.

    "Viele sagen, man zum Fachidioten wird. Wir haben ja den Bachelor schon nach dem Bolognasystem, dass man sehr konkret studiert und nicht oft die Möglichkeit hat, alleine schon zeitlich auszuweichen auf andere Fächer. Und viele nehmen sich diese Möglichkeiten eben durch Sprachkurse und so und sagen: Okay, ich möchte mein Wissen erweitern, auch durch Computerkurse. Und wenn da wiederum Gebühren erhoben werden, sehen wir die Gefahr, dass es abhängig ist, eben vom Geldbeutel der Eltern."