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Grün-Schwarz in Baden-Württemberg
"Viele können sich das gar nicht vorstellen"

Guido Wolf hat sich nach der Niederlage der CDU bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg auch für Gespräche mit der SPD und der FDP ausgesprochen. "Das sind wir unserer Partei schuldig", sagte der CDU-Spitzenkandidat im Deutschlandfunk. Schließlich sei ein Bündnis mit den Grünen nicht bei allen CDU-Mitgliedern beliebt.

Guido Wolf im Gespräch mit Jasper Barenberg | 18.03.2016
    Der Fraktionsvorsitzende der baden-württembergischen CDU, Guido Wolf gibt ein Statement. Hinter ihm stehen (l-r), der CDU-Landesvorsitzende Thomas Strobl, die Grünen-Landesvorsitzende Thekla Walker und der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen).
    Das Wahlergebnis sei für die CDU in Baden-Württemberg ein Schock gewesen, sagte der Fraktionsvorsitzende der Partei, Guido Wolf. (picture alliance / dpa / Marijan Murat)
    Man wolle "mit allen demokratischen Parteien reden", sagte Wolf. Die SPD und die FDP hätten ein Gesprächsangebot angenommen, sowie man selbst auch eines der Grünen angenommen habe. "Es ist wichtig, ohne Priorität und mit großer Offenheit in diese Gespräche zu gehen."
    Das Wahlergebnis sei für die CDU ein Schock gewesen, deshalb sei auch ein Gang in die Opposition denkbar. "Wir haben dieses Wahlergebnis als deutliche Niederlage angenommen", sagte Wolf. Fragen, ob er nicht selbst auf das Amt des Ministerpräsidenten in einer Koalition mit SPD und FDP schiele, wich er aus: "Es geht jetzt nicht um Positionen und Funktionen, sondern um Inhalte."
    Zu der bislang wahrscheinlichsten Koalition zwischen Grünen und CDU sagte Wolf, es gebe Verbindendes, aber auch hohe Hürden. Auch deshalb wolle man mit den anderen Parteien sprechen. "Denn am Ende des Diskussionsprozesses müssen wir in unserer eigenen Partei für die Koalition werben. Es gibt viele, die sich das gar nicht vorstellen können und einige, die sich verdammt schwer damit tun." Diese Mitglieder würden sehen wollen, dass man alles ausgelotet habe, was möglich ist.

    Das Interview in voller Länge:
    Jasper Barenberg: Auch wenn Ministerpräsident Winfried Kretschmann an der Spitze der Grünen die Landtagswahl in Baden-Württemberg klar gewonnen hat, auch wenn die Partei die CDU auf Platz zwei verwiesen hat, und zwar zum ersten Mal überhaupt, für Grün-Rot reicht es nicht mehr nach dem schlechten Ergebnis der SPD in Stuttgart. Viele Beobachter sehen das Land jetzt auf dem Weg zur ersten Koalition aus Grünen und CDU. Ein erstes Gespräch dazu hat es auch schon gegeben. Aber CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf liebäugelt weiter auch mit dem Ziel, selber Regierungschef zu werden, am Wahlsieger gewissermaßen vorbei eine Regierung aus FDP und SPD zustande zu bekommen. Heute will er darüber mit den Liberalen sprechen, morgen dann mit den Sozialdemokraten. Jetzt ist er aber erst mal am Telefon. Einen schönen guten Morgen, Guido Wolf.
    Guido Wolf: Guten Morgen, Herr Barenberg.
    Barenberg: Herr Wolf, lässt sich das Wahlergebnis vom Sonntag eigentlich anders interpretieren als in der Richtung, dass der Grüne Winfried Kretschmann Regierungschef bleiben soll?
    Wolf: Wir haben dieses Wahlergebnis natürlich auch für uns als CDU als deutliche Niederlage angenommen. Das ist kein gutes Ergebnis. Und deshalb wollen wir jetzt unsere Verantwortung wahrnehmen und uns an allen Gesprächen beteiligen, die dazu dienen können, dass Baden-Württemberg wieder eine regierungsfähige Mehrheit bekommt.
    Barenberg: Minus zwölf Prozentpunkte, viele sprechen von einem geradezu historischen Debakel am Sonntag. Bei einer Direktwahl des Ministerpräsidenten würden nur 16 Prozent Guido Wolf ankreuzen, aber fast 80 Prozent Herrn Kretschmann. Noch mal die Frage: Ist das nicht der ganz klare Wählerwille, dass Winfried Kretschmann Ministerpräsident in Stuttgart bleibt?
    "Wir werden uns in alle Gespräche positiv einbringen"
    Wolf: Das ist völlig klar und das akzeptieren wir, dass der Wähler hier sich eindeutig positioniert hat, und wir werden uns in alle Gespräche, die jetzt notwendig sind, positiv einbringen. Wir haben mit den Grünen in dieser Woche ein erstes Gespräch geführt. Das war in einer guten Atmosphäre. Da ist über Verbindendes gesprochen worden. Da hat sich aber natürlich auch gezeigt, dass es hohe Hürden gäbe, wenn wir zusammen fänden, und deshalb sind wir es auch unserer eigenen Partei schuldig, dass wir mit allen reden, dass wir auch mit der SPD reden, dass wir auch mit der FDP reden. Das ist jetzt eine ganz schwierige Situation und da wollen wir unsere Verantwortung wahrnehmen.
    Barenberg: Warum soll es eigentlich Gespräche über eine sogenannte Deutschland-Koalition, also aus CDU, SPD und FDP geben, wenn beispielsweise die Sozialdemokraten schon ganz klar gesagt haben, dass sie eine solche Konstellation ausschließen?
    Wolf: Die Sozialdemokraten haben unser Gesprächsangebot angenommen und wollen mit uns auf der Basis des Wahlergebnisses reden. Genauso die FDP. Aber wie gesagt, wir haben auch das Gesprächsangebot der Grünen angenommen. Ich glaube, es ist wichtig, dass man jetzt ohne Priorität und in großer Offenheit in all diese Gespräche geht und dann versucht, eine regierungsfähige Mehrheit zustande zu bringen.
    Barenberg: Das heißt, Sie gehen gar nicht in die Gespräche mit den Liberalen und morgen mit den Sozialdemokraten beispielsweise, um die Sozialdemokraten noch mal umzustimmen?
    Wolf: Ich weiß nicht, mit welchem Ziel die Sozialdemokraten in das Gespräch gehen.
    Grün-Schwarz können sich viele gar nicht vorstellen können
    Barenberg: Ich fragte Sie nach Ihrem Ziel.
    Wolf: Ich finde es aber wichtig, dass wir, die wir jetzt auf der Basis eines Wahlergebnisses schwierige Verhandlungen zu führen haben, dass wir miteinander reden. Wir müssen ja am Ende des Diskussionsprozesses auch in unserer eigenen Partei werben. Es gibt in der CDU viele, die sich ein Bündnis Grün-Schwarz gar nicht vorstellen können. Es gibt viele, die sich verdammt schwer damit tun, und die wollen natürlich schon auch erkennen, dass wir als Union alles getan haben, um auszuloten, was am Ende dieses Wahltages möglich ist. Das ist jetzt ein Prozess, der auch verdeutlichen muss und verdeutlichen soll, dass wir mit allen Demokraten im Landtag reden, und am Ende erwarten die Menschen, dass es uns gelingt, eine regierungsfähige Mehrheit zusammenzubinden.
    Barenberg: Sie haben jetzt zweimal gesagt, wie schwer sich Ihre eigene Partei mit dem Gedanken einer grün-schwarzen Koalition tut. Liegt das auch daran, dass die CDU-Mitglieder, dass die CDU-Abgeordneten eine grün geführte Landesregierung immer noch als eine Art Verirrung in der Geschichte betrachten?
    Wolf: Nein. Wir gehen ja jetzt ganz konstruktiv mit diesem Wahlergebnis um. Dass das natürlich für die CDU auch erst mal ein Schock ist und dass man da erst mal überlegen muss, was heißt das jetzt für uns, heißt es jetzt, dass wir uns in einem Regierungsbündnis in die Verantwortung nehmen lassen, oder heißt es für uns auch, den Weg in die Opposition anzutreten, das wäre ja auch eine denkbare Konstellation, ich glaube, das kann man jetzt nicht von einem Tag auf den anderen entscheiden. Da muss man ja dann auf der Basis ganz konkreter Übereinstimmungen diskutieren. Man muss ausloten, was geht mit den unterschiedlichen Partner, was wäre an gemeinsamen Inhalten denkbar, aber wo sind eben dann gegebenenfalls auch die Sollbruchstellen, die uns vermitteln, es geht überhaupt nicht. Wir gehen konstruktiv in diese Gespräche. Das Gespräch mit den Grünen war ein solch konstruktives Gespräch. Aber es ist wichtig, auch mit den anderen, mit der SPD und der FDP zu sprechen.
    "In einem Wahlkampf tritt man an, um natürlich als Erster durchs Ziel zu gehen"
    Barenberg: Dann lassen Sie uns noch ein wenig über die Perspektive Grün-Schwarz sprechen. Bis zuletzt haben Sie gesagt, dass Sie als Juniorpartner, dass die CDU als Juniorpartner nicht zur Verfügung steht. Das hat sich schon geändert, Sie sind da jetzt offen?
    Wolf: In einem Wahlkampf tritt man an, um natürlich als Erster durchs Ziel zu gehen. Ich glaube, alles andere wäre das Ziel falsch formuliert. Das war natürlich auch unser Ziel als CDU in Baden-Württemberg und deshalb kämpft man in einem Wahlkampf, am Ende des Wahltages dann an der Spitze zu stehen, und so haben wir auch diesen Wahlkampf mit Leidenschaft geführt in allen 70 Wahlkreisen. Das ist ja jetzt erst mal auch das Bedrückende, die vielen Kolleginnen und Kollegen, die da jetzt auch ihr Mandat nicht mehr erlangt haben. Das macht uns ja alle betroffen. Aber wir haben alle gekämpft, hier als Erste durchs Ziel zu laufen, und jetzt haben wir ein Ergebnis. Und jetzt gilt es, Verantwortung wahrzunehmen auf der Basis dieses ganz konkreten Ergebnisses. Ich glaube, da hilft jetzt nichts, wenn wir uns erst mal in Ausschließeritis definieren und erst mal aufzeigen, was nicht geht, sondern jetzt muss man schauen, was auf der Basis dieses Wahlergebnisses wirklich machbar ist.
    "Jetzt geht es erst mal um Inhalte"
    Barenberg: Und machbar, Herr Wolf, wäre beispielsweise eine Konstellation, in der Sie dann Minister in einem Kabinett Winfried Kretschmann werden?
    Wolf: Um was es jetzt erst mal gar nicht geht sind Positionen und Funktionen. Jetzt geht es erst mal um Inhalte. Jetzt geht es erst mal darum, wie kriegt man das, worum und worüber man in einem Wahlkampf gestritten hat, die Unterschiede, die Konflikte, wie kriegt man das zusammen. Man muss ja dann der eigenen Partei, aber auch den Bürgerinnen und Bürgern insgesamt erklären, warum man sich trotzdem zutraut, in einem solchen Bündnis fünf Jahre lang zusammen zu regieren, und das macht sich jetzt erst mal nicht an Personen fest, sondern vor allem an Inhalten. Wir reden jetzt über die Bildungspolitik, wir müssen über die innere Sicherheit reden, wir müssen natürlich auch über die Fragen der Verkehrspolitik, der Gesellschaftspolitik insgesamt reden. Da gibt es schon natürlich durchaus Unterschiede, aber es gibt auch Gemeinsamkeiten und das müssen wir uns jetzt in aller Ruhe vor Augen führen und dann überlegen, wie es weitergehen kann.
    Barenberg: Der CDU-Spitzenkandidat in Baden-Württemberg und frisch wiedergewählte Fraktionsvorsitzende Guido Wolf. Danke für das Gespräch heute Morgen.
    Wolf: Bitte schön! Einen schönen Tag.
    Barenberg: Ihnen auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.