Freitag, 29. März 2024

Archiv

Grünen-Politiker von Notz
"Der BND muss sich an Recht und Gesetz halten"

Der Grünen-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss, Konstantin von Notz, sieht sich durch den Bericht der Bundesdatenschutzbeauftragten Andrea Voßhoff in seiner Kritik am BND bestätigt. Der Geheimdienst habe "in eklatanter Weise" gegen den Anspruch verstoßen, sich an Recht und Gesetz zu halten, sagte von Notz im DLF.

Konstantin von Notz im Gespräch mit Christoph Heinemann | 02.09.2016
    Konstantin von Notz, Grünen-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss
    Konstantin von Notz, Grünen-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss (picture alliance / dpa / Lukas Schulze)
    Dass der Bundesnachrichtendienst in Grundrechte eingreife, könne in Ausnahmefällen gerechtfertigt sein. Aber dafür brauche er eine Rechtsgrundlage, sagte der Grünen-Politiker Konstantin von Notz im Deutschlandfunk. Fehle diese, agiere der Geheimdienst rechtswidrig. Das habe die Bundesdatenschutzbeauftragten Andrea Voßhoff in ihrem Bericht nun sehr gut belegt. Der BND müsse sich an das Grundgesetz halten. "Das ist der Anspruch in Deutschland und dagegen hat der Nachrichtendienst in eklatanter Weise verstoßen."
    "Regierung darf rechtliche Einschätzung nicht unter den Teppich kehren"
    Der Bundesregierung warf von Notz vor, sie habe versucht versucht, die rechtliche Einschätzung von Voßhoff "unter den Teppich zu kehren". Die Opposition habe seit Monaten mehr Transparenz gefordert. "Wir haben mit dem BND und der Bundesregierung die Erfahrung gemacht, dass die Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses in zahlreichen Punkten zumindest erschwert wird", kritisierte der Grünen-Obmann in dem Gremium.
    Zur Forderung von Voßhoff, der BND müsse Teile seiner Arbeit in der Telekommunikations-Überwachungsstation in Bad Aibling einstellen, sagte von Notz, man müsse sich vom Gedanken verabschieden, dass dieser Bereich vor allem unter dem Gesichtspunkt des Terrorismus geführt werde. Weniger als zehn Prozent der Überwachung des BND habe etwas mit Terrorismus zu tun. Der BND müsse die Massenüberwachung beenden und sich stattdessen auf den Kreis der Verdächtigen konzentrieren.
    Distanzierung von Armenier-Resolution wäre "ein unglaublicher Vorgang"
    Der Grünen-Politiker äußerte sich auch zum Bericht von "Spiegel online", dass die Bundesregierung sich von der Armenier-Resolution distanziere, um den Streit mit der türkischen Regierung um Besuche deutscher Abgeordneter bei der Bundeswehr in Incirlik beizulegen. Wenn die Bundesregierung die klare Entscheidung des Bundestags relativieren wolle, sei dies "ein unglaublicher Vorgang". Und dies werde sicherlich Diskussionen im Bundestag nach sich ziehen.

    Das Interview in voller Länge:
    Christoph Heinemann: Die Bundesdatenschutzbeauftragte Voßhoff hat systematische Gesetzesverstöße beim Bundesnachrichtendienst, beim BND festgestellt. Das geht aus einem geheimen Gutachten hervor, das NDR und WDR einsehen konnten.
    Wir haben Konstantin von Notz erreicht. Ich habe den Bundestagsabgeordneten von den Grünen gefragt, wie schwer diese Vorwürfe wiegen.
    Konstantin von Notz: Na ja, das ist ein extrem schwerer Vorwurf. Denn ein Geheimdienst, der in Grundrechte eingreift, braucht dafür eine Rechtsgrundlage, und wenn die fehlt, agiert er rechtswidrig. Und das haben uns führende Staatsrechtler schon bestätigt, diese These, und nun eben auch die Bundesdatenschutzbeauftragte schreibt das doch sehr ausführlich und belegt diese These sehr, sehr gut.
    Heinemann: Kann ein Nachrichtendienst ständig mit dem Gesetzbuch unter dem Arm arbeiten?
    von Notz: Ja, er muss es tun in einem Rechtsstaat. Das ist unser Anspruch. Wir haben in unserer Geschichte mit staatlichen Behörden, auch Sicherheitsbehörden sehr, sehr schlechte Erfahrungen gemacht, wenn die sich nicht an Menschen- und Grundrechte halten, wenn dieser Bereich nicht kontrolliert wird, und deswegen haben wir ein Grundgesetz und wir haben den Anspruch, dass diese Aktionen und diese Eingriffe in Grundrechte, die ein Geheimdienst zum Beispiel im Ausnahmefall machen kann, dass die gerechtfertigt sein können. Aber dafür braucht er eine Rechtsgrundlage. Er muss sich ans Gesetz halten. Das ist der Anspruch in unserem Land und gegen den hat der Bundesnachrichtendienst in eklatanter Weise verstoßen.
    "Man findet die Nadel im Heuhaufen eben nicht"
    Heinemann: Frau Voßhoff fordert, der BND müsse weite Teile seiner Arbeit in der Telekommunikationsüberwachungsstation in Bad Aibling einstellen. Kann man sich das in Zeiten terroristischer Bedrohung erlauben?
    von Notz: Man muss sich vor allen Dingen erst mal von dem Gedanken verabschieden, dass dieser Bereich vor allen Dingen unter dem Gesichtspunkt des Terrorismus geführt wird. Weniger als zehn Prozent der Überwachung, die der Bundesnachrichtendienst macht, hat etwas mit Terrorismus zu tun.
    Heinemann: Das können zehn entscheidende Prozent sein.
    von Notz: Ja. Auch im Kampf gegen Terrorismus ist wichtig, dass Gesetze eingehalten werden, und die Frage, ob diese Massenüberwachung überhaupt irgendetwas hilft gegen Terrorismus, die ist ja sehr umstritten. Ich sage, es ist ganz wichtig, dass wir einen Bundesnachrichtendienst haben, und ich finde auch wichtig, dass er effektiv agiert, um terroristische Gefahren aufzuklären. Aber wir dürfen in einem Rechtsstaat unter diesen Voraussetzungen, gerade vor diesen Herausforderungen, die wir haben, nicht sagen, da darf man bei rechtlichen Fragen fünf gerade sein lassen, sondern wir müssen den Anspruch haben, dass auch ein Geheimdienst sich an Recht und Gesetz hält. Das darf man, gerade wenn man gegen Terroristen kämpft und versucht, sich gegen terroristische Gefahren zu wehren, nicht aus dem Blick verlieren. Sonst verliert man den Boden unter den Füßen und verliert die Werte, die es nun gerade gilt, in dieser Auseinandersetzung aufrecht zu halten.
    Heinemann: Was bedeutet dieser Bericht für den neuen BND-Chef? Bruno Kahl ist seit Juli gerade im Amt.
    von Notz: Ich glaube, dass das, was vor allem die Große Koalition versucht mit ihrem Bundesnachrichtendienst-Gesetz und dieser Reform, die sie angestoßen haben, nämlich einfach diese Massenüberwachung zu legalisieren, einfach Gesetze zu schreiben, die unabhängig davon, wie das Grundgesetz nun grundsätzlich auf diese Problematik guckt, zu legalisieren, dass das in der Form nicht funktionieren wird. Ich glaube, man muss weg von diesem Dogma der Massenerfassung, einfach erst mal Daten sammeln von 80 Millionen Menschen in Deutschland, von allen Menschen, die Kommunikation über das Netz betreiben weltweit, und dann rastert man darin herum und guckt, ob man irgendwas Interessantes findet. Das ist der falsche Ansatz. Man findet die Nadel im Heuhaufen eben nicht. Wir müssen uns auf die konzentrieren, die wir auf dem Zettel haben. Die terroristischen Anschläge der letzten Monate zeigen, dass gegen die allermeisten Menschen, die solche schlimmen Straftaten begehen, vorher schon Verdachtsmomente bestehen. Und unsere Sicherheitsbehörden haben nicht genug Personal, diese Leute effektiv zu überwachen.
    "Sehr, sehr viele Sachen, die wir bekommen, sind geschwärzt"
    Heinemann: Herr von Notz, noch mal kurz. Ich hatte gefragt nach dem neuen BND-Chef, nach Bruno Kahl. Was bedeutet das für ihn?
    von Notz: Das bedeutet, dass auch er sich damit auseinandersetzen muss, dass sein Bundesnachrichtendienst gesetzeskonform agieren muss und dass er reformoffen sein muss, um hier von diesem Ansatz der Massenüberwachung weg zu kommen. Wir müssen uns konzentrieren auf die Verdächtigen, die wir haben. Das wäre der effektive Schutz vor Terrorismus.
    Heinemann: Die Datenschutzbeauftragte wirft dem BND Behinderung ihrer Arbeit vor. Welche Erfahrung macht das Parlament bei der Zusammenarbeit mit dem BND?
    von Notz: Wir haben sowohl mit dem BND als auch mit der Bundesregierung die Erfahrung gemacht, dass die Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses in zahlreichen Punkten zumindest erschwert wird, dass es schwierig ist, Zugang zu Akten zu bekommen, dass sehr, sehr viele Sachen, die wir bekommen, geschwärzt sind, und das ist tatsächlich ärgerlich und nach unserer Auffassung auch nicht gesetzeskonform.
    Ich würde gerne noch einen Satz sagen, der mir sehr wichtig ist im Hinblick auf diese BND-Geschichte.
    Heinemann: Bitte!
    "Die Art und Weise, wie dieses Papier an die Öffentlichkeit gerät, gefällt mir nicht"
    von Notz: Dieses Papier von Frau Voßhoff war ja nun geheim gestempelt. Das haben wir sehr stark kritisiert die letzten Monate und haben im Ausschuss auch darum gestritten, dass diese Informationen öffentlich werden. Denn die rechtliche Einschätzung von Frau Voßhoff ist nichts, was die Bundesregierung unter den Teppich kehren darf. Ich sage aber auch ganz deutlich: Die Art und Weise, wie jetzt dieses Papier komplett wie es ist an die Öffentlichkeit gerät, das gefällt mir nicht. Es ist meiner Ansicht nach nicht richtig, das auf diesem Weg zu tun. Wir hätten das im ordentlichen Verfahren klären müssen. Trotzdem bleibt es, dass die Bundesregierung einfach versucht hat, mit dieser Geheimhaltung den Umstand an sich zu vertuschen, und das war natürlich nicht korrekt.
    Heinemann: Kurz noch ein anderes Thema. "Spiegel Online" meldet heute Morgen, die Bundesregierung wolle sich von der Armenien-Resolution des Deutschen Bundestages distanzieren, um auf diese Weise der Türkei entgegenzukommen. Wäre das ein guter Kompromiss im Umgang mit Ankara?
    von Notz: Nein! Ich glaube, dass das ein unglaublicher Vorgang ist, dass der Deutsche Bundestag hier eine klare Entscheidung nach einer langen Diskussion getroffen hat und dass jetzt die Bundesregierung, Frau Merkel, auch Herr Steinmeier, die ja schon im Vorfeld dieser Resolution sich sehr ambivalent verhalten haben, sich da jetzt aus dem Staub machen wollen, das relativieren wollen. Das halte ich für einen ungeheuren Vorgang und das wird sicherlich Diskussionen im Deutschen Bundestag nach sich ziehen.
    Heinemann: Konstantin von Notz von Bündnis 90/Die Grünen. Das Gespräch haben wir vor einer dreiviertel Stunde aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.