Dienstag, 19. März 2024

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Grünen-Politiker von Notz
"Die CSU trollt mit ihrer Politik das ganze Land"

Grünen-Politiker Konstantin von Notz kritisierte Innenminister Horst Seehofer im Dlf: Er sei hauptverantwortlich dafür, dass ein "unbestritten fähiger Staatssekretär aus dem Innenministerium rausgekegelt" werde, um Hans-Georg Maaßen Platz zu machen.

Konstantin von Notz im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 20.09.2018
    Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen)
    Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen) plädiert dafür, den Verfassungsschutz besser zu kontrollieren (picture alliance/dpa/Maurizio Gambarini)
    Dirk-Oliver Heckmann: Ich habe vor wenigen Minuten gesprochen mit Konstantin von Notz von Bündnis 90/Die Grünen. Er ist stellvertretender Vorsitzender der Bundestagsfraktion und Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Und ihn habe ich zuerst gefragt, ob sich Andrea Nahles über den Tisch hat ziehen lassen.
    Konstantin von Notz: Ich glaube, es war einfach ein Fehler, das so öffentlich scharfzustellen und dann mit so einer festgelegten Position in eine Verhandlung zu kommen. In der Sache hat sie recht, Maaßen war nicht mehr tragbar als Präsident des Bundesamtes. Aber die SPD sieht jetzt halt nicht gut aus.
    Heckmann: Das heißt, Sie würden auch sagen, sie hat da einen großen strategischen Fehler gemacht?
    von Notz: Weiß ich nicht. Es ist eigentlich nicht mein Job, jetzt die Strategiefähigkeiten von Fraktionsvorsitzenden anderer Parteien und Fraktionen zu beurteilen. Aber man kann, glaube ich, sagen, durch das ganze Manöver hat das Ansehen der Politik nicht gerade gewonnen.
    Heckmann: Jetzt ist es aber ja auch so, die SPD hat ja den Rauswurf Maaßens gefordert und eine Beförderung bekommen. Und es liegt aber doch im Geschäftsbereich von Minister Seehofer, wen er in sein Ministerium reinholt. Da würden sich die Grünen ja auch nicht reinreden lassen, oder?
    von Notz: Das stimmt. Auf der anderen Seite müssen solche Positionen eben durchs Kabinett. Man muss so was immer in Paketen denken. Und dass dafür nun ausgerechnet ein unabhängig von seinem Parteibuch unbestritten fähiger Staatssekretär aus dem Innenministerium rausgekegelt wird, auch das hätte man auf der Rechnung haben müssen, glaube ich. Insofern ist es nicht nur die Schuld von Horst Seehofer, aber es ist schon so: Die CSU trollt mit ihrer Politik das ganze Land, und der Hauptverantwortliche ist da. Aber am Ende des Tages haben sich eben drei Fraktionen, drei Parteien darauf verständigt, und alle drei tragen Verantwortung.
    "Das ist keine gute Lösung"
    Heckmann: Was halten Sie denn von der Entscheidung, Maaßen mit der Verantwortung für die Bereiche Sicherheit, Cybersicherheit, Bundespolizei auszustatten. Seine Kompetenzen in dem Bereich sind ja unbestritten.
    von Notz: Ich halte trotzdem nicht viel davon. Ich finde es richtig, jetzt nicht sozusagen zu überziehen. Und natürlich, Herr Maaßen hat seine Verdienste auch beim Bundesamt für Verfassungsschutz. Trotzdem sind für mich die Äußerungen zu Chemnitz und vor allen Dingen die Äußerungen zu Chemnitz, die er nicht gemacht hat, dass er sich eben nicht zu diesen rechtsextremen, antisemitischen Ausschreitungen geäußert hat, das ist für mich unerklärlich. Es bleiben viele Fragen beim Anschlag vom Breitscheidplatz, die ganze Verweigerung der rückhaltlosen Aufklärung in Sachen NSU, all das sind Sachen, die nicht gerade das Vertrauen gestärkt haben. Und dass er jetzt im Innenministerium Verantwortung dafür trägt, das ist keine gute Lösung.
    Heckmann: Reicht es denn, den Kopf der Behörde des Verfassungsschutzamtes auszutauschen? Oder sollte man das zum Anlass nehmen, den Verfassungsschutz komplett umzustrukturieren?
    von Notz: Wir sind der Auffassung, dass man umstrukturieren muss. Das Modell Verfassungsschutz in Deutschland ist ein besonderes, auch wenn man es international vergleicht. Und es hat eben in den letzten Jahren immer wieder offenkundig massive Probleme gegeben. Wir würden gern die Behörde in zwei Teile aufteilen. Einmal die ganze Erkenntnisgewinnung, die aus offenen Quellen erfolgt, in ein Institut ziehen, das nach streng wissenschaftlichen Kriterien arbeitet, und dann die nachrichtendienstlichen Mittel, die eingesetzt werden, sehr viel strenger parlamentarisch kontrolliert in einer davon getrennten Behörde machen.
    Heckmann: Was soll diese Aufteilung bringen?
    von Notz: Dass man diese große Behörde besser kontrollieren kann, dass bestimmte Bereiche – wer wird beobachtet, warum – transparenter werden, und dass vor allen Dingen beim Einsatz von V-Leuten die parlamentarische Kontrolle besser funktionieren kann. Wir haben da einfach massive Probleme, das wissen wir seit dem NSU, und es zeichnet sich auch beim Anschlag auf dem Breitscheidplatz ab, dass es da einfach strukturelle Kontrollprobleme gibt. Und deswegen ist es gut, wenn wir über eine Reform reden. Mit einer Personalie sind die Probleme nicht aus der Welt.
    von Notz: Verfassungsschutz besser kontrollieren
    Heckmann: Wie können diese V-Leute besser kontrolliert werden?
    Mattheis: Erst mal muss man die Kriterien strenger fassen. Das war eigentlich Konsens nach den NSU-Untersuchungsausschüssen. Die Große Koalition hat sich dann am Ende nicht durchringen können, eine harte Linie zu ziehen. Wir sagen, es kann nicht sein, dass einschlägig massiv vorbestrafte Leute vom Staat angeworben werden können. Man muss hier mal klar machen, das sind überzeugte zum Beispiel Rechtsextremisten oder Islamisten, die regelmäßig vom Staat Geld für Informationen bekommen. Wenn die relevant einschlägig vorbestraft sind, ist das einfach hochproblematisch, das hat man an vielen Konstellationen gesehen. Und da müsste man erst mal die Kriterien schärfer ziehen. Und dann muss auch die Führung der V-Leute einer parlamentarischen Kontrolle unterliegen. Das wird bisher vonseiten der Behörden weitgehend verweigert.
    Heckmann: Glauben Sie, dass es zu einer solchen Reform oder einer ähnlichen Reform zur Umstrukturierung kommen wird unter der Großen Koalition?
    Mattheis: Ich habe den Eindruck, dass unser Vorschlag schon Beachtung gefunden hat jetzt die letzten Tage, und dass auch im Bundeskanzleramt und an anderen Stellen der Regierung ein Problembewusstsein dafür da ist, dass es sich um strukturelle, und nicht nur um personelle Probleme handelt. Aber ich bezweifle, dass die große Koalition die Kraft hat, jetzt in den nächsten Monaten eine solche Reform anzugehen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.