Freitag, 29. März 2024

Archiv


Grünes Paradies mit Aussicht

Ein Garten muss nicht unbedingt neben dem Haus liegen; er kann auch obendrauf grünen und blühen. Allerdings sollte der Untergrund gut abgedichtet sein, und zu schwer darf das Ganze auch nicht werden. Ansonsten ist der Freude am grünen Dach kaum eine Grenze gesetzt, und Vögel und Insekten kommen ganz von selbst.

Von Daniela Siebert | 25.06.2012
    Wenn Paul Ingenbleek auf das Flachdach über seiner Wohnung in Berlin-Kreuzberg steigt, dann steht er mitten im Grünen.

    "Es gibt verschiedene Bereiche: es gibt einmal meine Obstplantagen, das sind alle möglichen Arten an Johannisbeeren, Stachelbeeren, Heidelbeeren gibt's hier oben, Erdbeeren, bisschen Gemüse, dann gibt es ein Kräuterbeet und einen Obstbaumgarten mit Apfelbäumen, Kirschbäumen, Pfirsichbäumen."

    Dazu kommen noch zahlreiche Blumen und Gräser und eine Buchsbaumhecke als Windschutz. Damit hat sich der Architekt zwar sein eigenes grünes Paradies geschaffen, mit einem herrlichen Blick über die Dächer, aber auch eine ordentliche Portion Gartenarbeit. Paul Ingenbleek hat sich sozusagen für die Luxusvariante einer Dachbegrünung entschieden. Es geht aber auch ein paar Nummern kleiner, indem nur pflegeleichte niedrige Pflanzen aufs Dach aufgebracht werden. Fachleute sprechen dann von Extensivbegrünung - so wie Bauleiter Ralf Spiegel von Kusche und Partner, einem Berliner Dachbegrünungsunternehmen.

    "Die Vegetationsschicht liegt so bei circa zehn Zentimetern, fängt bei Minimum acht an, und dadurch bedingt hat man auch eine begrenzte Pflanzenauswahl, die man nehmen kann, wir reden über Kräuter, Sedumsprossen, Fetthennegewächse zum Beispiel, Salbei und Lavendel und bestimmte Gräser, Schwingelgräser und so weiter."

    Ein bepflanztes Dach hat viele Vorteile – für die Hausbesitzer und für die Umwelt. Martin Küster von der Fachvereinigung Bauwerksbegrünung nennt die wichtigsten Punkte.

    "Ökologische Vielfalt, man hat hohe Artenvielfalt, man hat eine höhere Verdunstung, ein besseres Kleinklima, man hat Schallschutz, man hat Feinstaubbindung, man kann eventuell sogar die Dachfläche nutzen als erweiterten Wohnraum für eine Fläche, die schon bezahlt ist."

    Das grüne Dach verbessere das Klima sogar in der Wohnung, berichtet Paul Ingenbleek. Möglich mache das unter anderem der bis zu 90 Zentimeter hohe Aufbau seines Pflanzendaches.

    "Durch die Bewässerungsanlage fließt das Wasser durch den Boden runter bis zur Dichtung, die auf einer Betondecke aufgeklebt ist und kühlt damit gleichzeitig die Betondecke. Darüber hinaus kommt eine gewisse Verdunstungsenergie mit Sonnenwärme und hält im Sommer die Wohnung relativ kühl unten."

    Doch nicht jedes Dach lässt sich zur grünen Oase machen. Zu allererst sollte es flach oder nur leicht bis zu 40 Grad geneigt sein. Neben Hausdächern kommen dafür deshalb auch Garagen oder Carports in Frage. Dann muss das Dach statisch ausreichend tragfähig sein für eine Begrünung. Außerdem braucht jedes Gründach ein Mindestmaß an Pflege, schon allein damit Flugsamen nicht auf einmal einen Ahorn oder eine Eiche dort Wurzeln schlagen lassen. Ralf Spiegel:

    "Auf jeden Fall muss man eine Pflege mit einkalkulieren, Minimum würde ich sagen, sind zwei Pflegegänge pro Jahr, die man machen muss: man sollte gucken wegen Fremdanflug, irgendwelche Samen und meist hat man ja außenrum einen Kiesstreifen oder irgendwelche Abläufe, die sollten kontrolliert und gereinigt werden, damit auch eine Funktionalität für viele Jahre gewährleistet ist."

    Neben der Pflege sind die Kosten ein Faktor: Gründächer sind bei der Installation und Pflege teurer als herkömmliche Dächer, weil beispielsweise eine Dränage, ein Durchwurzelungsschutz und ein besonderes Substrat verbaut werden müssen. Das rechne sich aber langfristig, betonen die Fachleute.

    "Erstmal ist es ein wunderbarer Schutz der Dachdichtung, wenn eine Dachbegrünung drauf ist, weil dann die ganzen Einflüsse wie Wärmeausdehnungen, die dann reduziert sind, auch der Hagelschlag ist reduziert, das ist erstmal ein hervorragender Dachschutz die Dachbegrünung und die Wurzelfestigkeit ist gegeben, wenn ganz normale Dachbegrünungspflanzen dort wachsen. Sie sind nicht aggressiv, aggressiv sind nur die Sämlinge, die dann wirklich durch die regelmäßige Pflege, wenn das durchgeführt und die rausgezogen werden, dann für die Dachdichtung keine Gefahr darstellt. Unsere längsten Dächer gibt es schon seit 30 Jahren."

    Viele Städte und Gemeinden fördern Dachbegrünungen durch Zuschüsse bei der Installation oder durch Ermäßigungen bei den Abwassergebühren. Für geschickte Heimwerker noch interessant: die nötigen Utensilien kann man auch zum Selberbauen kaufen.