Mittwoch, 24. April 2024

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Grundeinkommen statt Mindestlohn

Götz Werner, Chef der DM-Drogeriekette, hält Mindestlohn-Forderungen für zu kurz gegriffen. Er plädiert für ein arbeitsunabhängiges Grundeinkommen. "Einkommen brauchen wir Menschen, weil wir leben, und wenn wir leben, haben wir unsere Lebensbedürfnisse", argumentiert Werner.

Moderation: Friedbert Meurer | 28.12.2007
    Friedbert Meurer: Mindestlohn, Grundeinkommen, Grundsicherung - im Deutschland der Jahre 2007 und 2008 haben Ideen Konjunktur, die vor zehn Jahren noch weit davon entfernt waren, mehrheitsfähig zu sein. Leistung soll sich wieder lohnen, das war das Motto in den 70er Jahren oder in den 80er Jahren. Gemeint waren damals eher Unternehmer oder Selbstständige. Vielleicht kehrt das Motto indirekt doch wieder zurück, auch die Leistung eines Maurers, eines Gebäudereinigers, einer Friseurin oder eines Briefträgers sollen sich wieder lohnen.

    Einer, der ein "Einkommen für alle" fordert, so der Titel eines Buches von ihm und ganz Hallen mit Vorträgen füllt, ist der Chef der DM-Drogeriekette Götz Werner. Sein Unternehmen hat allein in Deutschland über 17.000 Beschäftigte. Guten Morgen, Herr Werner!

    Götz Werner: Guten Morgen, Herr Meurer!

    Meurer: Mindestlöhne sind populär, einen Mehrheit in den Umfragen befürwortet sie ziemlich deutlich. Ist das Wasser auf Ihre Mühlen pro Grundeinkommen?

    Werner: Ja, insoweit schon, als doch immer mehr Menschen inzwischen verstehen, dass man von seinem Einkommen auch leben können muss. Und das ist, glaube ich, die Forderung in unserer Zeit, dass, wenn man in unserer Gesellschaft leben will, dass man dann ein Einkommen braucht, und zwar ein Einkommen, von dem man zumindest bescheiden, aber menschenwürdig leben kann. Das ist ja auch die Forderung unseres Grundgesetzes.

    Meurer: Sie sind ja, Herr Werner, für ein Einkommen, für ein Grundeinkommen von 800 Euro, das später vielleicht sogar mal bis auf das Doppelte steigen könnte und dieses Einkommen unabhängig, ob man arbeitet. Da stellt sich die Frage, sind Sie überhaupt für Mindestlöhne?

    Werner: Ja, der Mindestlohn liegt davon schon ab und zwar deswegen, weil es immer wieder voraussetzt, dass ich überhaupt einen Arbeitsplatz habe. Und das Einkommen brauchen wir aber, damit wir arbeiten können, nicht weil wir arbeiten. Also, die Gesellschaft muss bereit sein, jedem Bürger eine Teilhabe an unserem gemeinsamen Wertschöpfungsergebnis zu gewähren, damit er dann sich einbringen kann. Also wenn wir heute arbeiten, dann können wir nur dann arbeiten, wenn wir auch ein Einkommen haben. Da trifft sich das mit dem Mindestlohn schon, aber wir müssen die gesamte Gesellschaft ja, allen Menschen in der Gesellschaft ermöglichen, dass sie bescheiden, aber menschenwürdig erst mal leben können, bevor sie dann auch gemäß ihren Fähigkeiten ihren Beitrag in die Gesellschaft einbringen können. Also ohne Einkommen kann man heute in der Gesellschaft nicht leben.

    Meurer: Wo würden Sie denn einen Mindestlohn in Deutschland ansetzen, wenn Sie da eine Zahl nennen würden? Hallo, Herr Werner?

    Werner: Ja, Hallo? Einen Mindestlohn ansetzen? Ja, ich würde es trennen von der Frage, was hat ein Mensch für eine Arbeit und von der Tatsache, dass er lebt, und er braucht das Einkommen, weil er lebt, und er braucht nicht das Einkommen, weil er arbeitet. Ja, also das Einkommen brauchen wir Menschen, weil wir leben, und wenn wir leben, haben wir unsere Lebensbedürfnisse, und dafür brauchen wir ein Mindesteinkommen, und wenn wir das Mindesteinkommen haben, dann können wir auch arbeiten, dann können wir unsere Leistung auch beitragen. Also ohne dass wir ein Einkommen haben, können wir gar nicht einsteigen in die Gesellschaft, können wir gar nicht mitmachen in der Gesellschaft, können wir gar nicht unsere Fähigkeiten eintragen. Und deswegen greift der Mindestlohn viel zu kurz, egal wie hoch er ist. Was wir brauchen, ist ein Grundeinkommen, eine Grundsicherung, die uns die Sicherheit gibt, dass wir in dieser Gesellschaft menschenwürdig leben können und unsere Fähigkeiten, unsere Kreativität, unsere Initiativkraft einbringen können. Das ist der Unterschied.

    Meurer: Würden Sie dann sagen, die ganze Debatte über den Mindestlohn ist eigentlich sogar eher kontraproduktiv?

    Werner: Nein, kontraproduktiv sie nicht, aber sie ist deswegen nicht kontraproduktiv, weil sie uns aufmerksam mach, auf die Tatsache, dass der Mensch eben ein bestimmtes Einkommen braucht, um überhaupt leben zu können.

    Meurer: Jetzt frage ich mal den Unternehmer Götz Werner. Sie sind ja noch aktiver Chef der DM-Drogeriekette. Sind Sie der Meinung, Mindestlöhne machen Arbeitsplätze kaputt, vernichten Arbeitsplätze?

    Werner: Sie haben natürlich die Tendenz, dass dann Arbeiten nicht angeboten werden oder nicht mehr angeboten werden können, die man sonst ergreifen könnte, um sich zum Grundeinkommen was dazuzuverdienen. Die Arbeitsplätze stehen ja immer im Wettbewerb, besonders, wenn sie international verfügbar sind, und dass die Arbeit dann woanders gemacht wird. Also wir lösen das Problem nicht grundsätzlich damit, mit dem Mindestlohn. Also natürlich ist es notwendig, dass wenn eine Friseuse wo arbeitet, dass sie dann auch so viel arbeitet, dass sie davon leben kann, also da bin ich absolut dafür, aber wir müssen darüber hinaus denken, das ist schon ein Umdenken für uns, und müssen sagen, es geht nicht darum, Arbeit zu bezahlen zum Beispiel mit einem Mindestlohn, sondern es geht darum, Arbeit zu ermöglichen. Die Menschen müssen leben können, damit sie arbeiten können.

    Meurer: Die Mindestlöhne würden die Unternehmen bezahlen, das Grundeinkommen, das Sie propagieren, Herr Werner, muss der Staat bezahlen. Sind Sie deswegen als Unternehmen für das Grundeinkommen?

    Werner: Entschuldigen Sie bitte, Herr Meurer, das ist ein Denkfehler. Die Löhne bezahlt immer letzten Endes der Verbraucher in den Preisen. Also wir bezahlen alles letzten Endes in den Preisen, ob der Staat ein Einkommen generiert oder ob ein Unternehmen oder der Einzelne ein Einkommen generiert, zahlen müssen wir es immer mit den Preisen des Wertschöpfungsergebnisses, so gesehen ist das ein gesellschaftliches Teilungsverhältnis und da muss umgedacht werden. Das kann man erkennen.

    Meurer: Bedeutet das, dass um ein Grundeinkommen zu finanzieren, es quasi alle bezahlen über höhere Preise oder über höhere Mehrwertsteuer, indirekte Steuern?

    Werner: Alles, was wir heute konsumieren, alles was wir heute konsumieren, sorgt dafür, zieht nach, dass wir die Geldmenge brauchen, um das, was wir konsumieren. auch bezahlen können. Soweit ist immer die Frage, was tun wir produzieren? Und alles, war wir produzieren können, alles. war wir an Leistungen generieren können, können wir auch finanzieren. Und die Frage ist, haben wir genügend Güter, um zu leben. und das ist, glaube ich, unzweideutig der Fall.

    Meurer: Andererseits ist davon die Rede, Ihr Modell würde 1,5 Billionen Euro kosten.

    Werner: Nein, das ist einfach falsch gedacht, weil: Das ganze Geld fließt ja schon. Sie können ja in unserer Gesellschaft gar nicht leben, wenn Sie kein Einkommen haben. Es geht also eigentlich nur um die doch Gott sei Dank nicht allzu vielen, aber viel zu vielen Menschen, die kein ausreichendes Einkommen haben. Deswegen sind diese Rechnungen eigentlich naiv, sie sind naiv, also weil: Die Zahlungsströme fließen ja schon, und das Grundeinkommen wäre ja substitutiv auf alle die Einkommen, die schon bestehen. Und nur die Menschen, die weniger hätten wie diese 800 Euro, das müsste man dann auffüttern, und die Frage ist, haben wir dafür die Güter und diese Güter, die wir dazu benötigen, die haben unzweifelhaft.

    Meurer: Wie kommt ein milliardenschwerer Unternehmer, jedenfalls behauptet das "Manager-Magazin" ja, dass Ihr Unternehmen über eine Milliarde wert sei, wie kommen Sie dazu, für Umverteilung zu propagieren?

    Werner: Ja, also, Umverteilung würde ich auch nicht behaupten, sondern ich würde sagen, es geht darum, dass die Menschen ihre Lebensgrundlage haben und zwar ihre Lebensgrundlage haben, die es ihnen erlaubt, ihr Leben zu gestalten und ihr Leben zu planen. Und das ist mit dem Grundeinkommen gemeint, und das kann sich unsere Gesellschaft leisten, und das Problem ist, dass wir das noch nicht denken können, also so gesehen haben wir kein Unterschichtenproblem, sondern wir haben ein Oberschichtenproblem.

    Meurer: Die Oberschicht will Ihren Gedanken nicht folgen?

    Werner: Es braucht eine Zeit, so würde ich sagen. Also es ist doch schon so, dass immer mehr Menschen das sehen und dass wir eigentlich nur unserem Grundgesetz folgen müssen, und darum geht es, dass jeder einzelne Mensch in Würde leben können muss.

    Meurer: Gehört zur Würde zu leben nicht auch das Bedürfnis dazu, sich mit Arbeit zu verwirklichen?

    Werner: Ja, gerade das kann man ja dann erst. Schauen Sie mal, das ist genau das, was umgedacht werden muss. Herr Meurer, Sie bringen die Sache auf den Punkt. In dem Moment, wo ich einsehe, dass ich erst, wenn ich ein Einkommen habe, arbeiten kann, dann ist man auf dem Weg des Grundeinkommens, also dass das Einkommen nicht die Folge von Arbeit ist, sondern dass ein Grundeinkommen eine Voraussetzung ist, um dann arbeiten zu können. Ich brauche ein Stück Teilhabe, um dann teilnehmen zu können. Mit dem Grundeinkommen kann ich dann das arbeiten, was ich, was meinen Fähigkeiten entspricht, was meinen Lebenszielsetzungen entspricht und wo ich glaube, dass andere meine Leistung benötigen, dann habe ich ein Stück Freiraum, wo ich einsteigen kann, und dann haben wir das Problem mit den Mindestlöhnen auch nicht mehr.

    Meurer: Warum glauben Sie, ganz kurz, dass die Menschen arbeiten, wenn sie für das gleiche Geld zu Hause bleiben können?

    Werner: Ja, weil die Menschen mehr haben wollen. Dann würden die Menschen heute ja schon aufhören, wenn sie 600, 700 oder 800 Euro verdient hätten. Weil: Der Mensch will immer weiter, schneller, höher. Also wir wollen dazuverdienen, wir wollen uns mehr leisten können, wir wollen mit anderen zusammen etwas verwirklichen können, wir wollen unsere Fähigkeiten einbringen können. Das liegt in jedem Menschen als Grundbedürfnis in ihm. Die Frage ist, wie weit wir es verhindern.

    Meurer: Götz Werner, Chef der DM-Drogeriekette, heute Morgen im Deutschlandfunk, Herr Werner, schönen Dank und auf Wiederhören.

    Werner: Ja, vielen Dank Herr Meurer.