Grundrechtsdilemma in der Coronakrise"Kinder werden entwürdigt"
Ist das Leben der höchste Wert oder die Würde des Menschen? Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat kritisiert, dass der Lebensschutz wegen Corona allem übergeordnet werde. Der Jesuit Klaus Mertes pflichtet dem Politiker im Dlf bei. Vor allem Kinder würden "wie Aussätzige" behandelt.
Hören Sie unsere Beiträge in der Dlf Audiothek- Jesuitenpater Klaus Mertes vermisst in der aktuellen Debatte, dass über die Opfer des Shutdowns gesprochen wird (dpa/Marius Becker)
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"Für mich ist es wichtiger, in Würde zu sterben als möglichst lange physisch zu leben", sagte der Jesuit Klaus Mertes im Dlf-Interview. Derzeit werde jedoch durch die Coronamaßnahmen der Lebensschutz absolut gesetzt. "Es muss ein Spielraum bleiben für Güterabwägung", forderte Mertes.
Die Maßnahmen der Bundesregierung gäben dem Lebensschutz im Alltag eine so hohe Bedeutung, dass damit das Leben vieler Menschen beschädigt werde. Als Beispiel nannte er den Umgang mit Kindern. Wenn diese als Gefährder beschimpft würden, weil sie mit der Mutter im Supermarkt unterwegs seien, dann habe das tiefgreifende Auswirkungen auf die Kinderpsyche. Kinder würden derzeit behandelt, als seien sie "unrein", so Mertes. "Da haben wir das klassische Aussatzproblem und das entwürdigt Menschen, das entwürdigt Kinder in ihrem Selbstverständnis."
(picture allaince / dpa / Patrick Seeger)"Vor dem Tod kann der Staat uns nicht schützen"
Durch das Coronavirus würden viele Menschen mit dem Thema Tod konfrontiert, sagte die ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann im Dlf. Doch der Staat könne Menschen nicht vor dem Tod bewahren. Er könne aber Leben schützen, und das solle er auch.
Er vermisse in der aktuellen politischen Debatte, dass über die Opfer des Shutdowns gesprochen werde, sagte der Jesuiten-Pater: In der Behindertenarbeit würden gerade alle Errungenschaften der Inklusion fortgewischt. Alte Menschen dürften nicht mehr selbst bestimmen, wer sie besuche. Altenpflerinnen und -pfleger sähen sich Klagen von Anwälten ausgesetzt.
(Christoph Vohler)Psychotherapeut Pajonk: „Wir werden noch lange damit leben müssen“
Viele Menschen sind in Corona-Zeiten überfordert, andere unterfordert. Die Krise beherrsche jedes Gespräch in seiner Praxis, sagte der Psychotherapeut Frank-Gerald Pajonk im Dlf. Viele seien innerlich angespannter und gereizter. Er empfahl, nach "Fundamenten in uns" zu suchen, die Sicherheit geben.
Mertes, der das Jesuitenkolleg in St. Blasien leitet, plädiert für eine Öffnung der Schulen. Kindern und Jugendlichen würden gerade grundlegende Chancen genommen. Eltern seien überfordert mit der Situation. "Da besteht eine echte und große Not", so Mertes.