Mittwoch, 24. April 2024

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Grundrente-Pläne
"Heil schießt über das Ziel hinaus"

Im Kern unterstützt Mike Mohring, CDU-Landeschef in Thüringen, die Grundrente-Pläne von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Allerdings könne er diese nicht umsetzen, ohne die Bedürftigkeit zu prüfen. Sonst verschließe er die Augen vor weiteren Alterseinkünften, sagte Mohring im DLF.

Mike Mohring im Gespräch mit Christiane Kaess | 04.02.2019
    Mike Mohring, Landesvorsitzender der CDU in Thüringen spricht bei einer Pressekonferenz nach der Sitzung des CDU-Bundesvorstands
    "Wir wollen Altersarmut vermeiden", sagte Mike Mohring im Dlf. (dpa / Michael Kappeler)
    Christiane Kaess: 35 Jahre lang gearbeitet oder noch länger und im Alter reicht die Rente dann trotzdem nicht, denn der Lohn war einfach zu niedrig. Menschen, die vor diesem Problem stehen, haben nur die Wahl, sich mit einer extrem niedrigen Rente von wenigen hundert Euro durchzuschlagen oder zum Amt zu gehen und die sogenannte Grundsicherung von etwa 800 Euro, also Sozialhilfe zu beantragen. In diesem Fall müssen sie allerdings genauso wie Hartz-IV-Empfänger ihre Vermögensverhältnisse offenlegen. Das will Bundesarbeitsminister Hubertus Heil von der SPD jetzt ändern. Wenn es nach ihm geht, soll jede und jeder, die oder der 35 Jahre lang gearbeitet hat, eine Rente von rund 900 Euro bekommen, unabhängig davon, was sie oder er sonst noch hat. Ich kann darüber jetzt sprechen mit Mike Mohring. Er ist CDU-Präsidiumsmitglied und Landeschef der CDU in Thüringen. Guten Morgen, Herr Mohring!
    Mike Mohring: Guten Morgen!
    Kaess: Weil ja viele Wähler im Osten – wir haben es auch gerade schon gehört – von diesem Problem betroffen sind, setzen Sie sich ja auch für eine Grundrente ein. Finden Sie diese konkreten Vorschläge von Hubertus Heil jetzt gut?
    Mohring: Erst mal ist es gut, dass der Minister nun endlich vorgelegt hat, nachdem wir uns ja schon im Koalitionsvertrag auf dieses Modell der Grundrente, die mehr sein muss als die Grundsicherung, verständigt haben. Jetzt schießt er über das Ziel hinaus, und natürlich ist es dann kompliziert, und das heißt dann, dann dauern Einigungen länger. Wir wollen aber als Union, dass es dieses Jahr zu einer Lösung kommt und der Koalitionsvertrag umgesetzt, damit die Bürger auch sehen, dass wenn sich Politik auf ein Ziel verständigt, dann wird nicht ewig geredet, sondern es wird irgendwann auch praktische Politik, und das stärkt auch das Vertrauen in diejenigen, die die Demokratie repräsentieren, und das sollte man verbessern.
    "Wir wollen Altersarmut vermeiden"
    Kaess: Und das ist ja auch verständlich, Herr Mohring, denn Sie haben die Landtagswahl natürlich im Herbst vor Augen, aber wo schießt er denn für Sie übers Ziel hinaus?
    Mohring: Also wir haben ja zwei Ziele, die uns ja wichtig sind. Wir wollen Altersarmut vermeiden. Ich glaube, es sind auch die Koalitionspartner in der Summe einig. Wir wollen natürlich, dass diejenigen, die ein Leben lang gearbeitet haben, nicht am Ende auf Grundsicherung angewiesen sind. Wenn man jetzt mal in die Lebensbiografien schaut, dann sieht man, dass zum Alterseinkommen eben nicht nur die gesetzliche Rente dazugehört, sondern auch Betriebsrenten und private Vorsorge natürlich auch eine Rolle spielen. Gerade in der Region, wo ich zu Hause bin, in den neuen Ländern haben oft die Rentner nur Einkommen aus der gesetzlichen Rente, weil es ihnen gar nicht möglich war, Betriebsrenten oder auch private Vorsorgen aufzubauen.
    Kaess: Und was kritisieren Sie jetzt an dem …
    Mohring: Da ist genau der Unterschied, denn das heißt, dass wenn Hubertus Heil sagt, er will das alles ohne Bedürftigkeitsprüfung machen, dann verschließt er die Augen aus weiteren Alterseinkünften, und die muss man aber dazunehmen, sonst würde man das Ziel, Altersarmut zu vermeiden, auch nicht erreichen.
    Kaess: Also es geht Ihnen auch um diese Bedürftigkeitsprüfung. Da kam ja gestern schon mehr Kritik aus der CDU. Heil setzt dem aber entgegen, dass er sagt, es geht ja um die Anerkennung einer Arbeitsleistung, und es wäre respektlos, wenn wir diese Menschen nach einem Arbeitsleben zwingen würden, wie bei dieser Bedürftigkeitsprüfung, ihre Vermögensverhältnisse darzulegen und eventuell auch erst mal Rücklagen aufzubrauchen. Warum ist dieses Argument für Sie nicht nachvollziehbar?
    Mohring: Das ist nachvollziehbar, aber da hilft dann auch ein Blick in die Koalitionsvereinbarung. Also erstens ist wichtig, der Sozialstaat darf nicht die Augen verschließen vor diesen Einkünften, und das Zweite ist, im Koalitionsvertrag …
    "Alterseinkommen haben nicht alle drei Säulen"
    Kaess: Die ja nicht jeder hat, das muss man an der Stelle natürlich auch sagen.
    Mohring: Absolut, habe ich auch unterstrichen. Die Alterseinkommen haben nicht alle aus drei Säulen, aber es gibt auch viele, die haben sie aus den drei Säulen. Sie haben zwar aus der Säule der gesetzlichen Rente wenig, aber in der Summe aus anderen Modellen aber dann doch ein einkömmliches Alterseinkommen im Gegensatz zu den Kollegen.
    Kaess: Glauben Sie denn, dass das die Mehrheit dieser betroffenen Menschen ist?
    Mohring: Im Osten definitiv nicht. Im Osten haben die Rentner oft nur aus einer Säule Einkommen. Deswegen habe ich auch meiner Partei empfohlen, darüber nachzudenken und zu prüfen, ob man nicht die niedrigen Löhne aus den 90ern und 2000er-Jahren, die ja sozusagen faktisch Lebensrealität waren, die auch durch die Höherwertung der Mindestentgeltpunkte so stellt, als ob es diese Niedriglohnphase nicht gegeben hätte, wenn wir jetzt mal nicht die gesellschaftlichen Umbrüche am Ende den Leuten alleine aufbürdet bei ihrer Rente. Das wollen wir auch prüfen und nachdenken, und ich glaube, da findet man auch einen gemeinsamen Weg, aber wenn man das pauschal für alle macht, Teilzeit miteinbezieht, dann geht es außer Ufer. Dann teile ich das, was auch Eckhardt Rehberg gesagt hat, da bleibt die Frage, hat Hubertus Heil überhaupt jemals in diesen Modellen mit dem Bundesfinanzminister gesprochen. Wir bezweifeln das.
    "Höhere Freibeträge einführen"
    Kaess: Aber ich muss da noch mal nachfragen, Herr Mohring: Ist das nicht beschämend, wenn jemand 35 Jahre lang gearbeitet hat und eventuell nur eine Rente von zum Beispiel 500 Euro bezieht, zum Amt gehen zu müssen, alle Vermögensverhältnisse offenlegen zu müssen, um dann eine Grundsicherung von 800 Euro zu bekommen? Das reicht doch, wenn er 35 Jahre lang gearbeitet hat und das ja eben auch nachgewiesen werden kann.
    Mohring: Genau, da komme ich nur auf den Koalitionsvertrag zurück. Ich habe mich auch persönlich dafür eingesetzt, dass wir dort geregelt haben, dass bei den Prüfungen der Vermögensverhältnisse, also neben den Einkommensverhältnissen, wir auch Freibeträge einführen, damit klar ist, die Garantie, wenn es jemand geschafft hat, trotzdem sich ein selbstgenutztes Eigenheim, ein kleines Reihenhaus oder eine Wohnung aufzubauen und sein Eigen zu nennen, dass er Sicherheit hat, das bleibt auch seins, auch wenn er zum Amt gehen müsste, um auch die Sicherheit zu geben, es wird nicht alles infrage gestellt, nur weil man vielleicht noch Hilfe braucht. Das ist, glaube ich, ganz wichtig.
    Kaess: Also ärgern Sie sich durchaus durch manche Kritik, die jetzt aus der eigenen Partei bei Ihnen kommt?
    Mohring: Nein, das liegt einfach daran, dass natürlich die Ansprüche und die Ansätze, wie man die Modelle regelt, um Altersarmut zu vermeiden, höchst unterschiedlich sind in allen Parteien. Hubertus Heil hat jetzt was vorgelegt, über das man diskutieren sollte, aber wenn man eine Einigung will in dieser Wahlperiode, dann ist es klug, sich nah an der Vereinbarung zu halten, die die drei Koalitionsparteien miteinander geschlossen haben. Da ist ja meine Partei schon einen weiten Weg gegangen, worüber ich sehr froh bin, aber wenn man jetzt eine Lösung will, sollte man es nicht so hinstellen, dass es nicht mehr einigungsfähig ist. Ich würde das bedauern, weil – da wiederhole ich mich – das Vertrauen liegt darin, dass man irgendwann die Dinge auch entscheidet, die man richtigerweise analysiert hat.
    AfD? - "Das lege ich beiseite"
    Kaess: Herr Mohring, die AfD im Osten sagt, wir sind die Partei der sozialen Gerechtigkeit. Bestätigen diese Einwände, die jetzt gerade aus der CDU kommen gegen die Pläne von Heil, dass die CDU das nicht ist?
    Mohring: Die AfD ist eine Partei der Distanzlosigkeit. Das, was die vorgelegt haben, ist weder abgestimmt in ihrer Partei, was die Rentenpolitik betrifft, noch gibt es dafür überhaupt eine Finanzierungsgrundlage. Das lege ich beiseite. Deswegen sind wir ja verpflichtet als Volkspartei und als die Parteien, die Verantwortung tragen im Land, auch eine Lösung zu finden, und wir haben das, was wir lösen wollen, im Koalitionsvertrag vereinbart. Das ist ja eine ganz wichtige Zielmarke, dass wir als Union sagen, wir wollen auch diese Grundrente, die mehr ist als Grundsicherung, um die Lebensleistung anzuerkennen. Da sind wir ja auch … zusammen in der Zielrichtung, glaube ich, sehe ich überhaupt keinen Unterschied zwischen den großen Parteien, die die Regierung stellen, weil es uns wichtig ist, den Leuten zu zeigen, wer jeden Tag früh sich aufmacht, wer das sein Leben lang tut und zum Teil ja bei uns in der Region wirklich die Menschen sogar 45 Beitragsjahre auf dem Buckel haben nach einer Leben langen Arbeit, dass die bessergestellt müssen und nicht zum Amt rennen müssen, das teile ich uneingeschränkt diese Position.
    Kaess: Und trotzdem wollen Sie nicht so weit gehen wie Hubertus Heil. Ich habe jetzt die AfD zitiert, ich hätte genauso gut, weil Sie ja wahrscheinlich auch die Umfragen im Blick haben, die Linke zitieren können, die sagt, 1.050 Euro sind überhaupt nötig, wenn man Altersarmut verhindern will. Jetzt plädieren Sie in diesem Gespräch eigentlich für vorsichtiges Geldverteilen und wollen, wie gesagt, nicht so weit gehen wie Hubertus Heil das in seinen Vorschlägen tut.
    Mohring: Wir wollen dafür plädieren, zielgenau das Geld zu verteilen, wirklich die Bedürftigen zu erreichen, wirklich die zu erreichen, die wirklich in Altersarmut landen würden, obwohl sie ein Leben lang gearbeitet haben, aber deswegen davor nicht die Augen zu verschließen, sondern zu schauen, wer hat noch weitere Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, aus Betriebsrenten, aus privater Vorsorge. Das gehört doch zu einem realistischen und sachlichen Blick dazu, weil doch all das, was wir im Alter verteilen, auch solidarisch erwirtschaftet werden muss, und davor, finde ich, darf man nicht die Augen verschließen, sondern muss sachgerecht und zielgenau gucken, dass man wirklich helfen kann und dass wir helfen müssen. Das verstehe ich als Grundkonsens, und deswegen muss man das jetzt auch lösen, und das ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Punkt. Man darf sich nicht von den Populisten treiben lassen, weil eins ist doch klar: Wenn Hubertus Heil heute 961 Euro Grundrente machen würde, würde die Linke morgen 1.200 fordern, und wenn er das machen würde, wird die in zwei Jahren 1.500 fordern. Mit Populismus mit links und rechts gewinnen wir nie. Wir müssen sachgerechte und kluge Lösungen für die Zukunft machen. Da liegt unsere Chance, aber auch unsere Stärke in Verantwortung.
    "Ich hoffe, dass die Gespräche nicht zerfasert werden"
    Kaess: Und guckt Ihre Partei da so genau und differenziert hin wie Sie das gerade verlangt haben, wenn zum Beispiel der CDU-Sozialexperte Peter Weiß sagt, da wird Geld mit der Gießkanne verteilt. Ist das nicht etwas übertrieben, bei einer ordentlichen Rente nach 35 Jahren von Geld mit der Gießkanne verteilen zu sprechen?
    Mohring: Na ja, ich sage, es gibt ja unterschiedliche Blickwinkel, aber ich habe die Woche gemeinsam mit den Experten, die sich sehr gut auskennen in der Union, im Kanzleramt über unser Modell gesprochen, in das wir in die Gespräche mit Hubertus Heil gehen würden, und dort habe ich einen guten Eindruck, dass alle wirklich an einer gemeinsamen Lösung interessiert sind, die nah am Koalitionsvertrag ist, aber auch eine Einigung mit der SPD ermöglicht. Ich glaube, man kann sich über Gespräche freuen, und ich hoffe nur, dass sie nicht zerfasert werden, wenn wir jetzt nicht über den ganzen Sommer und Herbst bis in das nächste Jahr hinein diskutieren, sondern dass aus den Vorschlägen von Hubertus Heil ein gemeinsamer Vorschlag in der Koalition wird, der auch Gesetzentwurf ist und der auch mit dem Bundesfinanzminister abgestimmt ist. Ich glaube, da müssen auch in der SPD noch einige Gespräche geführt werden, aber lösen und anpacken sollte man das jetzt auf alle Fälle.
    Kaess: Und wir werden das weiterverfolgen. Danke schön für das Gespräch!
    Mohring: Gerne!
    Kaess: Mike Mohring, er ist Landeschef der CDU in Thüringen und Mitglied im CDU-Präsidium.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.