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Grundschüler experimentieren

Zur "Woche der Naturwissenschaften" an der Klax-Grundschule in Berlin ist Georg Stammler angereist. Er ist Chemiker an der Universität Bielefeld und auf den Unterricht für junge "Naturforscher" spezialisiert. Die Kinder bauten Lupen und trennten Farben.

Von Agnes Steinbauer | 16.09.2005
    "Das wundert mich total, hier kommen ja jetzt verschiedene Farben raus. Ich dachte, das ist nur eine Farbe!"

    Nastasia beugt sich über ihre Gerätschaften: Ein Glas, halb gefüllt mit Wasser, ein Streifen Löschpapier, der ins Wasser hängt und auf dessen trockenes Ende die Sechsjährige kurz vorher einen dicken Strich mit schwarzem Filzstift gemalt hatte.

    Erstaunt beobachten Erst- und Zweitklässler der Klax-Grundschule in Berlin Weißensee, was bei einem naturwissenschaftlichen Phänomen passiert, das in der Chemie Chromatographie - Farbenaufspaltung - genannt wird. Frieda beschreibt genau, was aus ihrem schwarzen Filzstift-Strich geworden ist, als das Wasser - vom Löschpapier angesaugt - die schwarze Farbe erreichte. "Ein Lilarosa, türkis, bisschen schwarz, bisschen grün und ein bisschen gelb."

    Zur "Woche der Naturwissenschaften" an der Klax-Grundschule ist Georg Stammler angereist - Chemiker an der Universität Bielefeld. Der Wissenschaftler ist auf den Unterricht für junge "Naturforscher" spezialisiert. Sein Hauptziel ist nicht die wissenschaftlich korrekte Antwort:

    "… sondern, die Kinder zum Fragen zu bringen, dass die Kinder die Antwort möglichst selbst entwickeln können. Die erste Erfahrung, die einem immer ins Auge springt: Kinder haben ein wahnsinniges Interesse. "Die Sendung mit der Maus" ist ja mit die beliebteste Kindersendung nicht trotz, sondern wegen ihres naturwissenschaftlichen Inhaltes."

    Auch in seiner Stunde ist das Interesse groß. Nicht nur Farben werden heute getrennt. Stammler hat noch eine andere Überraschung dabei: "Was ist denn das?" - "Eine Lupe!" - "Heute wollen wir mal eine Lupe selber bauen."

    Stammler verteilt kleine Glasscheiben an jedes Kind. Darauf kommt jeweils ein Wassertropfen aus der Pipette. Die Schüler gucken durch den winzigen Wassertropfen: "Hey, guck mal, total breit, sooo groß..." - "Und hast Du eine Ahnung, warum das total groß wird? Beschreibt mal ganz genau die Form von der Lupe." - "Rund, rund..." - "Genau, und was ist Euer Wassertropfen?" - "Rund!"

    Die Mini-Lupe war erst der Anfang. Stammler vertieft das Experiment und zeigt den Kindern, was man mit zwei runden, zusammen gepressten, gebogenen Glasscheiben machen kann:
    "Jetzt ist nichts drin, hohl, Luft...und? Ist es eine Lupe?" - "Nein!" - "Und jetzt habe ich hier Wasser eingeschlossen, und? Ist es jetzt eine Lupe?" - "Ja!" - "Also, was ist eine Lupe?" - "Zwei Glasscheiben mit Wasser drin und dann kann man durchsehen und dann ist alles viel größer!" - "Super!" findet Stammler und erklärt, dass statt Wasser normalerweise dickes Glas in der Lupe steckt.

    Naturwissenschaftlicher Unterricht ohne Experimente ist für ihn wie Musikunterricht ohne Musik:

    "Das ist genau dasselbe, die Noten sind in der Musik die Abstraktion dessen, was man sinnlich wahrnehmen kann, also die Musik - und die Formeln an der Tafel in Chemie und Physik sind genauso die Abstraktion dessen, was man sinnlich wahrnehmen kann - nämlich die Experimente.."

    Deshalb kann man nicht früh genug anfangen, Formeln sinnlich wahrnehmbar zu machen, findet Stammler, denn:

    "Ob ein Interesse für Naturwissenschaften da ist, entscheidet sich nicht mit zwölf Jahren, sondern mit drei, vier, fünf, sechs Jahren. Nur das, was man selbst begriffen hat im wahrsten Sinne des Wortes, kann sich im Gehirn verankern."

    Lebender Beweis ist Nastasia aus der ersten Klasse der Klax-Grundschule. Sie will noch viel mehr als Chemie und Physik lernen:

    "Ich interessiere mich auch schon für Mathe. In Mathe war ich als Baby auch schon ganz gut. Mich interessiert so was einfach ganz doll. Ich find das einfach so spannend, wenn Erstaunliches rauskommt, dann bin ich meistens ganz überrascht."