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Grundsteinlegung vor 150 Jahren
Neuschwanstein, das Schloss aller Schlösser

Das Schloss Neuschwanstein gilt als Höhepunkt bajuwarischer Kitschkultur. Am 5. September 1869 erfolgte auf Geheiß des Königs Ludwig II. die Grundsteinlegung. Die Fertigstellung des Prachtbaus hat der Bayernkönig jedoch nie erlebt. Dafür aber die zahlreichen Probleme beim Bau.

Von Carola Zinner | 05.09.2019
    Schloss Neuschwanstein bei Schwangau im Ostallgäu. Das auch als Märchenschloss bezeichnete Gebäude wurde im Auftrag von König Ludwig II. von Bayern im 19. Jahrhundert errichtet.
    Das Märchenschloss Neuschwanstein bei Schwangau im Ostallgäu (picture-alliance / Stefan Puchner)
    Lied: "Auf den Bergen wohnt die Freiheit,
    auf den Bergen ist es schön,
    wo des Königs Ludwig des Zweiten
    alle seine Schlösser stehn."
    "Okay, Ladies and Gentlemen, welcome to the Neuschwanstein Castle." - "Das ist doch ein Schloss ohnegleichen!"

    Ein langgezogener Bau mit zahlreichen Türmchen, Giebeln, Balkonen, und Fenstern, hoch auf einer Bergeskuppe vor Bilderbuch-Alpenpanorama: das ist Neuschwanstein - ein Traum von einem Schloss.
    "Ich habe die Absicht, die alte Burgruine Hohenschwangau bei der Pöllatschlucht neu aufbauen zu lassen im echten Stil der alten deutschen Ritterburgen."
    So verkündete der junge Bayernkönig Ludwig II. in einem Brief seinem verehrten Freund, dem "göttlichen" Richard Wagner. Nur ein Jahr später, am 5. September des Jahres 1869, erfolgte die Grundsteinlegung des Prachtbaus.
    "Die Burg wird in jeder Beziehung schöner und wohnlicher als das untere Hohenschwangau, das jährlich durch die Prosa meiner Mutter entweiht wird. Die entweihten Götter werden sich rächen, und oben weilen bei Uns auf steiler Höh‘, umweht von Himmelsluft."
    Der König plant ständig um
    Allerdings bringt diese "steile Höh‘", was die Bauarbeiten angeht, diverse Schwierigkeiten mit sich. Die Arbeiter haben für das Fundament stellenweise bis zu acht Meter Fels abzutragen, und ohne Baumaschinen geht gar nichts, aber die müssen erst einmal raufgeschafft werden. Auch sonst gestaltet sich das Ganze recht mühsam, denn der König plant ständig um, macht aus bescheidenen Arbeits- und Gästezimmern prächtige Säle und will alles – Ritterzeit hin oder her - topmodern ausgestattet haben: über Neuheiten ist der König stets bestens informiert. Dazu der bayerische Historiker Ferdinand Kramer:
    "Er ist zur Weltausstellung nach Paris gegangen, er hat die technischen Innovationen für seine Bauten genutzt, da ist er dann doch ein Kind seiner Zeit auch, nimmt es wahr, interessiert sich dafür."
    So verbergen sich hinter den vorgeblich mittelalterlichen Kalksteinfassaden Eisen- und Betonkonstruktionen; eine gut versteckte Heißluft-Zentralheizung erwärmt die Räume des Königs, der seine Diener über eine elektrische Rufanlage herbeizitiert. Besonders komfortabel ist das stille Örtchen mit seiner automatischen Wasserspülung, die von einem Gebirgsbach gespeist wird. Dazu der Kastellan Markus Richter:
    "Wenn der sich auf die Schüssel gesetzt hat, wurde über eine Holzlatte ein Mechanismus ausgelöst, ein Ventil geöffnet in der Vertäfelung, und dann ist der Spülkasten vollgelaufen, und wenn der König aufgestanden ist, hat sich das entlastet und die Spülung ist automatisch losgegangen."
    Der Schuldenberg wächst ins Gigantische
    Doch ach, nicht mal der König von Bayern hat genügend Geld, all das zu bezahlen, zumal er ja auch noch an den Schlössern von Linderhof und Herrenchiemsee baut. Der Schuldenberg wächst ins Gigantische, das Volk beginnt zu murren, und Ludwig, ohnehin schon menschenscheu, zieht sich immer noch weiter zurück in seine abgeschiedenen Phantasiebauten.
    1886 dann kommt das tragische Ende: ausgerechnet in seiner Ritterburg wird der König festgenommen, nachdem man ihn zuvor für regierungsunfähig erklärt hat. Zwei Tage später stirbt er unter bis heute nicht ganz geklärten Umständen im Starnberger See.
    Danach dauert es gerade mal sechs Wochen, bis das Schloss für Besucher geöffnet wird. Eintrittspreis zwei Mark - das Haus Wittelsbach hat einiges an königlichen Schulden abzutragen.
    Und damit beginnt sie eigentlich erst, die Legende vom Märchenkönig.
    "Dieses Schloss Neuschwanstein in diesem Alpenpanorama ist zu einem Inbegriff für Ludwig II. geworden."

    Rund 1,5 Millionen Besucher drängeln sich mittlerweile jedes Jahr in den Räumen: Neuschwanstein, von dem es weltweit mehr als ein Dutzend Nachbauten gibt, ist das Schloss aller Schlösser. Da kann man es eigentlich nur tragisch nennen, dass ausgerechnet sein Erbauer es nie in fertigem Zustand erblicken durfte.
    Touristen drängen sich am Einlass vor Schloss Neuschwanstein in Hohenschwangau (Schwaben).
    Rund 1,5 Millionen Menschen besuchen jährlich Schloss Neuschwanstein (Picture Alliance / dpa / Stefan Puchner)