Dienstag, 16. April 2024

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Grundsteuer
"Damit können sie keine Steuerflucht begehen"

Die anstehende Grundsteuerreform müsse vor allem zu einem gerechten Modell führen, sagte Helmut Dedy, Geschäftsführer des Deutschen Städtetags, im Dlf. Sonderlich kompliziert sei die Grundsteuer nicht. Außerdem sei mit ihr Steuerflucht unmöglich: "Kein Anwalt, auch wenn er noch so gut ist, trägt Ihnen die Villa ins Ausland."

Helmut Dedy im Gespräch mit Christoph Heinemann | 27.11.2018
    Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages
    Lob der Grundsteuer: Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages (imago / Metodi Popow)
    Christoph Heinemann: Thema Grundsteuer. Setzt sich der Vorschlag von Bundesfinanzminister Olaf Scholz durch, dann müssten in Deutschland etwa 36 Millionen Grundstücke, Wohngebäude und Häuser einzeln bewertet werden. Zum Hintergrund: Das Bundesverfassungsgericht hatte wegen der völlig veralteten Bemessungsgrundlagen bei der Berechnung der Steuer eine Reform verlangt.
    Helmut Dedy ist der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages. Ihn habe ich vor dieser Sendung gefragt, welche Bedingungen aus Sicht der Städte erfüllt sein müssten.
    Helmut Dedy: Bei der Grundsteuerreform muss es schnell gehen. Das ist wichtig. Und ein wichtiges Ziel ist natürlich auch, dass morgen die Finanzminister von Bund und Ländern sich einvernehmlich auf eine gemeinsame Lösung verständigen. Denn wir haben die Zeit im Nacken und wir brauchen A das Aufkommen und B brauchen wir Planungssicherheit.
    "Akzeptanz nur für gerechte Modelle"
    Heinemann: Rechnen Sie damit, dass sie sich einigen werden?
    Dedy: Ich kann es nicht so richtig einschätzen. Ich kenne ja auch nur das, was man im Moment so hört. Es gibt nach wie vor wohl den Widerstand von Bayern. Ob der durchhaltbar ist, das kann ich nicht einschätzen.
    Ich denke schon, dass der Bundesfinanzminister weiß, was er tut, und wenn er sich morgen mit denen trifft, dann hoffe ich auf eine Einigung. Vielleicht kann ich es so formulieren.
    Heinemann: Herr Dedy, Clemens Fuest vom ifo-Institut hat heute Früh bei uns im Deutschlandfunk gesagt: Eine individuelle Berechnung ist unglaublich aufwendig. Ist dieser Aufwand gerechtfertigt?
    Dedy: Wahrscheinlich schon. Wir wissen ja noch nicht genau, wie das Konzept aussieht. Deshalb können wir den Aufwand auch nicht richtig einschätzen. Nur ein einfaches Modell ist oft nicht ein gerechtes Modell. Wir könnten auch die Einkommenssteuer pro Kopf aufteilen; das würde aber wahrscheinlich von den meisten Menschen als ungerecht empfunden. Und ich glaube, bei der Grundsteuer ist es nicht viel anders. Es macht einen Unterschied, ob ich in einer Gründerzeit-Villa sitze, oder in einem Plattenbau in Ostdeutschland. Ich denke schon, nur einfach kann es nicht sein. Wir brauchen auch ein gerechtes Modell, denn nur gerechte Modelle können auch auf Akzeptanz stoßen.
    "Gründerzeit-Villa anders bewerten als Plattenbau"
    Heinemann: Will sagen, eine Grundsteuer auf dem Bierdeckel können Sie sich nicht vorstellen?
    Dedy: Den Bierdeckel – das ist ja so das steuerpolitische Mantra Deutschlands –, den würde ich ganz gerne im Wirtshaus lassen. Was ich mir schon vorstellen kann, ist eine Steuererklärung mit dem Smartphone oder mit dem iPad. Das, denke ich, muss funktionieren. Wir dürfen nicht einen großen Aufwand bei den Steuerpflichtigen erzeugen, dass die jetzt Daten sammeln müssen, suchen müssen, sondern das muss mit wenigen vorhandenen Daten gehen. Einfach muss es sein. Wir leben in der Zeit der Digitalisierung. Da können wir nicht mehr mit Papierbergen arbeiten.
    Heinemann: Wenn ich es richtig verstanden habe, dann will Olaf Scholz die Netto-Kaltmiete, die Wohnfläche, das Baujahr, die Grundstücksfläche und den Bodenrichtwert berücksichtigen. Wieso wird eigentlich in Deutschland immer die komplizierteste Lösung gesucht?
    Dedy: Ja, schauen Sie sich die beiden Modelle an, die jetzt im Gespräch sind. Das eine ist die Flächensteuer und das andere ist dieses, nennen wir es mal, wertorientierte Modell. Natürlich ist die Flächensteuer einfacher. Aber ist es das, was wir wollen? Wollen wir eine Besteuerung nicht mehr nach der Leistungsfähigkeit, wie wir sie bisher haben, sondern wollen wir eine Steuer einfach nur einfach machen? Es ist meines Erachtens überhaupt nicht vermittelbar, dass jemand – ich wiederhole mich –, der in einer Gründerzeit-Villa wohnt, die gleiche Grundsteuer bezahlt wie in einem gleichgroßen Grundstück, dass völlig anders, mit viel geringerem Niveau bebaut ist. Wir müssen schon auch der Tatsache Rechnung tragen, dass wir da Qualitätsunterschiede haben, und wir müssen der Tatsache Rechnung tragen, dass Leistungsfähigkeit ein wichtiges Argument ist.
    "Wertorientierung kann man gut mit der Miete abbilden"
    Heinemann: Nur wirkliche Gerechtigkeit herzustellen, wird auch bei dem neuen Modell schwierig sein. Wenn man sich mal überlegt: Wenn die Wohnfläche berücksichtigt würde, dann hieße das doch, dass Geringverdienende, die seit Jahrzehnten in preiswerten großen Wohnungen wohnen können, dass die gekniffen werden. Arbeitet Olaf Scholz da an neuen Ungerechtigkeiten?
    Dedy: Ich sehe das nicht so, wie Sie das gerade in Ihrer Frage abgestellt haben. Bei niedrigen Mieten wird es eine niedrige Bemessungsgrundlage geben. Bei hohen Mieten wird es eine hohe Bemessungsgrundlage geben.
    Heinemann: Gut! Aber wenn die Wohnfläche mit einfließt, dann eben nicht mehr.
    Dedy: Na ja. Das kommt darauf an, wie Sie es ausgestalten. Entscheidend ist aber doch, dass wir gucken müssen, dass wir bei der Grundsteuer auch der Tatsache Rechnung tragen, dass da eine Wertorientierung drin ist. Und eine Wertorientierung, die kann man natürlich mit der Miete ziemlich gut abbilden, weil die Miete wiederspiegelt, wo lebe ich, in welcher Stadt lebe ich, in welcher Region lebe ich, wie ist die kommunale Infrastruktur darum herum. So ganz verkehrt finde ich das nicht. Und wenn Sie dann im Modell des Bundesfinanzministers, wie es jetzt in den Medien ist, auch noch sehen, dass die Steuermesszahl deutlich reduziert wird, von, ich glaube, 3,5 haben wir jetzt auf etwa 0,3, 0,5, dann sehe ich noch nicht, dass da das große Problem ausbricht, sondern ich würde gerne erst mal sagen, lassen Sie uns gucken, was jetzt morgen tatsächlich auf dem Tisch liegt, und dann können wir das auch im Detail bewerten. Aber wichtig ist: Der Weg geht in die richtige Richtung. Es ist eine Wertorientierung drin, und das scheint mir zentral zu sein.
    "Eine gute Gemeindesteuer"
    Heinemann: Herr Dedy, ich fürchte, bei der Steuermesszahl sind jetzt die ersten Hörerinnen und Hörer ausgestiegen aus unserem Gespräch. Ich will Ihnen einen Satz vorlesen, den ich heute zu der Materie gelesen habe: "Denn bei der komplexen Berechnung der Grundsteuer kommt neben der Bemessungsgrundlage auch immer die sogenannte Steuermesszahl" – da ist sie wieder – "zum Tragen. Diese könnte im Gegenzug massiv gesenkt werden. Ebenso könnten die Kommunen über den dritten Faktor bei der Berechnung, den kommunalen Hebesatz versuchen, die Effekte der Reform auszugleichen." – Verstehen Sie, dass immer mehr Leute Probleme mit den Behörden und mit der Verwaltung bekommen?
    Dedy: Ja, ich verstehe das im Grundsatz schon. Aber ich würde das jetzt nicht an diesem Beispiel festmachen. Die Grundsteuer ist im Kern eine relativ einfache Steuer. Wir gucken, was ist die Bemessungsgrundlage. Das stimmt. Dann gibt es eine Steuermesszahl, das ist einfach ein Multiplikator. Mehr ist das ja nicht. Und dann gibt es – und das ist uns wichtig – einen weiteren Multiplikator, und das ist der Hebesatz, den die Stadt darauf erhebt. So kompliziert, wie Sie es jetzt darstellen, ist es nicht.
    Wir haben bei der Grundsteuer einen ganz immensen Vorteil. Das ist eine Steuer, bei der Sie keine Steuerflucht begehen können. Das ist eine Steuer, bei der Sie nicht gestalten können. Kein Anwalt, auch wenn er noch so gut ist, trägt Ihnen die Villa ins Ausland. Das funktioniert nicht. Die zahlt jeder, der in einer Stadt lebt. Die zahlt jeder, der Grundeigentum hat oder es nutzt. Von daher ist das eine Steuer, die eigentlich eine gute Gemeindesteuer ist, und die würde ich mir jetzt ungern über den Aspekt "ganz, ganz, ganz kompliziert" kaputt reden lassen.
    Kritik an Vorschlag der AfD
    Heinemann: Die AfD fordert eine Abschaffung der Grundsteuer. Ginge das?
    Dedy: Na ja. Es sind 14 Milliarden Euro. Die AfD ist, glaube ich, immer gut darin, etwas zu fordern, aber vielleicht nicht immer gut darin, das zu Ende zu denken. 14 Milliarden Euro sind für uns etwa zehn Prozent der Steuereinnahmen, und das bedeutet, wenn wir die nicht haben, Infrastruktur, Schulen, Kindergärten, Straßen, alles das, was Städte machen, wird zum Teil durch Grundsteuer finanziert. Das ist völlig illusorisch, die abzuschaffen. Das ist meines Erachtens blanker Populismus.
    Heinemann: Herr Dedy, Linke und Grüne befürworten, dass die Grundsteuer nicht mehr auf die Mieterinnen und Mieter umgelegt werden könnte. Was bedeutete das für den privaten Wohnungsbau in den Städten?
    Dedy: Das ist ein bisschen schwierig zu sagen im Moment. Ich glaube, dass die Debatte kommen wird über die Umlagefähigkeit. Bisher kann der Grundstückseigentümer das auf die Mieter umlegen. Das ist Teil der Betriebskosten. Diese Debatte werden wir bekommen. Die Grundsteuer ist vom Volumen her jetzt nicht so groß, dass sie Investitionsentscheidungen in die eine oder andere Richtung mit prägen wird. Von daher denke ich, diese Debatte müssen wir führen, aber wir müssen sie nicht führen mit Blick auf die Investitionen in den Städten, sondern wir müssen sie eher führen mit dem Ziel, wo soll denn eigentlich die Steuerbelastung landen. Soll sie bei dem landen, der das Grundstück sein eigen nennen kann, oder soll sie bei dem landen, der das Grundstück nutzt, weil er es gemietet hat. Das ist eigentlich die entscheidende Frage. Die ist für mich eher sozialpolitisch oder auch steuerpolitisch, aber nicht unbedingt eine Investitionsentscheidung.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.