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Guerilla-Krieg auf dem Dach der Welt

Im Himalaya-Königreich Nepal sterben derzeit bei Kämpfen zwischen maoistischen Rebellen und Regierungstruppen fast täglich Dutzende Menschen. Anschläge der Guerilla auf Fabriken und Schulen haben Teile des Wirtschaftslebens und des Bildungswesens lahmgelegt; Touristen machen einen weiten Bogen um das einst beliebte Reiseziel Nepal – wo seit dem 26. November 2001 der Ausnahmezustand herrscht.

Thomas Kruchem | 04.05.2002
    Im Himalaya-Königreich Nepal sterben derzeit bei Kämpfen zwischen maoistischen Rebellen und Regierungstruppen fast täglich Dutzende Menschen. Anschläge der Guerilla auf Fabriken und Schulen haben Teile des Wirtschaftslebens und des Bildungswesens lahmgelegt; Touristen machen einen weiten Bogen um das einst beliebte Reiseziel Nepal – wo seit dem 26. November 2001 der Ausnahmezustand herrscht.

    Die Regierung unter Premierminister Sher Bahadur Deuba hat inzwischen die Maoisten zu "Terroristen" erklärt, die es zu "eliminieren" gelte. Deuba hat, nachdem zuvor nur Polizei die Guerilla bekämpfte, nun auch Nepals Armee in Marsch gesetzt – mit bislang magerem Erfolg: Die Maoisten gewinnen im Westen des Landes weiter an Boden; sie operieren auch in den Städten offenbar unbehindert. Vor wenigen Tagen erst zerstörten die Rebellen durch einen Brandanschlag eine Residenz des nepalesischen Regierungschefs in Assigram. Seit 1996 sind in dem Konflikt nach amtlichen Angaben mehr als 3100 Menschen ums Leben gekommen.

    Nepal, 22 Millionen Einwohner, eingezwängt zwischen den Giganten Indien und China; Land der religiösen Harmonie, Land der Widersprüche: Märchenhaftes, in reicher Tradition wurzelndes Hindu-Königreich und Schauplatz bittersten Elends; malerische Himalaya-Landschaft und eine von Abgasen verpestete Hauptstadt; liebenswerte, mitteilsame, bisweilen vergeistigt wirkende Menschen und fanatische Revolutionäre.

    Ende des 18. Jahrhunderts unterwarfen kriegerische Könige der indo-nepalischen Gurkha das im Kathmandu-Tal siedelnde Kulturvolk der Newar und gründeten das heutige Nepal, Heimat mehrerer Dutzend indisch- und tibetischstämmiger Volksgruppen. – 1846 begann das Jahrhundert der Rana, einer Familie von Höflingen, die den König zum Statisten degradierte und Nepal verwaltete wie einen Gutshof mit Leibeigenen.

    Der von Indien inszenierten Absetzung der Rana 1951 folgten noch 40 Jahre absolute Monarchie, bis schließlich das Volk die Demokratie erkämpfte. Am 9. November 1990 begnügte sich König Birendra mit dem Status des nurmehr konstitutionellen Monarchen.

    Viele der bitterarmen, unterdrückten und ausgebeuteten Nepalis setzten große Hoffnung in die parlamentarische Demokratie, die ihnen ein besseres Leben bescheren sollte. – Die Hoffnung wurde enttäuscht.

    Besisahar, Distrikt Lamjung im Westen Nepals. "Ich will die Revolution" sagt im "Mount Everest"-Hotel der junge Mann, der hier Treppen und Toiletten putzt. "Ich bin Maoist"; und seinen Chef an der Rezeption scheint es nicht zu stören.

    Maoisten, diese Spezies Kommunisten schien spätestens mit dem Niedergang des "Leuchtenden Pfads" in Peru ausgestorben; ein Fall für die Geschichtsbücher.

    Irrtum. In den Bergen Nepals gibt es heute mehr denn je junge Leute, die sich zumindest "Maoisten" nennen – eine Truppe zu allem entschlossener Guerilla-Kämpfer mit unklarer Ideologie; eine Truppe, die in zahlreichen Distrikten Parallelverwaltungen eingerichtet hat und in den letzten sechs Jahren weit über tausend Polizisten umbrachte. "Die Schergen des Sytems verdienen es nicht anders", sagt der Journalist und Maoist Siva, der seit einem Jahr im Untergrund lebt.

    Wir Maoisten wollen die semi-feudalistische Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung Nepals überwinden und unser Land vom Auslandskapital befreien. Wir wollen die Revolution. Dass während einer solchen Revolution Polizei, Militär und wir Revolutionäre aufeinander schießen, halte ich für völlig normal. Wir versuchen nach Möglichkeit, zivile Opfer zu vermeiden. Aber dass wir Schergen der Regierung, dass wir Polizisten töten, halte ich für absolut normal.

    Gemächlich trotten acht Maultiere, beladen mit Cola-Kisten und Reissäcken, durch Besisahar. Ihr Ziel: das greifbar nahe Annapurna-Massiv. Einige Touristen, die trotz des Bürgerkriegs in den Berghütten dort übernachten, brauchen Verpflegung.

    Besisahar, Hauptstadt des Bezirks Lamjung im mittleren Westen Nepals, ist Ausgangspunkt für Trekking-Touren; der Tourismus hat – Neubauten dokumentieren es – Wohlstand in die Stadt gebracht.

    20 Kilometer südlich von Besisahar liegt das Dorf Udpur, erreichbar nur nach mehrfacher Kontrolle an schwarz-weiß markierten Straßensperren, wo Soldaten Karten spielen und auf Kerosinherden Suppe kochen.

    Udpur ist ein armes Dorf. Das Geschäftszentrum – zwei Restaurants, ein Lebensmittelladen, eine Schneiderei – besteht aus windschiefen Holzhütten, wellblechgedeckt. Ringsum an steilen Hängen kleinste Reisfelder, mühsam angelegt auf Hunderten von Terrassen. Zehn Ropani, einen halben Hektar, besitzt ein Bauer im Schnitt.

    Maya Djira – eine junge hübsche Witwe – besitzt zwar kein Land, aber eine Schneiderwerkstatt. Auf einem Regal stapelt sie Stoffe, an Leinen zwischen hellgelb getünchten Wänden hängen Saris und Wickelröcke; auf dem Boden steht die verrostete Nähmaschine. "Ich beliefere die vornehmsten Damen im Dorf", sagt Djira, "aber..."

    Als Mitglied der Damai-, der Schneiderkaste gelte ich hier im Dorf als unberührbar. Ich darf ein Haus, das Angehörigen höherer Kasten gehört, nicht betreten. Ich darf keinen Lebensmittelladen betreiben; und wenn ich auf dem Markt eine Kanne Milch, Wasser oder Tee berühre, muss ich deren Inhalt kaufen, weil ich ihn angeblich verunreinigt habe.

    Die Diskriminierung von Menschen wegen ihrer Kaste ist in Nepal, wie in Indien, offiziell verboten; tatsächlich, erklärt Deepak Baral von der Distriktsverwaltung in Besisahar, ist die Einteilung der Menschen in Kasten bis heute tief verwurzelt – vor allem in ländlichen Regionen; bei der hinduistischen Mehrheit, auch bei der buddhistischen Minderheit.

    An der Spitze stehen "Brahmanen", die Priester-, und "Shetri", die Kriegerkaste. 25 Prozent der Bevölkerung zählen zu den untersten Kasten – zu den "Sunar", den Schmieden, zu den "Sarki", den Shuhmachern, zu den "Damai", den Schneidern. Menschen, die in solche Kasten hinein geboren wurden, gelten als "unberührbar", jeder Kontakt mit ihnen als Beschmutzung, nach der man sich aufwendig reinigen muss.

    Die Angehörigen niederer Kasten sind fast überall die Ärmsten im Dorf. Diese Menschen besitzen weder Land noch Bildung, sie sind sich häufig ihrer Lage nicht einmal bewusst. Für 30 Rupien, eine Mark, pro Tag arbeiten sie während der Saison auf den Feldern der Reicheren, vegetieren dahin mit zwei Reismahlzeiten täglich, etwas alter Kleidung, in einer Holzhütte mit Grasdach. Werden solche Menschen krank oder erleiden sie sonst einen Schicksalsschlag, geraten sie in die Klauen von Geldverleihern, die 36 Prozent Zinsen pro Jahr verlangen.

    Straßenverkehr in Nepals Hauptstadt Kathmandu gleicht einem regellosen Gewühl, durch das sich jeder irgendwie zu schlängeln versucht – mit viel Huperei, aber ganz unaufgeregt. Unfälle sind selten.

    Kathmandu ist ein Moloch, dessen Bevölkerung um sieben Prozent jährlich wächst. Überall schießen hässliche Ziegelbauten mit Betonskelett aus dem Boden – unterteilt in kleinste Zimmer für je eine Familie. Dazwischen unzählige Tempel, Schreine, Stupas, vor denen Menschen Blumen niederlegen, Kerzen anzünden, beten.

    Eine Teppichfabrik im Südosten Kathmandus: fünf Schuppen mit je zehn Knüpfstühlen, an denen – auf hölzernen Bänken – junge Frauen und Männer sitzen. So schnell, dass es das Auge kaum verfolgen kann, knüpfen sie Knoten um Eisenstangen, ziehen Stangen heraus, klopfen Knoten auf den vorhandenen Flor.

    "Eine tibetische Technik", sagt Yilma Nalama – eine Frau mit mongolischen Gesichtszügen. Die Teppichknüpferei, in Nepal früher unbekannt, brachten Ende der 50er Jahre tibetische Flüchtlinge ins Land. In der Folge avancierte die Teppichindustrie zu einer der wichtigsten Branchen im Lande. – Yilma und ihr Mann knüpfen seit zwei Jahren Teppiche.

    Morgens um fünf stehen wir auf und arbeiten am Knüpfstuhl, bis unsere Tochter aufwacht. Wir lassen sie bis halb zehn spielen, frühstücken mit ihr und bringen sie dann in den Kindergarten, wo sie bis zum Abendessen um fünf, halb sechs bleibt. Nach dem Essen arbeiten mein Mann und ich weiter, bis wir gegen elf schlafen gehen – Ja, 12, 13 Stunden arbeiten wir schon am Tag und verdienen damit immerhin 5.000 Rupien im Monat, 160 Mark. Tausend Rupien sparen wir, und wenn wir Glück haben, gehen wir in zwei Jahren zurück in unser Dorf. Dort wollen wir ein paar Kühe, Ziegen und Hühner kaufen. Von den Tieren und dem Stückchen Land, das wir besitzen, könnten wir dann leben.

    Eine Woche, sagt Yilma, brauchen sie, ihr Mann und zwei Kolleginnen, um einen Teppich von zwei mal drei Metern mit schlichtem Muster fertig zu stellen – eine Million Knoten im Akkord.

    Nur über eine glitschige Betontreppe erreichen die Arbeiter das Wohnquartier der Fabrik: 40 Räume von drei mal vier Metern, zwei Toiletten – für 230 Menschen. Es riecht nach Urin und Fäkalien. Vor vom Ruß der Kerosinherde geschwärzten Wänden liegen Schlafmatten auf dem Boden, Kleider hängen an Nägeln an der Wand. Samstags nimmt Yilma bisweilen frei, erzählt sie, wäscht, putzt, geht mit Mann und Tochter spazieren.

    Mag sein, dass auch die kleine Tochter in zwei, drei Jahren arbeiten muss – zum Beispiel als Haushaltshilfe. Allein in Kathmandus Privathaushalten schuften 200.000 Kinder – Kinder wie die 13jährige Suma Magara aus einem Dorf im Himalaya.

    Früh um fünf fange ich an, Frühstück zu machen für die Kinder von Familie Adjani. Der Sohn ist elf, die Tochter 5 Jahre alt. Dann bringe ich Namu, den Jungen, in die Schule, putze die Küche und esse selbst etwas Reis. Wenn ich die Wäsche gewaschen, den Boden gewischt und die Toilette gereinigt habe, komme ich hierher zur Schule. Nachmittags hole ich Namu von seiner Schule ab und mache ihm etwas zu essen. Bevor Frau Adjani vom Büro nach Hause kommt, muss ich Gemüse und Fleisch vorbereiten, damit sie kochen kann. Abends spüle ich das Geschirr, wische nochmals den Boden und gehe dann schlafen. Ich schlafe auf dem Boden – vor dem Bett von Namu Adjani.

    Für 40 Kinder wie Suma hat die deutsche Hilfsorganisation GTZ einen Schulunterricht von zwei Stunden täglich eingerichtet. Projektleiterin Charlotte Addy persönlich hat Arbeitgeber gefragt, ob sie den Kindern zumindest diese zwei Stunden am Tag frei geben wollen – Kindern, um die sie sich täglich Sorgen macht.

    Das große Problem mit der Kinderarbeit ist ja, dass diese Arbeit hinter verschlossenen Türen stattfindet, dass man sie nicht kontrollieren kann, dass ein Großteil der Kinder wirklich arbeitsmäßig sehr stark ausgebeutet wird. Die werden zum Teil geschlagen. Sie werden zum Teil auch nicht mal gut ernährt. Aber was das Schlimmste ist, das Vorkommen von sexuellem Missbrauch von Kindern ist eben sehr hoch.

    "Wählen Sie den Kandidaten der 'Kommunistischen Partei, Marxisten-Leninisten'. Er wird die Kastendiskriminierung bekämpfen; er wird Ihre Region mit Straßen und Hängebrücken erschließen – und natürlich der Korruption den Kampf ansagen..."

    Versprechungen nepalesischer Politiker – Versprechungen, die niemand mehr hören will. Binnen zehn Jahren haben Nepals – zumeist unter sozialistischer Flagge segelnden – Parteien sämtlichen Kredit verspielt. Milliarden Rupien für ländliche Entwicklung sind in dunklen Kanälen versickert; bereits finanzierte Krankenhäuser wurden nie gebaut; kleine Abgeordnete jedoch, berichtet der Journalist Kunda Dixit, besaßen binnen eines Jahres nach ihrer Wahl fürstliche Häuser.

    Die Korruption ist so schlimm, weil sie wirklich alle Schichten unserer Gesellschaft durchdrungen hat. Darüber wird in vielen Zeitungen sehr abstrakt räsoniert, was meiner Meinung nach nicht ausreicht. Die Medien sollten das menschliche Gesicht der Korruption zeigen. Sie sollten zeigen, wie durch den Diebstahl von Medikamenten Menschen sterben, wie durch Korruption an Schulen Kindern Bildung vorenthalten wird, wie durch Panscherei von Treibstoff wir alle leiden. In Nepal wird, das müssen Sie wissen, Kerosin subventioniert als Brennstoff in armen Haushalten. Skrupellose Bus- und Lastwagenbesitzer mischen nun das Kerosin mit Benzin und Diesel, füllen es in ihre Fahrzeuge, verpesten mit den dann entstehenden schlimmen Abgasen unsere Atemluft. Und die Regierung sagt, sie kann nichts dagegen tun. Warum kann sie nichts tun? Es ist sehr, sehr leicht, solche Dinge zu unterbinden.

    Kein Wunder, dass sich vor allem junge Leute jener Partei zugewandt haben, die als einzige nicht mitmachte bei der Selbstbedienung aus öffentlichen Kassen: die "Kommunistische Partei, Maoisten".

    Bis 1992 waren die Maoisten eine normale Partei; dann fühlten sie sich von Wahlfälschungen entscheidend betroffen und kämpften fortan außerhalb des Systems, geführt vom die Massen faszinierenden Pushpa Kamal Dahal, den sie "Genosse Prachandra" nennen – und von Baburam Bhattarai, dem Chefideologen.

    Anziehend wirkt auf viele Nepalis jedoch weniger die simpel gestrickte Ideologie der Maoisten als ihre revolutionäre Praxis im Stile eines Robin Hood. Berichte, wie Maoisten fetten Geschäftsleuten Säcke gehorteter Nahrungsmittel wegnehmen und an die Armen verteilen; Berichte, wie sie unpünktliche und ständig betrunkene Lehrer disziplinieren, wie sie Betrüger zur Rückgabe ihrer Beute zwingen – solche Berichte haben den Maoisten Sympathien bis tief in die Mittelschicht beschert.

    Auch militärisch haben die Rebellen seit drei Jahren an Boden gewonnen: Die Polizei war zu schlecht ausgerüstet, um es mit einer Guerilla-Truppe aufzunehmen; die Regierung zögerte lange, Soldaten einzusetzen, um keine Eskalation zum Bürgerkrieg zu provozieren; und nicht zuletzt duldet Indien bis heute, dass maoistische Rebellen sein Territorium als Ruheraum nutzen. Inzwischen hat die Guerilla, insgesamt rund 10.000 Mann, zahlreiche Distrikte Westnepals unter Kontrolle.

    Im Rolpa-Distrikt zum Beispiel haben wir eine Volksregierung eingesetzt, die vor allem die Lage der Ärmsten zu verbessern sucht. Wir bauen dort mobile Gesundheitsteams auf und Kooperativen, die der armen Bevölkerung günstig Lebensmittel verkaufen. An einigen Orten haben wir auch kommunale Schulen eingerichtet, die alle Kinder unter 14 Jahren besuchen müssen. Mit einem Steuersystem, das sich an der Zahlungsfähigkeit des einzelnen orientiert, finanzieren wir unsere Arbeit – in die wir auch die lokalen Entwicklungskomitees einbeziehen. Deren Mitglieder mussten entweder zurücktreten oder sich uns unterordnen. Lediglich die Beamten der Distriktverwaltung leisten noch Widerstand. Sie sitzen geschützt von Polizei und Militär in ihren Büros und drehen Däumchen.

    Auch im Bezirk Lamjung, sagt der Journalist Siva, wollen die Maoisten eine Parallelverwaltung einrichten. – Die Schneiderin Djira Maya im Dorfe Udpur zahlt schon heute Steuern an junge Männer, die – das Gewehr in der Hand – ihren Laden betreten.

    Mir bleiben von meiner Arbeit vielleicht 3.000 Rupien im Monat. Davon muss ich tausend Rupien Ladenmiete zahlen und jetzt auch noch 50 Rupien an die Maoisten. Das mache ich nicht gern, aber wenn ich mich weigere, stecken sie eines Nachts vielleicht meinen Laden in Brand. Immerhin, die Beamten der alten Regierung haben sich von unseren Steuern nur große Häuser in der Stadt gebaut. Die jungen Leute von den Maoisten aber tun schon Gutes mit dem Geld. Sie helfen den Armen und haben verboten, dass Leute wie ich weiter diskriminiert werden.

    Eher skeptisch äußert sich Dharma Raj Shrestha, Vorsitzender der Industrie- und Handelskammer von Besisahar. "Die Maoisten verscheuchen die Touristen", klagt der Geschäftsmann.

    Die Region um Besisahar lebt vom Tourismus. Viele Geschäfte hier in der Stadt verkaufen Ausrüstung und Lebensmittel an Touristen. Viele Männer arbeiten als Träger und Führer. Die meisten Hotels existieren nur wegen der Touristen, von denen dies Jahr nur wenige gekommen sind. Verantwortlich dafür sind der Mord an der Königsfamilie und die Terroranschläge in den USA, vor allem aber die Maoisten, die potentielle Besucher völlig verschrecken. Außerdem fressen uns die Maoisten inzwischen die Haare vom Kopf; so viele Spenden pressen sie uns ab; sie verhalten sich wie Straßenräuber.

    Die Bürger des Himalaya-Königreichs Nepal gehen durch schwere Zeiten: Vor knapp einem Jahr, am ersten Juni 2001, stirbt, bei einer Schießerei, der beliebte König Birendra, mit ihm ein Großteil seiner Familie; der neue König Gyarendra – munkeln manche – soll mitverantwortlich sein. Das Vertrauen in den Monarchen als Inkarnation Vishnus jedenfalls, das Vertrauen in Nepals Staatswesen überhaupt ist schwer erschüttert.

    Im August 2001 keimt Hoffnung, als der neugewählte Premier Deuba und die Maoisten einen Waffenstillstand schließen, als sie zu verhandeln beginnen. Im November jedoch scheitern die Verhandlungen – weil beide Seiten zu ernsthaften Konzessionen nicht bereit sind; wenig später fallen an einem einzigen Tag 300 Nepalis der politischen Gewalt zum Opfer. Seitdem häufen sich Bombenanschläge auf Kraftwerke, Fabriken und Politiker-Familien; viele Straßen sind vermint, auch unbeteiligte Zivilisten sterben.

    Das Hindu-Königreich am Himalaya – Sinnbild noch vor wenigen Jahren für eine reiche Kultur des Friedens und der Besinnlichkeit – Nepal versinkt immer tiefer im Bürgerkrieg.