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Guinea
Ein Dorf verklagt die Weltbank

Der Bauxit-Abbau in Guinea wird durch einen Weltbank-Kredit befördert. Die Folge: Menschen müssen ihre Heimat verlassen, um den Baggern Platz zu machen. Zurück bleibt zerstörte, unnutzbare Erde. Ein Dorf in Guinea wehrt sich jetzt gegen die Landenteignung.

Von Benjamin Moscovici | 06.07.2019
Umweltbelastungen durch den Abbau von Bauxit: Wo früher frisches Wasser aus dem Boden quoll ist heute nur noch ein Schlammloch.
Umweltbelastungen durch den Abbau von Bauxit: Wo früher frisches Wasser aus dem Boden quoll ist heute nur noch ein Schlammloch. (Deutschlandradio / Benjamin Moscovici)
Schaut man sich Satellitenbilder der Region an, sieht man das ganze Ausmaß der Zerstörung. Rotbraune Flecken fressen sich über die letzten zehn Jahre immer tiefer in das ansonsten saftig grüne Gebiet hier im Norden Guineas. Rotbraun, das ist die Farbe von Guineas Hoffnung, rotbraun, das ist die Farbe der Erde. Erde in der Guineas größter Reichtum schlummert: Bauxit. Der Ausgangsstoff für Aluminium.
2015 löst die Ankunft einer chinesischen Bergbaufirma einen beispiellosen Bauxitboom aus. China sichert sich weltweit immer mehr Ressourcen. Der Westen beäugt die Entwicklung mit Sorge. Und so steht plötzlich ein Weltbank-Kredit bereit, auf den Guinea jahrelang gewartet hat. Die halbstaatliche guineische Bergbaufirma CBG erhält ein Darlehen von 722 Millionen Euro. Mehrere internationale Großbanken sind daran beteiligt. Mit dem Geld soll eine Erweiterung der Minen finanziert werden.
Auch die Bundesrepublik ist beteiligt
Eine solche Rieseninvestition in einem Land wie Guinea ist aus Sicht der Banken aber ein Risikoprojekt. Sie verlangen Sicherheiten. Auch die deutsche Bundesregierung bürgt deshalb. Sollte Guinea nicht in der Lage sein, den Kredit zurückzuzahlen, garantiert die Bundesregierung ein Drittel des Kredits. Warum? Im Jahresbericht 2016 über die Exportkreditgarantien der Bundesrepublik schreibt die damalige Wirtschaftsministerin, Brigitte Zypries:
"Um Großprojekte im Ausland, die von herausragender strategischer Bedeutung für Deutschland sind, künftig noch besser begleiten und unterstützen zu können, hat die Bundesregierung im vergangenen Jahr ein umfangreiches Maßnahmenpaket beschlossen."
Zu den großen Herausforderungen unserer Zeit zähle es, die Globalisierung sozial und gerecht zu gestalten, so die Bundeswirtschaftsministerin. Weiter unten in dem Bericht heißt es dann konkret über das Projekt in Guinea:
"Die Erweiterung der Minenkapazitäten ermöglicht es der Aluminium Oxid Stade (AOS), eine 1973 in Stade errichtete Aluminiumraffinerie auf Basis eines langfristigen Abnahmevertrags mit der CBG Bauxit zu beziehen. Aluminium Oxid Stade kann hierdurch die eigene Produktion für mehr als zehn Jahre sicherstellen."
Die Bundesregierung gibt sich hoffnungsvoll: "Die Erweiterung des Minenbetriebs trägt zur Beschäftigungssicherung in der Region Boké in Guinea bei und wird den Beitrag der CBG zur guineischen Wirtschaftsentwicklung weiter steigern. Die Umsetzung des Erweiterungsvorhabens erfolgt unter der Berücksichtigung der internationalen Umwelt- und Sozialstandards."
Ein Dorf wehrt sich gegen die Landenteignung
Besuch vor Ort. Von der Provinzhauptstadt Boké an der Atlantikküste führt eine asphaltierte Straße nach Nordosten ins Landesinnere. Lkw kriechen in langen Kolonnen wie fleißige Tausendfüßler durch die ehemals tiefgrüne Landschaft, von ihren Ladeflächen rieselt und wirbelt Bauxitstaub. Rechts und links der Straße sind die Blätter der Bäume völlig mit dem roten Staub bedeckt. Nach zwei Stunden Fahrt erreiche ich das kleine Dorf Hamdallaye.

Das Dorf besteht aus runden Lehmhütten mit Strohdach und reich verzierten massiven Holztüren. Im Schatten eines gewaltigen Mangobaumes treffe ich Muhammadu Bah. Der 64-Jährige ist der Dorfchef.
"Ich habe mein urbares Land verloren, meine Felder. Das kann nicht ersetzt werden. Es ist das Land, das ich von meinen Vätern geerbt habe."
Einen halben Tag lang führt mich Muhammadu Bah über die zerstörten Felder, die jetzt nur noch offene Flächen aus Bauxitstaub sind. Er zeigt mir ausgetrocknete Flussläufe und Schlammlöcher, die bis vor kurzem noch Quellen waren, in denen die Geister des Wassers und der Wälder tanzten. Wir steigen auf eine kleine Anhöhe. Von hier oben sieht man die Zerstörung. Die letzten Palmen sind vertrocknet, die Tiere haben keine Weidefläche mehr, die Lebensgrundlage des Dorfes ist zerstört.
Dorfleben in Hamdallaye. Eine schwangere Frau sitzt an einer Kochstelle. Im Hintergrund ein afrikanisches Dorf und viele Kinder, die neugierig in die Kamera schauen. 
Dorfleben in Hamdallaye (Deutschlandradio / Benjamin Moscovici)
Muhammadu Bah, deutet über das, was einst sein Reich war. "All das hier - verloren. Und für nichts sind wir entschädigt worden."
Insgesamt hat die CBG hier inzwischen rund zehn Quadratkilometer enteignet. Ein Gebiet so groß wie der Berliner Stadtteil Mitte. Ende dieses Jahres sollen nun auch die Häuser abgerissen werden, das Dorf muss der Mine weichen.
"Die CBG hat einfach ohne eine Einigung mit uns mit ihren Aktivitäten begonnen."
Der Vorwurf: Umweltschutz und soziale Standards werden beim Abbau ignoriert
Aber die Menschen in Hamdallaye setzen sich zur Wehr. Sie haben Klage eingereicht. Doch welche Chance hat ein kleines 500-Einwohner-Dorf irgendwo in Guinea gegen einen Rohstoffgiganten, der zur Hälfte der Regierung gehört und sein Geld von internationalen Großbanken und der Weltbank bekommt? Möglicherweise mehr als man denken könnte: Banken, Institutionen wie die Weltbank und auch die Bundesregierung sind bei der Vergabe von Krediten und Kreditgarantien an internationale Umweltschutz- und Sozialstandards gebunden. Auflagen, die hier in Hamdallaye mutmaßlich missachtet werden. David Pred arbeitet als Anwalt für die Organisation Inclusive Development International und betreut die Klage juristisch.

"Die CBG ignoriert nicht nur die Landansprüche der Bewohner, sondern unternimmt auch keinerlei Anstrengungen, um bereits abgeräumte Minen wieder aufzuforsten und die Humusschicht wiederherzustellen. Für die Bewohner von Hamdallaye ist das besonders dramatisch. Sie sollen noch in diesem Jahr auf das Gebiet einer ehemaligen Tagebaumine umgesiedelt werden. Dort gibt es keine Bäume und der Boden ist für Landwirtschaft vollkommen ungeeignet."

Tatsächlich sieht die Gegend, in die Dorfchef Muhammadu Bah demnächst mit seinen Leuten ziehen soll, wie eine Marslandschaft aus. Bis zum Horizont nichts als nackte rote Erde. Die CBG hat alles abgeschürft, was es zu holen gab. Wenige Zentimeter unter der Oberfläche liegt massiver Fels. Die CBG weist alle Vorwürfe zurück. Für ein Interview findet die Bergbaufirma aber über Monate keinen Termin.
Auf der Website des Bundesfinanzministeriums heißt es über die sogenannten UFK-Kredite, über die das Projekt von deutscher Seite finanziert wird:
Die Bergbaufirma CBG hat hier alles abgeräumt. Wenige Zentimeter unter dem Boden liegt massiver Fels. Drei Männer stehen an einer Abbruchkante.
Die Bergbaufirma CBG hat hier alles abgeräumt. Wenige Zentimeter unter dem Boden liegt massiver Fels. (Deutschlandradio / Benjamin Moscovici)
"Der Bund kann Kredite im Zusammenhang mit Projekten für Erschließung, Abbau und Transport von Rohstoffen nach Deutschland garantieren, die für die deutsche Wirtschaft von essentieller Bedeutung sind und in Deutschland nicht vorkommen."
Folgt man der Lieferkette, wird klar, dass es der Bundesregierung mit ihrer Kreditgarantie wohl nicht nur um die Sicherung von 500 Arbeitsplätzen bei der Aluminium Oxid Stade geht. In Stade wird das Bauxit aus Guinea zu Aluminiumoxid umgewandelt; das wird dann über die Firma Dadco, die gleichzeitig Anteilseigner an der guineischen CBG ist, an eine norwegische Aluminiumhütte verkauft und die wiederum beliefern am Ende der Kette Mercedes, BMW und Audi.