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Gut gemischt hält besser

Umwelt. – Orkan Kyrill ist der jüngste Sturm, der großen Schaden im deutschen Wald angerichtet hat. Erste Untersuchungen ergeben jetzt, dass Forste wesentlich stärker verheert wurden als natürliche oder naturnahe Mischwälder.

Von Volker Mrasek | 01.02.2008
    "Also, hier ist der Kolkrabe seit ein paar Jahren drin. Und der sitzt immer gerne da auf dieser hohen Fichte."

    "Da oben ist der Horst.

    "Hat jetzt im letzten Sommer einen Schwarzstorch flottgemacht."

    "Ooh!"

    "Die zwei Kolkraben, die hier waren, die jagten diesen Schwarzstorch."

    "Ja, die verteidigen ihr Revier."

    "Ja, genau!"

    "Und wollen keinen dritten Bewohner hier."

    "Ganz genau!"

    "In der Nähe haben."

    "Ich war im Juni noch mal hier, hab’ aber nichts gesehen. Die sind ja dann auch sehr heimlich, wenn sie füttern."

    "Ja."

    Kolkraben und Schwarzstörche. Die hat man sicher nicht in einem schnöden Wirtschaftswald. Ungewöhnlich auch das dichte braune Laub auf dem Boden und erst recht die umgefallenen, liegengelassenen Baumriesen, die langsam verwittern und von leuchtend-grünem Moos überwuchert sind. Nein! Dies ist kein Forst, sondern ein Wald. In der Nähe des Ortes Messenberg bei Paderborn. Unterwegs in der sogenannten Naturwaldzelle: die beiden Forstwissenschaftler Josef Richter und Uta Schulte, begleitet von Revierförster Uwe Frerk.

    "Wir sind an einem ganz besonderen Flecken. In diesem Forstort Messenberg, dort befindet sich eine Naturwaldzelle von den… Wie viele haben wir?"

    "76."

    "Von 76 Naturwaldzellen im Lande Nordrhein-Westfalen. Und diese Naturwaldzelle ist 1972…"

    "’72 ausgewiesen."

    "’72 ausgewiesen. Und gehen Sie mal davon aus: Seit 1972 wird hier nicht mehr drin gewirtschaftet. ,Naturwaldzelle’ heißt: Wir überlassen hier das Feld der Natur."

    Nordrhein-Westfalen wurde vor einem Jahr besonders stark von Kyrill erwischt. Mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 200 Kilometern pro Stunde fegte der Orkan über das Bundesland hinweg. Die Schäden waren enorm. Komplette Fichten-Plantagen riss es um, in den Forsten klaffen heute zum Teil Quadratkilometer große Lücken. Doch nicht so in den Naturwaldzellen. Sie haben sich als viel widerstandsfähiger erwiesen. Das zeigen die Untersuchungen von Uta Schulte in den geschützten Beständen. Die Diplom-Forstwirtin ist Dezernentin beim nordrhein-westfälischen Landesbetrieb Wald und Holz und für die Naturwald-Forschung zuständig. Ihre Arbeit führte sie natürlich auch nach Messenberg. Hier stehen 150jährige Buchen, und nur einige liegen heute danieder, mit Wurzeltellern, die zwei, drei Meter in die Höhe ragen. Schulte:

    "Der größte Teil der Bäume ist also durch Kyrill hier umgeworfen worden. Aufgrund der Stärke des Sturmes hat es also doch einige starke Lücken reingerissen."

    Doch das ist kein Vergleich zu den Orkanschäden in den Wirtschaftswäldern. In den heute unberührten Naturwaldzellen sind gerade mal ein bis sieben Bäume pro Hektar vom Wind geworfen oder geknickt worden, so das Ergebnis der Auswertung. In der Regel entstanden lediglich "Einzelbaum-Lücken", wie Uta Schulte sagt. So auch in der Messenberger Buchenwaldzelle:

    "Es sind im Grunde genommen vorgeschädigte Bäume geworfen worden. Die sind quasi herausgekämmt worden, weil sie sehr instabil waren. Und dann sind eben also vorrangig auch eben Buchen geworfen worden, die innerlich schon durch Weißfäule-Pilze beeinträchtigt waren und die dann vorrangig auch abgebrochen sind und nicht geworfen worden sind."

    Kyrill hat also nur die natürliche Auslese forciert. Die Widerstandskraft der Buche erklären die Experten damit, dass sie besonders standortangepasst ist, als die typische, oft tief und fest wurzelnde mitteleuropäische Laubbaum-Art. In Wirtschaftswäldern dagegen dominiert die Fichte, und wenn sie durchforstet werden, dann fast immer sehr kräftig. Die übrig bleibenden, freistehenden Einzelbäume wirft es bei einem Sturm allerdings leichter um. Aus ihren Erfahrungen mit den Naturwaldzellen leitet Uta Schulte deshalb auch Empfehlungen für die Forstwirtschaft ab:

    "Wir haben auch Naturwaldzellen, in denen es durchaus gewisse Fichtenanteile gibt. Dort erleiden die Fichten auch Windwürfe. Aber sie verjüngen sich dort auch wieder im Schutz der Buchen sehr viel schneller. So dass also Buchen-Mischbestände durchaus insgesamt stabiler sind. Also, Fichten-Buchenmischwälder wären also schon Alternativen zu den reinen Fichtenwäldern, die wir vorrangig hier in Mitteleuropa auf großen Flächen haben."

    "Also, hier ist der Kolkrabe seit ein paar Jahren drin. Da auf dieser hohen Fichte."